Kosten, Probleme, Umsetzung

Die Praxis von Big Data Analytics in Unternehmen

14.12.2016 von Christoph Lixenfeld
Alle sammeln Daten, alle wollen dadurch smart werden. Wie das in der Industrie praktisch machbar ist, damit beschäftigte sich jetzt eine detaillierte Studie.
  • Es gibt eine große Diskrepanz zwischen der Fähigkeit, Daten zu sammeln und der, sie sinnvoll auszuwerten.
  • Analyse der Digital Analytics Association e.V. Germany (DAAG): "Industrial Analytics 2016/2017: The current state of data analytics usage in industrial companies."
  • In fünf Jahren hat Analytics überragende Bedeutung, glauben die meisten Industrievertreter.
  • Wer eine Reihe von Grundprinzipien beachtet, tut sich beim Einstieg ins Thema leichter.

In den zurückliegenden Jahren hat sich Industrial Analytics (aka Big Data in der Fertigung) von der isoliert gemanagten Businessfunktion zum mächtigen strategischen Tool entwickelt, das maßgeblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit aller Industriebranchen nehmen könnte.

Wenn Unternehmen damit umzugehen wüssten, was längst noch nicht überall der Fall ist. Zwar sondern mittlerweile fast alle Maschinen durch entsprechende Sensorik laufend Daten ab, aber diese sind durch ihre Menge und Heterogenität meist schwer nutzbar. Damit aus Big Data überall Smart Data wird, ist noch eine Menge Know-how und Management notwendig.

Viele Unternehmen tun sich schwer damit, sinnvolle Schlüsse aus den gewonnen Daten zu ziehen.
Foto: DAAG

Fragt sich, wie Unternehmen das Thema am besten angehen. Als systematische, umfangreiche Antwort darauf hat die Digital Analytics Association e.V. Germany (DAAG) jetzt eine umfangreiche Analyse vorgelegt. Titel: "Industrial Analytics 2016/2017: The current state of data analytics usage in industrial companies."

Datengrundlage ist erstens eine umfangreich wissenschaftliche und journalistische Recherche zum Thema, zweitens acht Tiefeninterviews mit Analytics-Experten und drittens die Befragung von 151 Industrie-Entscheidern. Gesponsert wurde das Ganze von HPE, Comma Soft und Kiana Systems.

Unwissenheit und Desinteresse an Analytics

Ziel der Studie ist es - so lesen wir im Vorwort - ein akkurates Bild vom Status Quo bezüglich Industrial Analytics zu zeichnen und damit auch die bei viele Akteuren noch sehr große Informationslücke zu schließen.

Zusätzlich könnte man noch von einer Interessenslücke sprechen: Wie die Unternehmensberatungen McKinsey und ROC im November in einer Studie dargelegt haben, hält sich sowohl beiden Mitarbeiter als auch bei ihren Chefs die Begeisterung für das Analytics-Oberthema Industrie 4.0 in engen Grenzen.

Lediglich 16 Prozent der Fertigungsunternehmen in Deutschland hätten hier eine detaillierte Strategie. Und nur 36 Prozent der Arbeitnehmer halten ihre Führungskräfte bei diesem Thema für kompetent.

Eine Analytik-Strategie haben viele, ein bereits laufendens Projekt aber nur sehr viel weniger Unternehmen.
Foto: DAAG

Grund genug, die Akteure schlauer zu machen. Die Studie leistet hier insofern einen wertvollen Beitrag, als die Ergebnisse gleichermaßen detailliert wie leicht verständlich aufbereitet wurden.

Nur 15 Prozent halten Analytics schon heute für geschäftskritisch

Ihre Präsentation gliedert sich - nach einer Einleitung zum Thema - in drei Kapitel. Im zweiten erläutern die Autoren Geschichte, Status Quo von und Erwartungen an Analytics, im dritten zeigen Fallstudien (der Sponsoren) praktische Umsetzungen und im vierten lernen die Leser, was und wie genau sie das zuvor Beschriebene auf die eigene Situation übertragen können.

Zunächst bestätigen die Autoren jene Zurückhaltung, die schon die zitierte Studie zu Industrie 4.0 ans Licht förderte: Nur 15 Prozent der Entscheider in der Industrie halten das Thema Analytics für schon heute geschäftskritisch, 69 Prozent glauben allerdings, dass es dies in fünf Jahren sein wird.

Predictive Maintenance wichtigstes Einsatzgebiet

Als wichtigste Einsatzgebiete sehen die Befragten erstens "predictive maintenance of machines", also die datenbasierte, systematische Wartung, zweitens kundenzentrierte Analysen und drittens die datengestützte Analyse des genauen Einsatzes der eigenen Produkte beim Kunden.

Meistens werden Analytics-Projekte vom CEO persönlich angeschoben.
Foto: DAAG

In den Fällen, bei denen bereits entsprechende Projekte im Einsatz sind - bei 30 Prozent der Befragten - wandelt sich der Einsatz von Analytics immer mehr von rein deskriptiven zu Realtime-Auswertungen, also von der Ex-Post- zur Live-Betrachtung gewonnener Daten.

Nur wenige arbeiten mit den Datenmengen bereits sinnvoll

Das Internet of Things (IoT), also die Befähigung fast sämtlicher technischer Geräte, Daten zu senden und zu empfangen, hält für Analytics sowohl neue Chancen als auch neue Herausforderungen bereit.

Zwar sind 60 Prozent der befragten Unternehmen davon überzeugt, dass sie gut darin sind, Daten von Sensoren aller Art zu sammeln, aber nur 32 halten sich zugleich für in der Lage, mit dieser Datenflut auch etwas Sinnvolles anzufangen.

Beispiel Windpark Manager

Wie das in der Praxis gehen kann, zeigt die erste der drei in die Untersuchung integrierten Fallstudien, der HPE Windpark Manager. Dabei handelt es sich um eine integrierte, datengestützte Steuerung des Zusammenspiels von Windturbinen, Stromnetzen und IT-Systemen. Das System führt Maschinen-, Strom-, IT- und Security-Daten herstellerübergreifend auf einer einzigen Plattform zusammen. Getriebevibrationen, Rotorwinkel, Stromleistungsabgabe und vieles andere werden dabei laufend überwacht.

Jede Pille wird in drei Millisekunden erkannt

Völlig anders - aber ebenso spannend - ist das von Kiana Systems umgesetzte Analytics-Projekt. Es handelt sich um eine direkt in den Produktionsprozess eines großen Pharmaherstellers eingebundene Lösung, die es ermöglicht, die ganz unterschiedlichen wöchentlichen Medikamentenrationen verschiedener Patienten automatisiert in Blisterverpackungen zu sortieren. Erkannt werden die Pillen dabei innerhalb von drei Millisekunden durch eine Kombination aus Infrarot-Identifizierung und Machine Learning. Die Fehlerrate ist verschwindend gering.

Die Technologie kann auch auf andere Produkte übertragen werden - und sie kann in jedem Anwendungsfall ein realistisches Urteil über den eigenen Kompetenzlevel abgeben.

Die Analysetools verschlingen in solchen Projekten das meiste Geld.
Foto: DAAG

Aus diesen Case Studies sowie aus den Erfahrungen jener unter den Befragten, die bereits solche Projekte angeschoben haben, lässt sich eine Reihe von Learnings für Analytics-Novizen ableiten. Sie sind im vierten Kapitel unter dem schönen Titel "Making it happen" zusammengefasst.

Auf das Mindset kommt es an

Bei der Umsetzung von Industrial Analytics stehen vier Bereiche im Mittelpunkt: Datenquellen, notwendige Infrastruktur, Analysetools und erforderliche weitere Anwendungen/Software.

Die letzten beiden genannten Punkte verschlingen den Löwenanteil des Budgets, kein Wunder also, das 64 Prozent Analytik-Praktiker sagen, sie setzten hier auf Open Source.

Gravierender Mangel an Spezialisten

Größte Herausforderung beim Doing ist es, genügend Spezialisten an Bord zu bekommen; rar sind vor allem solche, die sich mit Datenauswertung beschäftigen. 92 der Befragten sagten, dies sei der entscheidende Bereich. Aber auch Infrastrukturexperten sind gesucht.

Wichtig ist die Qualität der Daten, außerdem die Interoperabilität (also: breite Einsetzbarkeit im Unternehmen) der Analysetools, das Orientieren der Analytik-Ziele am Geschäftsmodell und schließlich das Schaffen des richtigen "digital Mindsets" innerhalb der gesamten Organisation.