IT-Steuerung durch ein Management-"Kabinett"

Digitale Fabriken zum Sparpreis

11.06.2004 von Lars Reppesgaard
Europa, USA, Asien: Obwohl sich Daimler-Chrysler gerade von einer Beteiligung am LKW-Bauer Hyundai in Korea getrennt und das Engagement mit Mitsubishi in Japan heruntergefahren hat, wird die oberste IT-Managerin des Konzerns auch weiterhin viele Flugmeilen sammeln.

"Effizienzen fördern und gleichzeitig Innovationen pflegen - lautet das Motto von Sue Unger, CIO vom Daimler-Chrysler. "Dazu braucht man enge Beziehungen zu den Kunden" - also zu allen Instanzen im Konzern, die die IT als Geschäftswerkzeug nutzen. Neben der räumlichen Nähe zu allen wichtigen Anwendern soll auch die enge Zusammenarbeit mit dem IT-Management die Gewähr für die richtige IT-Strategie sein.

Unger, die zu den populärsten IT-Führungspersonen weltweit zählt, verlässt sich vor allem auf das Urteil eines Management-"Kabinetts": Zu dem gehören Rick Earle, Director IT Management für Nordamerika, Dr. Michael Gorriz, Vice President IT Business Systems, Chief Technical Officer Vince Morrotti, der Director Controlling und Lieferantenmanagement Bob Smith, der Vice President Nutzfahrzeuge Helmut Mahler und Smart-Manager Eberhard Cluss.

Jedes Jahr bestimmt das Gremium die IT-Aktivitäten für das nächste Jahr. "Ich fasse dann alles zusammen, und der Vorstand sieht sich die Vorlage an", erklärt Unger den Prozess. "Wenn es sein muss, justieren wir Prioritäten im Laufe des Jahres neu und treffen uns dann erneut."

Desktop-Outsourcing gescheitert

Ob alles, was auf diesem Weg angestoßen und Ende 2002 vom Gesamtvorstand verabschiedet wurde, richtig war, darüber ist die Meinung im Konzern noch immer geteilt. Beschaffung und Betrieb von schätzungsweise 150 000 Desktop-Rechnern in rund 10 000 weltweit verteilten Niederlassungen sollten für fünf Jahre an Hewlett-Packard übergeben werden. Doch statt der erhofften Einsparungen gab es Termin- und Managementprobleme - und Klagen über die Qualität der Hard- und Software. Im November 2003 wurde die Notbremse gezogen: Statt der Großlösung aus einer Hand wird es nun etliche kleine Auslagerungsinitiativen geben. "Das Projekt läuft weiterhin, und wir werden mit verschiedenen lokalen Service-Providern zusammenarbeiten, um auf die individuellen Anforderungen an den unterschiedlichen Standorten optimal eingehen zu können", heißt es in einer Erklärung der Autobauer. Und: "HP wird nach wie vor bevorzugter Partner für Hardware und IT-Services bleiben." Dennoch ist das Scheitern des bislang ambitioniertesten Outsourcing-Projekts ein teuer Rückschlag für die Strategie, mit Auslagerungsprojekten die Kosten zu senken.

Dessen ungeachtet unterzeichneten die Autobauer im April dieses Jahres einen mehrjährigen Servicevertrag mit EDS, um am Standort Michigan Server und Services zu konsolidieren. In Europa hat Siemens Business Services im Juli letzten Jahres den Betrieb des zentralen Rechenzentrums für den Konzern übernommen. Der Vertrag gilt für drei Jahre und hat ein zweistelliges Millionen-Euro-Volumen.

Vorrang für Infrastruktur-Konsolidierung

"Der Bedarf an Rechenleistung und Bandbreite steigt unaufhaltsam", weiß CIO Unger. "Aber ich werde nicht zulassen, dass auch meine Infrastrukturkosten steigen. Ihr Motto: "Wenn ich selbst etwas bedeutend billiger regeln kann, lasse ich es im Haus. Wenn nicht, gebe ich es raus." Die Konsolidierung der IT-Infrastruktur soll jedenfalls auch 2004 Priorität haben.

Doch auch Innovatives schreibt sich Daimler-Chrysler auf die Fahnen: Für das laufende Jahr hat der Konzern vor allem die Zusammenführung diverser digitaler Produkt-Entwicklungsprojekte in einem übergreifenden ¡E-Engineering"-Portal auf die Agenda gesetzt. Netzbasierte Kollaborationssysteme unterstützen die Ingeneure auf drei Kontinenten bereits seit einigen Jahren.

Hier sehen auch Finanzanalysten, die den WeltAG-Plänen des CEO Jürgen Schrempp ansonsten ausgesprochen kritisch gegenüberstehen, tatsächlich die Chance auf Synergien zwischen den deutschen, asiatischen und amerikanischen Entwicklern im Konzern: Kostengünstige Internet-Technik verknüpft die CAD-Systeme der weltweit verstreuten Entwicklerteams und versorgt sie mit detaillierten Teile-Informationen.

Dass sich der Konzern von weiteren finanziellen Engagements bei Mitsubishi verabschiedet hat, ist in Bereichen wie der gemeinsamen Planung von Allradfahrzeugen von geringer Bedeutung. "Diese IT-Projekte sind produktspezifisch aufgesetzt. Die Partnerschaften sind von solchen Entwicklungen nicht betroffen", versichert Unger.

Darüber hinaus gewinnt konzernweit das Konzept der virtuellen Fabrik an Bedeutung. Mit Hilfe des Softwarehauses Delmia entwirft Mercedes heute in Deutschland die Produktionshallen dreidimensional am Bildschirm, bevor sie tatsächlich mit Maschinen gefüllt werden. Zu Ungers Aufgaben gehört es derzeit, dieses Arbeitsprinzip auch in andere Konzernbereiche zu übertragen. "Wir haben mit den Mercedes-Werken begonnen und sind von den Resultaten sehr angetan", berichtet sie.

Ungers Meilenkonto wird trotzdem weiter wachsen. Japan und Korea wird sie zwar seltener anfliegen, China dafür umso häufiger: Daimler-Chrysler baut dort ein neues Werk, das an die digitale Konzern-Infrastruktur angebunden werden muss.