SAP-Kunden im Visier

Die Strategie von Software AG und IDS Scheer

15.07.2009 von Nicolas Zeitler
Vor allem auf SAP-Kunden hat es die Software AG mit ihrem Übernahmeangebot an IDS Scheer abgesehen. Marktbeobachter von Forrester und PAC halten den Ansatz für vielversprechend.
Stefan Ried von Forrester Research ist nicht überrascht von dem Übernahmeangebot.

Nicht überraschend kommt das Übernahmeangebot für Stefan Ried, Senior Analyst beim Analystenhaus Forrester Research. "Es war klar, dass August-Wilhelm Scheer CEO Peter Gérard angestellt hat, um das Unternehmen fit für eine Übernahme zu machen", sagt er gegenüber CIO.de. Aus seiner Sicht wäre außer der Software AG nur SAP infrage gekommen, um IDS Scheer zu übernehmen.

Ein "’Software-Powerhouse’ der Weltklasse" und eine "strategisch vielversprechende Partnerschaft" - mit diesen Worten umschreibt die Software AG in einer Präsentation für die Presse die kurz vorher angekündigte Übernahme von IDS Scheer. Das zusammengeführte Unternehmen soll einen Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro haben.

In einer Ad-hoc-Meldung am 13. Juli war das Übernahmeangebot bekanntgegeben worden. Darin teilte die SAG Beteiligungs GmbH, eine hundertprozentige Tochter der Software AG mit Sitz in Darmstadt, auch mit, dass der Firmengründer und Aufsichtsratsvorsitzende von IDS Scheer, Professor August-Wilhelm Scheer, und sein Stellvertreter Alexander Pocsay dem Angebot bereits zugestimmt hätten. Beide halten zusammen rund 48 Prozent des Grundkapitals und der Stimmrechte. Die Aktionäre von IDS Scheer sollen pro Aktie 15 Euro in bar erhalten. Zusätzlich zum Schlusskurs vom Vorabend des Angebots von 10,80 Euro erhalten die Anleger pro Aktie eine Prämie von 39 Prozent.

Es handle sich um einen "europäischen Deal", so Ried. Mit der Aris-Plattform biete IDS Scheer ein hervorragendes Werkzeug um Prozesse zu analysieren. Ein Ansatz, der "den Amerikanern total fremd" sei. Zusätzliche Marktanteile in den USA werde die Übernahme somit ohnehin kaum bringen. Ried sieht das Angebot an IDS Scheer als "Professional Services Deal". Die Software AG ergänze ihr Angebot durch die vertikal aufgestellte Prozessberatung von IDS Scheer. Die Produkte würden wie bisher horizontal bleiben, die Prozessberatung werde das Unternehmen vertikalisieren. "Das halte ich für einen sehr guten Ansatz", sagt Ried.

Diese Darstellung bekräftigten auch die Unternehmen in ihrer Medienpräsentation. Darin strichen sie die Expertise und Beratungskompetenz von IDS Scheer in vertikalen Märkten wie Automobil, Verteidigung, Gesundheit und Finanzen heraus und betonten gleichzeitig die Kompetenz der Software AG als Anbieter von Infrastruktur-Software beispielsweise auf den Feldern Business Activity Monitoring (BAM) und SOA Governance.

Zugriff auf SAP-Kunden

Mit der Scheer-Übernahme habe die Software AG einen neuen Zugriffspunkt auf eine große Zahl von SAP-Kunden. Das Problem von SAP sei, dass viele Anwender noch immer mit alten Releases arbeiteten. Diese "Netweaver-Verweigerer", wie Ried sie nennt, arbeiteten oft mit der Middleware anderer Hersteller. Viele nutzten die Aris-Modellierungsumgebung. "Das Problem von SAP ist jetzt eine Chance für die Software AG", sagt Ried. Ein wunder Punkt bei SAP seien die wenig konsolidierten Repositories. Die der Software AG seien "erheblich kompakter", so Ried.

Lynn Thorenz von PAC findet, dass die Aris-Suite von IDS Scheer das Portfolio der Software AG gut ergänzt.
Foto: PAC

Ein sehr sinnvoller und nicht überraschender Schritt ist der angekündigte Zusammenschluss auch für die Berater von PAC. Die weltweit führende Aris-Suite von IDS Scheer ergänze das Portfolio der Software AG, meint PAC-Beraterin Lynn Thorenz. Das Produkt-Portfolio von IDS Scheer könne von der fortgeschrittenen Internationalisierung der Software AG profitieren.

Zukunft der SAP-Beratung ungewiss

Fraglich sei gleichzeitig, wie lange das zusammengeführte Unternehmen das SAP-nahe Beratungsgeschäft fortführen werde. PACs Chief Analyst Christophe Châlons hält mittelfristig einen Verkauf dieser Sparte für möglich. In die bisherige Produktstrategie der Software AG passe ein SAP-Beratungsgeschäft in der bestehenden Größenordnung nicht. Andererseits gewinne die Software AG mit der Übernahme neben einer Aufwertung ihres Produktangebots starke Beratungsexpertise beim Thema Geschäftsprozess-Management hinzu, die zum Alleinstellungsmerkmal werden könne.

IDS-Gründer August-Wilhelm Scheer sagte nach der Ankündigung der Übernahme, es sei nach 25 Jahren Erfolgsgeschichte "der richtige Zeitpunkt gekommen, um zu neuen Ufern aufzubrechen". Deutschland profitiere als IT-Standort von der Übernahme. Die Aris-Methodik erfahre damit weltweit noch stärkere Verbreitung. Der Vorstandsvorsitzende Peter Gérard wird in einer Pressemitteilung mit den Worten zitiert, man stehe Investoren "wie der Software AG […] aufgeschlossen gegenüber". Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzender der Software AG betonte, das stabile Geschäft erlaube es seinem Unternehmen, die Investitionen für die Übernahme zu tätigen.

Deutsche Telekom und Bahn als Kunden

Zustimmen müssen dem Angebot noch die Kartellwächter. Noch im Laufe dieses Quartals wird der Beginn der Annahmefrist erwartet. Die soll vier bis sechs Wochen dauern. Gemäß dem Angebotspreis hat das Aktienkapital der IDS Scheer AG einen Wert von 482 Millionen Euro.

Der Zusammenschluss bringt laut einer Mitteilung der Software AG einen führenden Hersteller für Infrastruktur-Software und Geschäftsprozess-Management hervor. Von strategischer Bedeutung sei dabei vor allem die "hohe Beratungskompetenz mit dem Schwerpunkt auf SAP-Implementierung" von IDS Scheer. Das Unternehmen bringt rund 7500 Kunden und ein großes Partnernetzwerk mit. Die Software AG hat nach eigenen Angaben 4000 Kunden in 70 Ländern, darunter die Deutsche Telekom, Deutsche Bahn und Coca Cola.