Geldverschwendung

Die teuersten Übernahmeflops der IT-Branche

09.02.2016 von Simon Hülsbömer
Viele Milliarden hat die IT-Branche in den vergangenen 20 Jahren für missratene Übernahmen und Zukäufe zum Fenster hinausgeworfen. Doch welche Flops waren die teuersten? Wir präsentieren Ihnen das nackte wirtschaftliche Grauen. Ganz vorne dabei: Hewlett-Packard und AOL.

Der für seine Drucker und Kopierer bekannte US-Konzern Xerox hatte im Jahr 2010 das texanische Softwareunternehmen Affiliated Computer Services (ACS) für 6,4 Milliarden Dollar übernommen, um zusätzlich zum Büromaschinengeschäft einen Zweig für Business-Services aufzubauen.

Der Plan ging aber nicht auf: Vor wenigen Tagen kündigte Xerox an, sich in eine Hardware- und eine Service-Sparte aufteilen zu wollen, die Verschmelzung mit ACS quasi rückabzuwickeln. Zugekaufte Bereiche wie Rechnungseingangs-Verarbeitung, Lösungen für das Call-Center-Management oder andere Back-office-Dienstleistungen für Unternehmen und Behörden werden künftig wohl wieder in einer eigenständigen Gesellschaft betrieben. Dem Wall Street Journal zufolge liegt ein Vergleich mit der Aufteilung von Hewlett-Packard (HP) nahe.

HPs Milliardengrab

Solch ein Vergleich bezieht sich indes nur auf die Art der Rückabwicklung, nicht auf die Menge der versenkten Gelder. Denn das wohl größte IT-Übernahmedebakel der vergangenen Jahre gab es schließlich bei HP: Der völlig verkorkste Kauf des britischen Analytics-Spezialisten Autonomy 2011 war über 11 Milliarden Dollar teuer. Eingefädelt wurde der Deal durch den damaligen Kurzzeit-Chef Leo Apotheker, der den Konzern aufgrund dieses Verlustgeschäfts nach kurzer Zeit schon wieder verlassen musste - immerhin mit satter Abfindung. Seine Nachfolgerin Meg Whitman schrieb direkt einmal 8,8 Milliarden Dollar aus dem Deal ab - fünf Milliarden allein aufgrund "frisierter Buchhaltung" durch Autonomy vor der Übernahme.

HP reichte im vergangenen Jahr Klage gegen zwei Ex-Manager von Autonomy ein, um sich das Geld zurückzuholen - das Verfahren läuft noch. Angeblich hatte der damalige Vorsitzende des HP-Verwaltungsrats, Ray Lane, die Übernahme einen Tag vor ihrer Bekanntgabe, in einem außerordentlichen Board-Meeting per Telefon noch verhindern wollen. Lane war es allerdings auch, der die Autonomy-Übernahme schon früh unterstützt und das Angebot nach einer ersten Absage hatte nachbessern lassen.

Dell will Perot wieder loswerden

Zwar kein Flop, aber auch kein restlos überzeugender Deal beschäftigt den IT-Konzern Dell seit dem Kauf von IT-Dienstleister Perot Systems für 3,9 Milliarden Dollar im Jahr 2009. Seit der 67 Milliarden Dollar teuren Übernahme von EMC im Herbst 2015 steht ein Perot-Wiederverkauf für 5 Milliarden Dollar im Raum, um damit wenigstens Teile des riesigen Schuldenbergs abzutragen. Auch ein Verkauf von Quest Software und Sonic Wall steht zur Debatte.

Weitere Übernahmeflops der IT-Branche aus den vergangenen 15 Jahren präsentieren wir Ihnen in der folgenden Bildergalerie:

Die größten Übernahmeflops der IT-Branche
AOL / Time Warner 2000 - 165 Milliarden Dollar
Die mit Abstand teuerste gescheiterte Übernahme der IT-Geschichte ist nach wie vor der Jahr-2000-Plan von AOL und Time Warner. Der damalige Internetriese AOL wollte Time Warner kaufen, war aber sehr viel kleiner als der Medienkozern und konnte die Übernahme überhaupt nicht verkraften. Am Ende waren 300 Milliarden Dollar Aktionärskapital futsch, AOL wurde 2015 von TK-Dienstleister Verizon vergleichsweise günstig für 4,4 Milliarden Dollar geschluckt.
HP / Compaq 2001 - 25 Milliarden Dollar
HP hat viel Erfahrung mit desolaten Managerleistungen im Zuge von Übernahmen: Bereits 2001 wollte die damalige CEO Carly Fiorina unbedingt den Hardware-Hersteller Compaq kaufen, obwohl sich viele Aktionäre heftig gegen diesen Plan wehrten. Schließlich baute auch HP Hardware. Es kam, wie es kommen musste: Viele Geschäftsbereiche und Produkte lagen nach der Fusion doppelt vor - der Wertverlust des Konzerns war enorm, der Aderlass an Mitarbeitern auch. CEO Meg Whitman gab kurz nach ihrem Antritt im Jahr 2012 jedoch zu Protokoll, dass sie den Compaq-Deal trotzdem für einen der besten Zukäufe der HP-Geschichte halte.
Google / Motorola 2012 - 12,5 Milliarden Dollar
Google scheffelt zwar viel Geld - die 12,5 Milliarden Dollar, die der Konzern 2012 für die Handysparte von Motorola hinblätterte, war trotzdem kein Pappenstiel. Gerade angesichts dessen, dass eine Integration nicht gelang und man nur zwei Jahre später an Lenovo weiterverkaufte - für gerade einmal noch 2,9 Milliarden Dollar.
Microsoft / Nokia 2014 - 9,5 Milliarden Dollar
Erst das Smartphone-Geschäft verschlafen, dann mit der Übernahme eines Ex-Giganten, der aber schon auf dem absteigenden Ast war, ins Klo gegriffen: Die teure Übernahme von Nokia durch Microsoft brachte zwar neue Smartphones hervor, die sich am Markt aber nicht gegen die starke Konkurrenz behaupten konnten. Mitte 2015 musste Microsoft 7,6 Milliarden Dollar abschreiben - viele tausend Jobs wurden gestrichen.
Oracle / Sun 2009 - 7,2 Milliarden Dollar
Lange wurde gerätselt, wer Sun Microsystems, zunächst für seine Unix-Workstations, später dann für die Java-Programmiersprache bekannt, übernehmen könnte - überraschenderweise war es dann Software- und Datenbankspezialist Oracle. Das Hardwaregeschäft Suns wurde nicht weiter gefördert, viele lange gut laufende Produkte eingestellt. Die langjährigen Firmenchefs Scott McNealy (Sun, links auf dem Foto) und Larry Ellison (rechts) machten trotzdem gute Miene zum bösen Spiel, das auch einige Rechtsstreitigkeiten beinhaltete.
HP / Palm 2010 - 1,2 Milliarden Dollar
Kennen Sie noch den PDA? Der "Personal Digital Assistant" war als tragbarer Kleincomputer der Vorgänger des Tablets und in Unternehmen in den 1990er Jahren durchaus beliebt. Obwohl Apple mit dem Newton den ersten als solchen bezeichneten PDA auf den Markt brachte, war es Palm, das sich in diesem Markt zunächst die Spitzenposition erwarb. Als jedoch das erste iPad kam, ging es steil bergab - der Wettbewerb wurde zu groß, Palm ausgerechnet von HP aufgekauft. Das konnte ja nur eines heißen: Das Palm-Betriebssystem WebOS war angesichts der sexy Apple-Konkurrenz ein Flop, die Geräte verkauften sich überhaupt nicht. Bereits 2011 spielte Palm in HPs Strategie keine Rolle mehr.