IT-Strategie bei Praktiker

Die Preisschläger

06.06.2006 von Riem Sarsam
Unter Deutschlands Baumärkten herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb. Damit sein Unternehmen schnell agieren kann, stellt Christoph Diekmeyer, IT-Leiter von Praktiker, jedem Fachbereich einen IT-Mitarbeiter an die Seite.

Der Frust war da. Auch wenn Christoph Diekmeyer nicht so gerne darüber redet - er schaut lieber nach vorne als zurück. "Es hatten sich zu viele Aufgaben angehäuft“, erzählt er. Die IT war überfordert. In der Praktiker-Zentrale im beschaulichen Örtchen Kirkel, eingebettet in Kuhweiden, Obstgärten und Wäldern, brodelte es. Gute Ideen wurden nicht umgesetzt, weil die Technik nicht mehr hinterherkam - "und das frustriert einen Marketing-Chef schon“.

Unzufriedene Marketing-Chefs kann sich Praktiker aber nicht leisten. Schon gar nicht in Zeiten, in denen die Konsumenten zögern und hausgemachte Probleme die gesamte Branche belasten. Wie die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young in ihrer 2005 veröffentlichten Studie „Baumärkte in der Strategiefalle“ feststellten, herrschte in diesem Segment zu lange eine ungebremste Expansion, die zu einem kontinuierlichen Rückgang der Produktivität führte.

Ähnlich wie andere Handelsunternehmen reagieren die Baumärkte mit einem vehementen Preiskampf. Auch bei Praktiker gilt es, die Kunden mit immer neuen Marketing-Aktionen an die Kassen zu locken. „Hammerpreise“ oder „20 Prozent auf alles“ heißen die Kampagnen des ehemaligen Metro-Zöglings, der seit kurzem wieder an der Börse notiert. Da muss auch die IT spuren. „Um solche Aktionen umzusetzen, brauchen wir eine enge Verzahnung zwischen der IT und den Fachbereichen“, erkannte Diekmeyer. Nur so ist die nötige Schnelligkeit zu erreichen. Nur dann kann man als Erster eine Aktion starten oder – wenn die Konkurrenz schneller war – zumindest rasch reagieren.

Die reine Technik spielt da nur eine untergeordnete Rolle, die Herausforderung besteht vielmehr darin, eine passende Organisation aufzubauen. Eines von Diekmeyers Geboten lautet: „IT arbeitet nie zum Selbstzweck“. Um die Verbindungen im Unternehmen möglichst eng zu gestalten, stellte er jedem Fachbereich einen Ansprechpartner aus seiner Abteilung zur Seite. Dieser soll gleich bei der Entstehung neuer Ideen aus Marketing oder Vertrieb mit eingebunden sein. „Das sehe ich als einen Erfolgsfaktor für Praktiker, aber auch für die IT“, sagt Diekmeyer.

Die Theorie klingt überzeugend einfach, doch sie umzusetzen hat seine Tücken. „Natürlich dauert es seine Zeit“, räumt Diekmeyer ein. „Dass man hin und wieder mal aneckt, dass es Stolpersteine gibt, ist klar.“ Kommunikationskultur ist seiner Ansicht nach das A und O. „Die muss gelebt werden“, betont er.

Vorgemacht hat es Wolfgang Werner, seit rund drei Jahren Vorstandsvorsitzender von Praktiker. Kein größeres, sondern ein kleineres Sortiment, lautet seine Strategie, die sich an Unternehmen wie Aldi oder Ikea orientiert. „Easy-to-Shop“ hat er dieses Konzept getauft. Gleichzeitig hat Werner auch intern aufgeräumt und eine kontinuierliche Prozessverbesserung etabliert. Jedes Jahr sind die Abteilungen gefordert, über weitere Verbesserungen nachzudenken und Vorschläge zu machen.

Für Diekmeyer war dies ein wesentlicher Baustein für den Erfolg in der IT. „Wir kennen unsere Prozesse und wissen, an welchen Stellschrauben wir drehen können“, sagt er. Vor diesem Hintergrund fällt es auch leicht, mit den Anforderungen aus den Fachbereichen wieder Schritt zu halten.

Heute laufen Projekte bei Praktiker in einer festen Spur. Beispiel: die 20-Prozent-Aktion. Die Idee kam auf. Der Vertrieb wurde zu Rate gezogen. Welche Chancen sieht man dort, welche Risiken? Parallel zu dieser Debatte setzt sich die IT mit an den Tisch. Organisationsanweisungen, die Umsetzung in den Läden und die technische Realisierung werden gemeinsam diskutiert.

Nichts dem Zufall überlassen

„Bis hierhin ist der Vorgang fast mit einem Brainstorming vergleichbar“, beschreibt Diekmeyer. Doch dann wird es konkret. Das Potenzial einer Idee wird überprüft – anhand von eigenen Erfahrungen, Berichten von der Konkurrenz, und auch der Blick ins Ausland hilft hier weiter. Gemessen am möglichen Umsatzplus, einer Ertragssteigerung, Zeitersparnis oder Kostensenkung treten einzelne Vorhaben gegeneinander an. Wer mehr Erfolg in Aussicht stellen kann, gewinnt.

Gemeinsam entwerfen IT und Fachbereich schließlich ein Konzept und erstellen einen Projektplan. Dem Zufall wird nun nichts mehr überlassen. „Wir gehen streng formal vor“, so Diekmeyer. Projektbeschreibung, Projektleiter („nie aus der IT“) mit einem Projekt-Coach („aus der IT“) werden festgelegt und dann werden die Anforderungen Schritt für Schritt abgearbeitet, abgewickelt, ausgerollt – fertig.

Auf Skepsis angesichts dieses Idealszenarios reagiert Diekmeyer mit einem Schmunzeln. Er bleibt dabei: Die Projekte gelingen. Eines nach dem anderem wird abgearbeitet, der Stau aus seiner Anfangszeit hat sich längst aufgelöst.„ Der Clou ist nicht, dass wir so genial Projekte abwickeln“, sagt er. „Der Clou ist die klare Zuteilung von Verantwortung.“ Und die liegt im Fachbereich.