Kein Vertrauen in Mitarbeiter - Verzetteln in Details

Die häufigsten Fehler neuer IT-Chefs

27.02.2009 von Nicolas Zeitler
Erfolg in kurzer Zeit ist entscheidend für die Karriere von Führungskräften. Doch 40 Prozent scheitern. Der größte Fehler eines IT-Managers liegt darin, sich zu sehr mit Details abzugeben, sagen im Interview Mark E. van Buren und Todd Safferstone von der Harvard Business Review.

5.400 neue Führungskräfte haben die beiden Wirtschaftsexperten auf den Prüfstand gestellt. Ziel war es, herauszufinden, wie der erste Erfolg nach kurzer Zeit auf einer neuen Stelle über späteren Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Kathleen Melymuka von unserer amerikanischen Schwesterpublikation Computerworld hat Mark E. van Buren und Todd Safferstone von der Harvard Business Review zu den Ergebnissen ihrer Untersuchung befragt.

Computerworld: Ihre wissenschaftliche Arbeit zeigt, dass die erfolgreichsten Führungskräfte die sind, die schnelle Erfolge erzielen können. Warum sind schnelle Erfolge so wichtig?

Van Buren: Der Erfolg ergibt sich aus Dingen wie einer besseren Performance, aber darüber hinaus hat es auch deutliche Auswirkungen aufs Geschäft, wenn jemand keinen schnellen Start hinlegt. In unserer Wirtschaftswelt ist der Druck auf Manager in einer neuen Position sehr hoch, in kurzer Zeit zu zeigen, dass sie auch wirklich in der Lage sind, das Geschäft in die richtige Richtung zu lenken.

Unserer Ansicht nach ist das vor allem für IT-Führungskräfte entscheidend. Denn viele von ihnen haben mit Projekten zu tun, die sich erst auf sehr lange Sicht auszahlen. Für diese Leute ist es außerordentlich wichtig, sich bei der Geschäftsführung schnell Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Durch diesen schnellen Gewinn können sie sich den Luxus erarbeiten, später einmal mehr Zeit für schwierige Veränderungen zu haben.

Sie haben auch herausgefunden, dass 40 Prozent der Führungskräfte nach dem Wechsel auf eine neue Stelle in diesem Punkt scheitern. Welchen Fehler machen sie am häufigsten?

Van Buren: Wir waren überrascht, wie ähnlich die Herausforderungen sind, denen die Leute unabhängig von ihrer Position begegneten. Es spielte keine Rolle, ob sie auf eine gehobene Management-Position rückten oder das erste mal eine Führungsaufgabe übernahmen. Es machte auch keinen Unterschied, welche Funktion sie innehatten oder in welcher Branche sie arbeiteten. Für fast alle galt, dass der größte Fehler, den man machen kann, ist, sich zu sehr mit Einzelheiten zu beschäftigen.

Ein Manager muss natürlich schon das Geschehen in einem Projekt verfolgen, doch je mehr er sich in Details verstrickt, desto eher geht ihm der Blick für die Geschehnisse im ganzen Unternehmen verloren. Auch die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen, leidet dann oft. Dringendes rückt wirklich Wichtiges oft in den Hintergrund, das geht vielen IT-Leitern so, und ist zum Teil auch verständlich. Die hochspezielle Natur von IT-Arbeit macht es manchmal schwierig, nicht ständig alles überwachen zu wollen.

Der IT-Chef muss Kritik aushalten

Als zweite große Falle erwies es sich, negativ auf Kritik zu reagieren. Warum kann eine ausgezeichnete Führungsperson, die eben erst befördert wurde, damit nicht umgehen?

Safferstone: Zwei Faktoren können dabei eine Rolle spielen. Menschen können sich am eigenen Erfolg vergiften. Wir nennen das die "Nichts-mehr-zu-lernen"-Falle. Dass sie befördert wurden, zeigt diesen Leuten, dass sie alles richtig machen und kapselt sie von jeglicher Kritik ab. Sie fühlen sich gesalbt und bestätigt aufgrund ihrer neuen Stelle. Die zweite Ursache kann Unsicherheit sein. Vor allem Leute, die zum ersten mal auf einem Manager-Sessel Platz nehmen, wollen nach außen sicher wirken und Vertrauenswürdigkeit ausstrahlen. Das trifft sehr oft auf Leute zu, die aus technischen Positionen in die Führung wechseln.

Nur Teamarbeit führt zum Erfolg

Der dritte Fehler liegt darin, andere einzuschüchtern, der vierte, abrupt Entscheidungen zu fällen. Dahinter scheint mir dasselbe Verhaltensmuster zu stecken: Hybris.

Safferstone: Ganz genau. Andere einzuschüchtern und unvermittelt zu entscheiden hängen eng zusammen. Viele Manager sind in einem Geschwindigkeitsrausch und nicht willens, mit ihnen kaum bekannten Mitarbeitern Erfolg und Misserfolg zu teilen. Das kann zu einem Teufelskreis werden: Je mehr sie ihrer Mannschaft misstrauen, desto weniger vertraut die dem Manager. Das macht es immer schwieriger, das Team durch Führungsstärke nach vorne zu bringen.

Ähnlich verhält es sich mit Blitzentscheidungen. Viele Chefs wollen von Analysen, Überlegungen oder Beratung mit ihrem Team nichts wissen, weil angeblich keine Zeit dafür ist. Sie müssen unter Beweis stellen, dass ihre Entscheidung die richtige ist und sie auf alles eine Antwort haben.

Zuletzt regierten auch viele von denen, die gescheitert sind, in jede Einzelheit hinein. Das ähnelt der ersten Falle. Was passiert da?

Safferstone: Das geht zurück auf den Unwillen des neuen Managers, seine Zukunft den Mitarbeitern anzuvertrauen. Er hat die Vorstellung, es gehe ja nicht nur um ein Projekt, sondern um seine Karriere. Also macht er möglichst alles selbst und lässt die Mitarbeiter am Rand stehen. Bei IT-Leitern ist das oft besonders schlimm, weil sie zunehmend Management-Verantwortung übertragen bekommen und sich dabei vom Kernbereich ihrer Expertise wegbewegen. Irgendwann denken sie dann, sie müssten auf jeder Ebene wieder Entscheidungen treffen wie früher.

Nur wer fördert, führt richtig

Vor dem Hintergrund all dieser möglichen Fehltritte lautet für Sie die Devise: schnelle, kollektive Gewinne einfahren. Erklären Sie uns das.

Van Buren: Das war die interessanteste Erkenntnis aus der Untersuchung. Schnelle Erfolge waren unerlässlich. Die Leute mussten ergebnis-orientiert sein. Der Wille, schnell Erfolge vorzuweisen war entscheidend. Aber zu oft sahen wir, dass die Manager auf Erfolge in einer Weise hinarbeiteten, die zu einem individuellen Gewinn auf Kosten der Mitarbeiter führte. Sie hinterließen dabei viel verbrannte Erde: Unmotivierte Kollegen, die sich nicht länger als dazugehörig empfanden.

Nicht alles selbst machen

Die besten Manager dagegen erkannten, dass der angestrebte Erfolg ein Ergebnis nicht ihres eigenen Wissens sondern ihrer Fähigkeit war, gemeinsam mit anderen auf den schnellen Erfolg hinzuarbeiten. Je mehr man andere einbindet, Wissen mit ihnen teilt, umso nachhaltiger ist auch der Erfolg. Die Mitarbeiter sind motivierter, und jeder von ihnen unterstützt weiterhin das ganze Team. Führung heißt, eine Mannschaft in die Zukunft zu führen. Dazu muss man die Leute aber auch mitnehmen, sie fördern.

Safferstone: Bemerken Sie die Ironie? Viele treten eine Führungsrolle an und vergessen dabei, dass sie führen müssen. Es ist aus der Sicht vieler zunächst einfacher, alles selbst zu machen.

Sie schreiben, schnelle Erfolge hätten immer mit Change Management zu tun. Das wird die IT-Leute freuen, denn bei ihnen geht es vor allem um Change Management.

Wer Change Management beherrscht, führt besser

Van Buren: Die Art von Führung, die in den schnellen Erfolgen deutlich wurde, hatte immer zu tun mit der entscheidenden Fähigkeit, Veränderungen zu moderieren. Die besten Führungskräfte erkannten, dass das, was sie bei ihrem Wechsel auf die neue Stelle empfanden, von den Mitarbeitern geteilt wurde. Zusätzlich waren sie in der Lage, jeden durch diesen Wechsel zu führen. Wir denken oft nicht, dass der Wechsel einer Führungskraft ähnlich einschneidend ist wie eine Umstrukturierung oder ein Firmenzusammenschluss. Aber gute Chefs erkennen, dass sie die gleichen Fertigkeiten, die bei solchen Veränderungen gefragt sind, auch bei ihren eigenen Positionswechseln einbringen können.

Und tatsächlich tun sich IT-Führungskräfte damit leichter, weil sie Erfahrung im Change Management haben. Sie wissen um die Herausforderungen, die jeder Projekt-Rollout mit sich bringt.

Stärken und Schwächen kennen lernen

Geht es letztlich darum, sowohl einen schnellen Erfolg einzufahren als auch etwas von lang anhaltendem Wert aufzubauen?

Safferstone: Wenn Sie einen schnellen Erfolg erzielen, ist das nicht nur für sich genommen gut. Was noch viel wertvoller ist, ist, dass sie dabei Stärken und Schwächen ihres Teams kennen gelernt haben, seine Hoffnungen, Dynamiken und Motivationen. Damit haben sie eine Basis für zukünftige Erfolge aufgebaut. Mit einem rein individuellen Erfolg wäre so etwas nicht möglich.