Interne IT vs. IT-Dienstleister

Die Zeit der IT-Helden ist abgelaufen

17.03.2014 von Stephanie Overby und Thomas Pelkmann
"Jede-Nacht-aufstehen-und-alles-für-den-Anwender-tun" mag der IT-Abteilung helfen, neue Freunde in der Firma zu finden. Aber Business-IT-Alignment sieht anders aus, meinen Outsourcing-Berater von TPI und Compass. Diese Kultur torpediert Outsourcing-Projekte.
Jeder mag Helden. Im Unternehmen genießen solche Kämpfer hohes Ansehen, die sich Knoten in die Arme arbeiten, um ihren Kunden aus dem Business rund um die Uhr zu Diensten sein zu dürfen. Und weil die Unternehmen das wissen, suchen sie oft genau solche Mutter-Theresa-Typen, um die IT in Gang zu halten.
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Der Preis, den Unternehmen für die Heldenkultur zahlen, ist hoch. Die Rechnung kommt, wenn sich das Unternehmen entscheidet, die IT aus Kostengründen auszulagern. Denn spätestens dann werden die geschätzten kulturellen Gewohnheiten unweigerlich auf die Usancen des Dienstleisters prallen, der schon aus Überlebensgründen nicht auf Selbstaufgabe setzt, sondern auf Prozessdisziplin, Verlässlichkeit und Konsistenz.

Aber selbst IT-Abteilungen, die niemals outsourcen, würden irgendwann unter der Despotie ihrer Supermänner leiden, meinen Todd Dreger, Partner bei TPI, und Bob Mathers von Compass Management Consulting im Gespräch mit unseren Kollegen von CIO.com.

Helden-Kulturen entwickeln sich unbeabsichtigt

CIO.com: Sie sagen, dass die meisten IT-Abteilungen um sich herum eine Aura von Heldenverehrung schaffen, die sich durch Verantwortung, Bekenntnis zu hochwertigem Service und individueller Initiative auszeichnet. Bedient diese Kultur interne IT angemessen?

Todd Dreger: Heldenkulturen entwickeln sich in der Regel unbeabsichtigt. Die IT-Abteilungen großer Unternehmen suchen nach Top-Talenten mit Ambitionen, Ehrgeiz und Leidenschaft für Kundendienst. Und so verhalten sich die Mitarbeiter dann auch: Sie bedienen die kurzfristigen Bedürfnisse des Business, reagieren schnell, auch nachts und am Wochenende auf Vorfälle. Business und IT-Management belohnen so einen Einsatz ihrerseits gerne mit Prämien und Beförderungen.

Eine Konsequenz dieser Kultur ist, dass die Sichtbarkeit von Ereignissen und Problemen oft verloren geht, weil das Business die IT-Mitarbeiter direkt kontaktiert. Der Support soll ja Probleme lösen und nicht Prozess abarbeiten.

IT richtet sich nicht am Business aus

Die Vorstellungen von strategischer IT, Vorfälle und Probleme innerhalb von Prozessen zu managen, steht konträr zu dieser Kultur. Da mag das Verhältnis zwischen IT und Business aus Sicht der IT-Abteilung noch stimmen, aber in der Realität finden wir dabei selten eine Ausrichtung der IT am Business: Projekte sprengen oft Budget-Rahmen und Terminplan, und das Business beschwert sich dann über einen Mangel an Innovation.

CIO.com: Warum ist diese Heldenkultur mit der Kultur eines Dienstleisters unvereinbar?

Todd Dreger: Die Kultur eines Dienstleisters baut auf Prozessdisziplin, Konsistenz und Wiederholbarkeit. Und das muss auch so sein, damit der Dienstleister überhaupt eine Chance hat Geld zu verdienen. Auf dieser Basis funktioniert die Arbeit im übrigen auch dann, wenn man sie mit unerfahrenen Mitarbeitern erbringt.

Schon normalerweise ist im Verhältnis von Kunde und Dienstleister die Kultur des Kunden mehr wert. Das verschärft sich dadurch, dass beim Kunden die dynamischen, hochtalentierten Mitarbeiter sitzen, und beim Outsourcing-Dienstleister eher die unerfahrenen. Solche Mitarbeiter sind aber gar nicht in der Lage, ihren Kunden Paroli zu bieten und darauf zu bestehen, im Ereignisfall strukturierte Prozess abzuarbeiten, anstatt Heldentaten zu begehen.

Probleme beim Outsourcing

Bob Mathers: Unternehmen, die bereits Erfahrung mit Outsourcing haben, kennen diesen Kulturkampf. Das Problem liegt dabei in der Regel nicht beim Anbieter, sondern in den Organisationsstrukturen des Kunden begründet. Die sollten daher mit den Prozessen des Dienstleisters abgestimmt werden, bevor die Services an ihn übergehen.

Mich überrascht aber immer wieder, dass sogar Unternehmen, die um die Gefahren wissen, nur selten gewillt oder in der Lage sind, das so zu organisieren, bevor die schwierige Zusammenarbeit das Vertragsverhältnisse belastet.

Das Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Kulturen ist einer der wichtigsten Ursachen für die Unzufriedenheit der Kunden mit ihrem Dienstleister. Der scheint unflexibel zu sein und schwierig im Umgang. Zudem sieht es so aus, dass Änderungen in den SLAs teuer und umständlich sind.

IT-Dienstleister soll sich nicht der Kundenkultur anpassen

CIO.com: Warum kann sich der Service-Provider nicht einfach an die Kultur seines Kunden anpassen? Wollen die Kunden nicht einen reaktionsfähigen, flexiblen Dienstleister?

Bob Mathers: Es ist in der Tat verlockend, sich so zu verhalten. Das gilt besonders dann, wenn die neuen Mitarbeiter im Kundendienst identisch mit denen sind, die vorher beim Kunden diese Arbeit gemacht haben. Aber nun wollen sie jedermann auf dieselbe Art und Weise glücklich machen, wie sie es gewohnt sind, aber gleichzeitig das prozessgetriebene Delivery-Modell ihres neuen Arbeitgebers praktizieren. Das passt aber nicht zusammen.

Wenn ein Anbieter den Support so übernimmt, wie sein Kunde es von der internen IT kennt, stellt er sein Geschäftsmodell zur Disposition, mit dem er Skaleneffekte und Effizienzsteigerungen rund um seine Kundenbasis überhaupt realisieren kann. Nur damit kann er aber Serviceversprechen zu einem niedrigeren Preis anzubieten, als der Kunde selber intern aufbringen muss.

CIO.com: Wie teuer ist diese Heldenkultur für interne IT-Dienste?

Bob Mathers: Wir sehen häufig, dass in solchen Strukturen Führungskräfte die Arbeit ihrer Mitarbeiter erledigen. Das verhindert zum einen, dass die oft jüngeren Mitarbeiter lernen wie es geht. Aber das bringt auf der anderen Seite auch sinkende Produktivität und höhere Kosten mit sich. Wenn jeder einspringt, um den anderen zu helfen, gehen klare Rollenbeschreibungen und Verantwortlichkeiten verloren.

Unklare Rollen und fehlende Prozesse kosten bis zu 20 Prozent

Die genauen Kosten zu beziffern, die so eine Heldenkultur verursacht, ist schwierig. Aber ineffiziente oder nicht vorhandene Prozesse sowie doppelte Arbeiten durch unklare Rollen und mehrdeutige Verantwortlichkeiten können zwischen zehn und 20 Prozent der Gesamtkosten ausmachen.

CIO.com: Wie können Kunden, die ihre IT auslagern wollen, sich vor dem Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen schützen?

Bob Mathers: Outsourcing funktioniert am besten, wenn die interne IT-Organisation schon mit einem Prozess-getriebenen Modell arbeitet, bevor sie einen Dienstleister sucht. Dann haben Management und IT den schmerzhaften Prozess schon hinter sich, den es bedeutet, wenn man sich von Helden verabschiedet. Sie sind dann aber nicht mehr von ihren Heldentaten abhängig, sondern arbeiten schon auf der Basis von Prozessen.

CIO.com: Was können die IT-Dienstleister tun, um den Schmerz zu lindern?

Todd Dreger: Wir sehen oft, dass der Dienstleister zunächst einige Prozesse implementiert, was beim Kunden zu einer gewissen Reife führt. Aber irgendwann stagniert es dann. An diesem Punkt muss der Dienstleister innehalten, eine Zwischenbilanz ziehen und sich und seinen Kunden wieder an die Aufgabe erinnern, Abmachungen erneuern und Prozess-Disziplin einfordern.

CIO.com: Warum ist es so schwierig für Unternehmens-IT zu standardisieren?

Bob Mathers: Standardisierung bedeutet für den Kunden, dass er seine bisherige Heldenstrategie zur Disposition stellt. Das gilt solange, bis er den Nutzen von Standardisierung verstanden hat. Am Ende aber kann ein standardisiertes Service-Modell Einsparungen zwischen 30 und 40 Prozent bringen. Die Frage, ob ein Unternehmen bei 30 oder bei 40 Prozent liegen wird, beantwortet sich damit, wie groß der Wille ist, die Delivery für die IT-Kunden zu ändern sowie damit, wie die Kunden das finden.

Übersetzung: Thomas Pelkmann