Neue Anforderungen

Druck auf mittleres Management wird steigen

23.01.2015 von Christoph Lixenfeld
Bemitleidet wurde es schon immer, das deutsche Mittelmanagement: viel Arbeit, viel Stress und kaum was zu entscheiden. Doch es wird noch schlimmer kommen.

Seminarprogramme sprechen Bände, wenn sie jene Defizite beschreiben, von denen sie ihre Teilnehmer befreien wollen. "Führen in der Sandwichposition für technische Führungskräfte", heißt ein solches Seminar, das im März 2015 stattfindet.

Lernen sollen die Kandidaten dabei, ihre "Führungskompetenzen im Spannungsfeld vielseitiger Erwartungshaltungen zu optimieren", "Prioritäten zu setzen und mit eigenem Stress konstruktiv umzugehen", "vom Opfer zum Gestalter zu werden und Führungsdilemmas aufzulösen", "unangenehme Entscheidungen mitzutragen und loyal umzusetzen".

Druck von beiden Seiten: Viele Mittelmanager fühlen sich wie das Salatblatt in einem Sandwich.
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Die Seminarteilnehmen sind wirklich nicht zu beneiden: Ständig im Stress, sehen sich als Opfer und müssen die Grausamkeiten der Chefetage nach unten exekutieren.

Am Zerdrücktwerden der mittleren Führungsebene in der Mitte des Sandwiches hat sich also nichts geändert. Beklagt wird es seit langem. Die Zeitschrift brandeins zitierte schon vor knapp zehn Jahren Unternehmensberater mit der mäßig originellen Wortschöpfung von der "Lähmschicht", die den ganzen Betrieb mehr aufhält als nach vorne bringt.

35 Prozent sind Burnout-gefährdet

Was natürlich insofern Unsinn ist, als traditionell die mittlere Führungsebene mit endlos vielen Überstunden das "Doing" erledigt, jene Alltagsarbeit, die diesseits irgendwelcher Strategien und Visionen den Kessel am Dampfen hält. Jedenfalls war das bisher so.

Bei so viel Gezerrre von allen Seiten liegen die Nerven schon mal blank.
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Der Preis dafür ist hoch, auch oder gerade in der IT. Wie eine Studie der TU München ermittelt hat, haben Projektmanager - die klassischen Mittelmanager in der IT - rechnerisch im Schnitt eine Sechs-Tage-Woche. Achtzehn Prozent sind wegen psychischer Beschwerden in Behandlung, 27 Prozent finden ihre Lebensqualität weniger gut oder schlecht. 35 Prozent sind Burnout-gefährdet.

Buchtipps gegen Stress und Burnout
Gehirn, Psyche und Körper
Wie Körper und Psyche zusammen hängen, lesen Sie in: "Gehirn, Psyche und Körper - Neurobiologie von Psychosomatik und Psychotherapie" von Johann Caspar Rüegg, 5., aktualisierte u. erw. Auflage, Schattauer (Verlag), 978-3-7945-2652-9 (ISBN).
Viel Glück - Das kleine Überlebensbuch
Mehr von Croos-Müller lesen Sie in ihren eigenen kleinen Büchern, zum Beispiel in "Viel Glück - Das kleine Überlebensbuch. Soforthilfe bei Schwarzsehen, Selbstzweifeln, Pech und Pannen" von Claudia Croos-Müller, mit Illustrationen von Kai Pannen, 3. Auflage, ISBN: 978-3-466-30996-2, Kösel Verlag.
Nur Mut! Das kleine Überlebensbuch
"Nur Mut! Das kleine Überlebensbuch. Soforthilfe bei Herzklopfen, Angst, Panik & Co." von Claudia Croos-Müller, mit Illustrationen von Kai Pannen, 5. Auflage, ISBN: 978-3-466-30945-0, Kösel Verlag.
Schlaf gut - Das kleine Überlebensbuch
"Schlaf gut - Das kleine Überlebensbuch. Soforthilfe bei Schlechtschlafen, Albträumen und anderen Nachtqualen" von Claudia Croos-Müller, mit Illustrationen von Kai Pannen, ISBN: 978-3-466-31023-4, Kösel Verlag.
Kopf hoch – das kleine Überlebensbuch
"Kopf hoch – das kleine Überlebensbuch Soforthilfe bei Stress, Ärger und anderen Durchhängern" von Claudia Croos-Müller, mit Illustrationen von Kai Pannen, ISBN: 978-3-466-30915-3, Kösel Verlag.

Hinzu kommt die Angst, überflüssig zu werden, und die hat die mittlere Führungsebene auch nicht erst seit der Diskussion um die Digitalisierung. Bereits 2008 kam eine breit angelegte Studie zu dem Ergebnis, dass 40 Prozent dieser Mitarbeiter eigentlich permanent fürchten, ihren Job zu verlieren.

Eigentlich ist mehr Druck kaum vorstellbar, dennoch wird er in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Aus zwei Gründen.

Erwartungen steigen

Der erste hängt damit zusammen, dass die Erwartungen an diese Berufsgruppe immer häufiger weit über das Amlaufenhalten hinausgehen. Weil die Erwartungen an IT an sich - oder jedenfalls an die noch selbst gemanagte IT - größer werden.

IT soll gestalten, verändern, Ideen liefern, das Business voranbringen. Also müssen das auch die IT-Macher. Was schon zeitlich schwierig ist, weil sie mit ihrem Alltagsgeschäft mehr als ausgelastet sind, Tendenz steigend.

Kleine Übungen gegen Stress
Immer mehr Stress
Die Arbeitswelt wandelt sich: Immer mehr wird von einem erwartet, die Aufgaben werden immer komplexer. Vielen Menschen wird der Stress zu viel. Das ist gefährlich, denn ...
Keine Zeit für nichts
... Burnout und Depressionen drohen. Doch mit kleinen Tricks und Übungen von der Gesundheitsexpertin Dr. Claudia Croos-Müller kann man Körper und Geist fit machen gegen Stress und Überlastung.
Es muss nicht immer Sport sein
Und keine Sorge: Ein ausuferndes Fitnessprogramm kommt nicht auf Sie zu. Obwohl mehr Sport im Alltag eine gute Idee ist, um Stress abzubauen.
Mehr Bewegung
"Jede Form der halbwegs lustvollen Bewegung sorgt dafür, dass antidepressive Hormone ausgeschüttet werden", erklärt Croos-Müller. Bewegung macht also tatsächlich glücklich.
Kleine Schritte
Es muss aber nicht gleich joggen sein. Es reicht schon, zum Beispiel häufiger aufzustehen, Meetings im Stehen abzuhalten oder ein paar Hundert Meter Spazieren zu gehen.
Entspannung für den Kopf
Wer sich bewegt, dessen Gehirn schaltet um. So rät Croos-Müller dazu, ein wenig auf der Stelle zu joggen, zum Beispiel wenn ...
Wut im Kopf
... Sie sich gerade über etwas ärgern. Ein bisschen Bewegung lässt den Ärger verfliegen - und das Stresslevel sinkt.
Kopfsache
Bei Bewegung werden im Gehirn Hormone mit antidepressiver Wirkung ausgeschüttet und solche, die Morphium ähneln.
Nicht immer so negativ
Mindestens so wichtig wie Bewegung: Aktivieren Sie die mentalen Ressourcen, trainieren Sie sich darauf, Angelegenheiten positiv zu sehen. Das ist leichter gesagt als getan. Doch schon kleine Schritte helfen. Zum Beispiel:
Freude empfinden
Seien Sie netter zu sich selbst, verzeihen Sie sich Fehler. Wer häufiger Freude, Liebe oder Stolz empfindet, dessen Stresslevel sinkt. So ist man resistenter gegen ...
Nicht unterkriegen lassen
... fiese Chefs und Kollegen. Auch das könne man trainieren, meint Croos-Müller. Wer übt, zuversichtlich zu sein, dessen Gehirn passt sich an.
Bitte lächeln
Probieren Sie auch einmal aus, mehr zu lächeln - vielleicht sogar sich selbst morgens im Spiegel. "Wer viel lacht, der ist gesünder", erklärt Croos-Müller.
Gut fürs Herz
Croos-Müller rät zudem dazu, sich kleine Morgenrituale zuzulegen. In unter drei Minuten den Kreislauf mit Dehnen und Stampfen in Schwung bringen, sich selbst im Spiegel anlächeln und tief atmen.
Entspannt im Büro
Wer nur ein paar dieser Übungen beherzt, der geht entspannter durch den Büroalltag - und durchs Leben.

Schuld ist immer der direkte Vorgesetzte

Außerdem werden für die digitale Gestaltung der unternehmerischen Zukunft andere Skills benötigt als die Vorhandenen. "Bei der Digitalisierung geht es um agile, parallele Entwicklung, und das sequenziell orientierte Plan-Build-Run ist das Gegenteil davon", sagt zum Beispiel Marcus Eul, Partner bei A. T. Kearney.

Weil Unternehmen mehr denn je ihre Standard-IT-Prozesse auslagern oder automatisieren, so dass sie mit so wenig Menschen wie möglich auskommen, müssen die Macher sind mit den kreativen Möglichkeiten beschäftigen, die in der IT stecken, wenn sie weiterhin Arbeit haben wollen.

In Teams ziehen häufig nicht alle an derselben Seite des Strangs.
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Hinzu kommt, dass gerade Abteilungs- und Gruppenleiter bei ihren Untergebenen extrem unbeliebt sind. Laut einer Gallup-Studie machen 85 Prozent von Deutschlands Angestellten bestenfalls Dienst nach ­­­­­Vorschrift. Schuld an ihrer Frustration geben sie fast immer ihrem direkten Vorgesetzen.

Führungskräfte brauchen DNA der Digitalisierung

Schlimmer geht’s nimmer, könnte man meinen. Doch das ist ein Irrtum. Der zweite Grund, warum in einigen Jahren vermutlich auch in der Mitte nur noch solche Führungskräfte gebraucht werden, die die DNA der Digitalisierung in sich tragen, liegt in den sich drastisch ändernden Prozessen.

Beispiel Scrum: Jenes System des inkrementellen Arbeitens, das aus der Softwareentwicklung stammt und von dort den Weg auch in andere Abläufe gefunden hat, setzt weniger auf Planung eines schlauen Leaders, sondern auf Selbststeuerung durch die Beteiligten.

Digitale Prozesse bewegen sich immer mehr weg von hierarchischen Step-by-Step-Abläufen und hin zu in einander verzahnten Prozessen, die mit immanenten Regulierungskreisläufen arbeiten.

Vernetztes Denken statt Hierarchien

Früher zentral gesteuerte IT-Funktionen wandern ins Frontend auf die Kundenseite. Angestellte eines Unternehmens oder Käufer von Online-Shops steuern heute in webbasierten Anwendungen selbsttätig ohne Anweisung und manuelle Kontrolle komplexeste Abläufe.

Junge Mitarbeiter glauben in der Regel an die Selbststeuerungskräfte von Teams.
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Und dieser Hang zur Selbststeuerung überträgt sich auch in rasantem Tempo auf das Miteinander in Unternehmen. Die Zauberformel lautet: vernetztes Denken statt Hierarchien. Denn Selbststeuerung bedeutet auch, dass Führungskräfte anders mit Macht umgehen müssen als bisher.

Jüngere glauben an die Meritokratie

Gerade jüngere Mitarbeiter haben sich stark an das Prinzip der Meritokratie gewöhnt: Macht hat derjenige, der sie sich verdient hat, weil ihm viele folgen. Wie auf Facebook oder Youtube. Und gebraucht werden nur solche Führungskräfte, die dieses Prinzip verinnerlicht haben und dazu passende Prozesse moderieren können.

Die Top-Herausforderung des Mittelmanagements besteht also langfristig darin, nicht überflüssig zu werden.

Zuvor wird diese Berufsgruppe allerdings weiterhin alle Hände voll damit zu tun haben, sich nicht zerdrücken zu lassen wie ein Salatblatt im Sandwich.

Bitkom-Report: 41.000 offene IT-Stellen
Bitkom-Präsident Dieter Kempf ...
... hat positive Nachrichten: "Wir haben – von Ausnahmejahren in der Wirtschafts- und Finanzkrise abgesehen – nahezu konstant einen ungedeckten Fachkräftebedarf von rund 40.000 IT-Experten."
Rund 41.000 IT-Spezialisten ...
... werden derzeit in Deutschland gesucht. Damit ist die Zahl der offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahr um rund 5 Prozent gestiegen.
10.000 zusätzliche Arbeitsplätze ...
... sind in diesem Jahr in der IT entstanden. Am Ende des Jahres werden in den Unternehmen voraussichtlich 953.000 Menschen beschäftigt sein, so viele wie nie zuvor. Innerhalb von fünf Jahren sind damit in der ITK-Branche fast 100.000 neue Arbeitsplätze entstanden.
Aber auch Anwenderbranchen ...
... suchen zahlreiche IT-Experten, so die Bitkom-Analyse.
Wer braucht IT-Experten?
16.500 unbesetzte Stellen finden sich bei Unternehmen der Informationstechnologie und Telekommunikation. Weitere 24.500 IT-Experten werden aber auch quer durch alle Wirtschaftszweige in den Anwenderunternehmen gesucht.
Gesuchte Berufe
Die Nachfrage nach Sicherheitsprofis hat sich ebenso deutlich erhöht wie diejenige nach Projekt-Managern.
Softwareentwickler werden ...
... vor allem in ITK-Unternehmen gesucht. 71 Prozent der befragten ITK-Firmen haben offene Positionen für Entwickler, bei den Anwenderunternehmen sind es nur 17 Prozent.
Cloud Computing ...
... ist der Bereich, in dem sich Entwickler vor allem auskennen sollten.
Kenntnisse sollten Entwickler aber auch in anderen Bereichen ...
... mitbringen: Big Data, Social Media, Programmierung von klassischen Webpräsenzen, Apps bzw. mobilen Webseiten.
Netzwerkexperten ...
... sind in jedem fünften Unternehmen gefragt. Insbesondere Anwenderunternehmen suchen Systembetreuer.
Der Fachkräftemangel ...
... wird weiter beklagt: 54 Prozent der ITK-Unternehmen geben an, dass aktuell ein Mangel an IT-Spezialisten herrscht. 42 Prozent erwarten sogar, dass sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen wird.
Informatik als Pflichtfach ...
... fordert darum der Bitkom, um früh das Interesse an der IT zu wecken und um langfristig dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Auch dazu gibt es im eingangs erwähnten Seminar Hilfestellung: "Erfahren Sie, wie Sie die verschiedenen Aufgaben sicher meistern und zu unangemessenen Erwartungen konstruktiv ‚Nein‘ sagen."