Mehr Reichweite als WLAN, mehr Bandbreite als UMTS

Die neue Funktechnik Wimax

08.11.2004 von Holger Eriksdotter
Der Funkstandard Wimax gilt als eine Art Super-WLAN: Er könnte zur Konkurrenz für UMTS und drahtlose Netze heranreifen oder sogar das Quasi-Monopol der Deutschen Telekom für den breitbandigen Netzzugang auf der letzten Meile knacken.

Mit möglichen Reichweiten von 50 Kilometern und Übertragungsraten von 70 Mbit/s schlägt Wimax (Worldwide Interoperability for Microwave Access) alle bisher verfügbaren Übertragungstechniken um Längen. Aber das ist graue Theorie: "Auch Wimax unterliegt den Gesetzen der Physik", sagt Wolfgang Holz, Leiter des Bereichs Drahtlose Netzzugänge bei Alcatel, "es wird über Wimax nicht möglich sein, von einem mobilen Endgerät über eine Entfernung von 30 Kilometern eine Verbindung mit 70 MBit/s aufzubauen." Die typischen Reichweiten für mobile Endgeräte lägen im Innern von Gebäuden in eng bebauten Großstädten eher bei ernüchternden 600 Metern, knapp doppelt so weit in Vorstädten. Damit bewegt sich die Leistung in der Größenordnung von UMTS-Funkzellen. "Den Wimax Metrospot, der mit einer zentralen Antenne alle Laptops einer Stadt mit hochbitratigem Internetzugang versorgt, wird es nicht geben", sagt auch Kai Petzke, Telekom-Experte und Geschäftsführer des Online-Portals Teltarif.de. Trotzdem: Wimax reicht weiter als WLAN und ist breitbandiger als UMTS. Bei Sichtverbindungen sind bis zu 15 Kilometer Entfernung bei 4,5 Mbit/s möglich. Allerdings bedarf es dazu beim Empfänger einer Antenne an der Außenwand.

Ursprünglich war Wimax als Richtfunkstandard mit direkter Sichtverbindung geplant. Dies ist auch bisher der einzige Standard, der international festgelegt ist (IEEE 802.16 a). Erst in jüngster Zeit hat das Wimax-Forum, unterstützt von Playern wie Intel und Nokia, auch die Versorgung von portablen Geräten ins Auge gefasst. Weil Mehrfachreflexionen, fehlende Richtcharakteristik der Antennen und das Durchdringen von Wänden das Signal abschwächt und stört, sind für Mobilgeräte jedoch erheblich robustere Modulationsverfahren nötig. Die entsprechend überarbeiteten Wimax-Spezifikationen (IEEE 802.16 Rev d und 802.16e) befinden sich derzeit noch in der Standardisierungs-Phase.

Wimax-Handys ab 2007

Die ersten verfügbaren Endgeräte werden dem Standard IEEE 802.16a folgen. Dieser verlangt in der Regel, dass die Antennen außen angebracht sind. Der Chip-Gigant Intel, einer der eifrigsten Verfechter der neuen Übertragungstechnik, rechnet mit folgendem Zeitplan: Außenwand-Richtantennen ("Subscriber-Stations") sollen im ersten Halbjahr 2005 erhältlich sein. Im zweiten Halbjahr könnten kleinere Zimmerantennen den stationären Empfang von Wimax ohne großen Installationsaufwand ermöglichen (IEEE 802.16 Rev d); etwa ab 2006 oder Anfang 2007 sollen dann auch mobile Geräte den neuen Funkstandard nutzen (IEEE 802.16 e). Einen "Rosedale" genannten Chip, der speziell für Wimax entwickelt wurde, hat Intel bereits vorgestellt. Frühestens 2007 könnten erste Wimax-Handys auf den Markt kommen. "Es ist ein enger Zeitplan, den Intel vorgezeichnet hat", sagt Marktbeobachter Petzke, "aber ich kann mir schon vorstellen, dass er annähernd realistisch ist."

Dass die Technik grundsätzlich einsatzfähig ist, zeigt nicht nur der funktionsfähige Rosedale-Chip. "Wir verkaufen schon jetzt auf Wimax-Technik basierende Anlagen ins Ausland, die bereits alle wesentlichen Leistungsmerkmale des Wimax-Standards aufweisen", sagt Alcatel-Experte Holz. Von der Technik ist er überzeugt: "In der Funk-, Antennen- und Radiotechnik sowie in der Signalverarbeitung ist Wimax zurzeit das bei weitem anspruchsvollste Übertragungsverfahren. Es quetscht alles aus der Physik heraus, was heute möglich ist." Welche Zukunft die neue Breitbandtechnik in Deutschland hat, hängt allerdings weniger von der technischen Überlegenheit ab: Wimax wird sich nur durchsetzen, wenn der Aufbau für Netzbetreiber auch kommerziell erfolgversprechend ist.

Gemischte Gefühle in der TK-Szene

Dabei redet die Regulierungsbehörde (RegTP) ein entscheidendes Wort mit. "Derzeit ist die Regulierung von Wimax noch vollkommen offen. Aber ich erwarte, dass die RegTP einen relativ freizügigen Regulierungsansatz wählen wird, um das innovative Potenzial der Technologie zu unterstützen und keine unnötigen Marktzutrittsbarrieren für die Anbieter zu errichten", sagt Henning Lesch, Experte für Rechts- und Regulierungsfragen beim Verband der Deutschen Internetwirtschaft (ECO-Verband).

Die neue Breitbandtechnik trifft auf eine gemischte Interessenlage in der TK-Szene. Die Mobilfunkprovider mit UMTS-Lizenzen dürften in Wimax eine unliebsame Konkurrenz sehen, die ihre horrenden Investitionen in Lizenzen und den Aufbau der UMTS-Netze gefährden könnte. Für Festnetzbetreiber eröffnet die Funktechnik möglicherweise die Chance, das DSL-Quasi-Monopol der Deutschen Telekom auf der letzten Meile zu knacken. "Auch das hängt im Wesentlichen von der Regulierung ab. Am einfachsten wäre es sicherlich, wenn die RegTP auf die regulatorischen Rahmenbedingungen für WLAN zurückgreifen würde", sagt Rechtsexperte Lesch. "Die RegTP hatte damals den Weg einer so genannten Allgemeinzuteilung der Frequenzen gewählt. Allerdings müsste Wimax bei einer solchen Regelung zwingend die dort geltenden Frequenzbereiche, die frequenztechnischen Parameter und Zulassungsbedingungen für die Endgeräte einhalten." Das aber würde den besonderen Vorteil von Wimax, die großen Reichweiten und Bandbreiten, einschränken. Eine Allgemeinzuteilung wirft weitere Fragen auf: "Die RegTP ging bei der Allgemeinzuteilung der Frequenzen für WLAN davon aus, dass es sich um einen festen Funkdienst und eine lokale Anwendung handelt. Ob dies bei Wimax noch der Fall sein wird, ist fraglich."

Als Alternative käme die Vergabe von Frequenznutzungsrechten gegen Gebühr oder die Versteigerung der Lizenzen wie bei UMTS in Frage. "Ich denke, dass man aus den negativen Erfahrungen bei der Versteigerung der Lizenzen für UMTS und Wireless Local Loop (WLL - Richtfunk) gelernt hat", sagt Eco-Mann Lesch. "Entscheidend wird sein, dass sich Wimax für eine nahezu flächendeckende Versorgung mit hohen Übertragungsraten eignet. Wo bislang kein DSL verfügbar ist, könnte Wimax eine Alternative für die letzte Meile sein."

Netzaufbau fordert hohe Investitionen

Verlässliche Regelungen sind indes unabdingbar, um potenziellen Investoren Planungssicherheit zu geben. Der Aufbau eines Wimax-Netzes fordert erheblichen Kapitaleinsatz. "Die Kosten einer Sendestation liegen in der Größenordnung einer UMTS-Basisstation und nicht etwa beim Preis eines WLAN, das schon für 100 Euro zu haben ist", sagt der Alcatel-Fachmann Holz. Kämen dann noch hohe Lizenzkosten oder Auflagen hinsichtlich Flächenabdeckung oder garantierter Bandbreiten hinzu, sei kaum absehbar, ob die Geschäftsmodelle kommerziell erfolgreich sein können.

"Dann wären kleinere Anbieter von vornherein ausgeschlossen. Zudem lässt sich das tatsächliche Marktpotenzial zurzeit noch gar nicht abschätzen", sagt Lesch. Obwohl er vermutet, dass die UMTS-Lizenzinhaber ihren Einfluss bei der RegTP geltend machen werden, ist nach seiner Meinung die Allgemeinzuteilung ohne Auflagen der beste Weg: "Es ist nicht Aufgabe der RegTP, die Erwerber von UMTS-Lizenzen vor Wettbewerbern oder neuen Technologien zu schützen. Vielmehr soll sie mit ihren Entscheidungen einen funktionierenden Infrastruktur- und Dienstewettbewerb fördern und unterstützen. Die mit der Ersteigerung der UMTS- Lizenzen verbundenen Gewinnerwartungen dürfen keinen Einfluss auf die regulatorischen Rahmenbedingungen für Wimax haben", meint Jurist Lesch.

Marktkenner Petzke glaubt ohnehin nicht an eine direkte Konkurrenz von UMTS und Wimax: "Anders als in vielen Medien dargestellt, wird Wimax in den nächsten Jahren wohl nicht zum UMTS-Killer werden", sagt der Teltarif.de-Geschäftsführer. Ob die neue Funktechnik als "Next Generation WLAN", als breitbandiger DSL-Ersatz für die letzte Meile oder als Lückenfüller für andere Übertragungstechniken reüssiert, wird nicht zuletzt von der Entscheidung der RegTP abhängen.