IT-Manager wetten

Die Erwartungen an den CIO steigen

20.01.2021 von Michael Kollig
Michael Kollig wettet, dass auch im Jahr 2026 noch kontrovers über die Aufgaben des CIO diskutiert werden wird.
Michael Kollig
Foto: Airbus Canada

Schon der große dänische Physiker Niels Bohr hat erkannt, dass Vorhersagen eine schwierige Sache sind, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. Weiterhin bergen Vorhersagen über einen doch recht kurzen Zeitraum, fünf Jahre, das inhärente Risiko, dass man sich an ihnen messen lassen muss. Da hatte es Nostradamus einfacher. Wie also wird die IT in fünf Jahren aussehen, welche Trends werden sich durchsetzen, welche auf dem großen Hype-Friedhof verschwinden, und was ist heute schon absehbar?

Die Rolle des CIO 2026

Fangen wir mit dem CIO und dessen Rolle an. Ich gehe davon aus, dass auch 2026 noch kontrovers über die Aufgaben des Chief Information Officer diskutiert werden wird, und auch dann keine abschließende Antwort gegeben werden kann. Während die Aufgaben des Finanzchefs oder des Produktionsvorstands relativ klar umrissen sind, hat es die transversale Rolle des IT-Verantwortlichen deutlich schwerer, weil sie sowohl inhaltlich als auch funktional über alle Unternehmensbereiche hinweggeht.

Die kommenden Jahre werden eine weitere Differenzierung der IT-Führungsrolle in den unterschiedlichen Organisationen mit sich bringen: Auf der einen Seite der CIO, der sich primär für das Management von Informationen verantwortlich fühlt und dafür, wie diese im Unternehmen wertstiftend genutzt werden können. Er sieht Technologie als Mittel zu diesem Zweck. Auf der anderen Seite wird aber auch weiter der IT-Verantwortliche seine Berechtigung haben, der seine Hauptverantwortung im Bereitstellen der Technologie sieht.

Welche Ausprägung die IT-Verantwortung in den unterschiedlichen Organisationen hat, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Man kann genauso leidenschaftlich für den CIO als Informationsmanager argumentieren wie man die konträre Position des Technologie-Managers vertreten kann. Daneben ist auch jede erdenkliche Form zwischen den beiden Extrempositionen möglich. Jede Organisation muss hier ihren eigenen Weg definieren, unter Berücksichtigung des Betätigungsfeldes, der Wettbewerbslandschaft und auch der Ausgangssituation im Unternehmen.

Es ist schwer vorstellbar, dass es in informationsintensiven Industrien keine Funktion gibt, die sich um Informationen und deren optimale Nutzung kümmert. Sollte diese Rolle im Unternehmen vom CIO nicht wahrgenommen werden, etablieren sich ähnliche, im besten Fall komplementäre Rollen, die diese Aufgabe wahrnehmen.

Die zunehmende Nutzung von Cloud-Dienstleistungen jedweder Schattierung wird in Anwenderunternehmen dazu führen, dass die klassischen Betriebsthemen, sei es Infrastruktur oder Applikationen, an Bedeutung verlieren, beziehungsweise teilweise ganz verschwinden. IT-Verantwortliche mit einer Fokussierung auf diese Themen werden sich in diesem Umfeld stärker mit Servicemanagement-Aufgaben konfrontiert sehen. Mit den Cloud-Diensten und den geläufigen Pay-per-Use-Bezahlmodellen werden auch die Erwartungen an die CIOs steigen, die gesamten IT-Kosten servicebasiert, transparent, nutzungsabhängig und variabel zu gestalten.

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Hinsichtlich Lösungsportfolio und Fähigkeiten werden die nächsten Jahre ganz erheblich von den in der Covid-19-Pandemie gemachten Erfahrungen geprägt sein. Aus der unspezifischen digitalen Transformation wird die fokussierte Digitalisierung. Hierbei geht es weniger um die sehr breit gefächerten Versuche, neue Geschäftsmodelle oder Geschäftsfelder zu ermöglichen, sondern um die digitale Absicherung von Kernfähigkeiten.

Ganz oben auf der Agenda sehe ich das Thema Remote-Arbeitsfähigkeit. Ich gehe davon aus, dass Unternehmen alle Tätigkeiten, die nicht zwingend eine physische Präsenz erfordern, künftig remote ermöglichen. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass alle diese Funktionen ausschließlich remote arbeiten werden, aber sie müssen es können. Es ist anzunehmen, dass sich gemischte Lösungen - remote und im Büro - verstärkt etablieren werden.

Skalierbarkeit und Mobility

Hieraus ergeben sich für die IT mehrere Herausforderungen. Zum einen geht es um Skalier­barkeit der Zugangslösung, weil damit zu rechnen ist, dass in Spitzenzeiten je nach Industrie viele Mitarbeiter über einen Remote-Zugang arbeiten werden. Hier werden sich cloudbasierte Lösungen in allen denkbaren Schattierungen durchsetzen, von der reinen Bereitstellung des Zugangs bis hin zum kompletten Applikationsservice.

Eine weitere Frage, die sich den Unternehmen stellt, dreht sich um die Arbeitsplatzausstattung. Sollen in Zukunft alle Mitarbeiter mit mobilen Endgeräten ausgestattet werden? Das kann insbesondere im High-End-Bereich sehr kostenintensiv werden. Oder gestattet das Unternehmen den Zugang zu Firmendaten von privaten Rechnern aus, mit allen damit verbundenen Risiken?

Neue Security-Architekturen

Diese Herausforderungen werden auch die gängigen Security-Architekturen massiv beeinflussen: weg vom Perimeterschutz der Devices, hin zu effektivem Schutz der Informationen durch entsprechende Lösungen. Ich erwarte außerdem, dass effektive Lösungen zur Datenklassifizierung in Zukunft stark an Bedeutung gewinnen werden, da dies eine Grundvoraussetzung für geeignete Schutzkonzepte innerhalb und außerhalb des Unternehmens ist. Ein nicht zu vernachlässigender Nebenaspekt wird die Arbeitsplatzorganisation sein. Dort werden flexible Arbeitsplätze an Bedeutung gewinnen, und neben der Infrastruktur auch intelligente Reservierungs- und Verwaltungslösungen.

Digitale Kollaboration

Neben der individuellen Arbeitsfähigkeit kommt Kommunikations- und Kollaborationslösungen eine wachsende Bedeutung zu, und damit meine ich nicht das Versenden von Datei-Anhängen per E-Mail. Die Konvergenz zwischen Instant Messaging, Telefonie, Video, gemeinsamer Dokumentenbearbeitung in Echtzeit sowie Whiteboard-Funktionalitäten wird in fünf Jahren weiter vorangeschritten sein. In vielen Organisationen werden solche Lösungen flächendeckend und vor allem auch geräteübergreifend im Einsatz sein.

Kommunikations- und Echtzeit-Kollabora­tionslösungen werden aber auch verstärkt in Bereichen Einzug halten, wo physische Präsenz unabdingbar ist. In einigen Fällen müssen zum Beispiel verschiedene Standorte zusammenarbeiten, oder es gibt eine Mischung aus Remote- und Onsite-Nutzern. Der Ingenieur, der im Produktionsprozess einen Sachverhalt visuell begutachten muss, wird dies vor Ort durch die Augen des Anwesenden tun, mit Lösungen wie Google Glass.

Es werden sich auch verstärkt Einsatzszenarien durchsetzen, wo beispielsweise Kundenqualitäts- und Fortschrittskontrollen in einer Kombination aus Vor-Ort- und Remote-Arbeitsschritten durchgeführt werden. Auch Video-Kollaboration wird deutlich an Bedeutung gewinnen, und das nicht nur in den typischen Office-Anwendungsfällen, sondern in allen möglichen Arbeitsbereichen, insbesondere in der Kundeninteraktion.

Remote-Arbeitsfähigkeit kann und wird aber auch weitergedacht werden. In Bereichen wie dem Bildungswesen geht es ja nicht nur um den Remote-Zugang zu bestehenden Systemen, sondern auch um die Bereitstellung der Backend-Fähigkeiten, um ein vernünftiges Arbeiten aus der Ferne überhaupt zu ermöglichen.

Es bleibt zu hoffen, dass die in der Covid-19-Krise offenbar gewordenen Defizite zügig beseitigt werden, und dass bei diesem Thema die föderalen Eifersüchteleien zurücktreten und eine bundesweite Lösung implementiert wird. Der Föderalismus hat zwar viele Stärken, doch die in der Digitalisierung wichtigen Elemente Skalierung und Standardisierung sind in föderalen Strukturen schwieriger zu erreichen. Fortschritte in diesem Bereich werden maßgeblich vom Willen und der Fähigkeit der Beteiligten abhängen.

Transparente Lieferketten

Einen weiteren großen Themenblock sehe ich im Bereich Sicherung und Transparenz von Lieferketten. Die in der Covid-19-Pandemie gemachten Erfahrungen führen sicher zu einer Neubewertung von Zulieferbeziehungen und deren Sicherheit. Eine Umkehrung der Globalisierung sehe ich nicht, dazu sind die Vorteile einer arbeitsteiligen Wirtschaftsweise zu groß. Aber das Thema Liefersicherheit und Transparenz wird deutlich an Gewicht gewinnen.

Dort werden auch digitale Mittel eine große Rolle spielen, die eine Produktions- und Lieferungsverfolgung nahezu in Echtzeit erlauben. In Kombination mit digitaler Eigentumsübertragung kann über diesen Weg verlorenes Vertrauen in internationale Lieferketten zurückgewonnen werden. In diesem Themengebiet sehe ich einen vielversprechenden Anwendungsfall für Blockchain-Technologien: In Kombination mit Smart Contracts ließen sich zum Beispiel Abschlagszahlungen je nach Lieferfortschritt automatisiert ausführen.

Begleitend wird aber auch das Thema industrielle Automatisierung einen großen Schub erhalten. Auch wenn es sicher nicht zu einer kompletten Umkehr von globalisierten Lieferketten kommt, werden begleitend zu existierenden Fähigkeiten weitere Produktionsstandorte in der direkten politischen Einflusszone der Hauptmärkte entstehen.

Um den Produktionskostennachteil, der vorwiegend aus unterschiedlichen Arbeitskosten resultiert, auszugleichen, werden diese Standorte mutmaßlich hochgradig automatisiert sein. Hier entsteht für Unternehmen eine große Chance einer durchgängigen Datenarchitektur, vom "Topfloor zum Shopfloor" sozusagen, um effiziente Steuerungs- und Feedback-Logiken ohne Systembrüche zu verwirklichen. Ich gehe davon aus, dass die vielfältigen Standardisierungsbemühungen bis dahin Früchte tragen und es einen einheitlichen Rahmen für die Integration von Planungs-, Ausführungs- und Steuerungssystemen geben wird.

Adaptive Algorithmen

Man kann 2020 keinen IT-Ausblick geben, ohne auf das Megathema künstliche Intelligenz (KI) einzugehen. Der Begriff ist maximal ungünstig gewählt, weil er etwas suggeriert, dass diese Technologie auch auf Jahre hin nicht leisten können wird. "Adaptive Algorithmen" trifft aus meiner Sicht das Thema viel eher. Es geht also um leistungsfähige Verfahren, die in der Lage sind, Korrelationen in Daten festzustellen, diese in Ursache-Wirkungszusammenhängen abzubilden und sich automatisiert einer Veränderung der Datenlage anzupassen. Beim Erkennen der Kausalität wird es dann schon sehr viel schwieriger.

Nichtsdestotrotz werden Algorithmen in vielen Anwendungsbereichen eine wichtige Stellung einnehmen. So ist es nicht undenkbar, dass in fünf Jahren etwa Videokonferenzen auto­matisiert protokolliert, in verschiedenste Sprachen übersetzt und inhaltliche Zusammen­fassungen erstellt werden. Auch in der Automatisierung von Abläufen sind große Fortschritte zu erwarten. So werden wir sehr viel leistungsfähigere Robotic-Process-Automation-(RPA-)Anwendungen sehen, die eine größere Bandbreite an Fällen adaptiv abbilden können, ohne diese in vordefinierte Unterscheidungen einordnen zu müssen.

Datenqualität entscheidet

Die digitalen Möglichkeiten hängen maßgeblich vom Rohstoff Daten ab. Die Aussage, Daten seien das Öl des 21. Jahrhunderts, ist mittlerweile anerkannt. Wie beim Rohöl auch hängt der Wert der Daten aber entscheidend von deren Qualität ab. Die "alte" Disziplin des Datenmanagements und der Daten-Governance hat nichts an Relevanz verloren, ganz im Gegenteil.

Abschließend noch einige Bemerkungen, die etwas über das mir vertraute Feld der Unternehmens-IT hinausgehen. Die Möglichkeiten der IT und damit die potenziellen Anwendungsfelder in allen Lebensbereichen entwickeln sich in rasender Geschwindigkeit. Ein generelles Verständnis für diese Möglichkeiten ist in vielen Bevölkerungsteilen nicht mehr automatisch gegeben. Unkenntnis und Unverständnis sind aber keine guten Zutaten für bewusste Entscheidungen und breite Akzeptanz.

Es kann am Ende nicht die alleinige Entscheidung von einigen Technologieunternehmen sein, welche Technik in welchen Lebensbereichen wie zum Einsatz kommt. Um hier ein "böses" Erwachen zu vermeiden, müssen alle Akteure im Digitalsektor ihre Bemühungen für Verständnis und Akzeptanz drastisch erhöhen. Denn nur bewusste, unterrichtete Anwendungsentscheidungen sind nachhaltig.

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