Bericht der Bundesärztekammer

E-Gesundheitskarte entzweit Ärzte

10.09.2010 von Hartmut  Wiehr
Seit Jahren schleppt sich die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte dahin. Jetzt zeigt ein Report der Bundesärztekammer auf, wie gespalten die Ärzte in dieser Frage sind.
Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer, glaubt, bei den Ärzten gebe es keine Technikfeindlichkeit. (Foto: Bundesärztekammer)

Die Bundesärztekammer hat eine Umfrage bei Ärzten durchführen lassen und versucht nun, in der gesellschaftspolitisch stark umstrittenen Frage der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) einen Weg des Ausgleichs zu finden. Bei der Vorstellung des eHealth-Reports sagte Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer: "Kaum ein gesundheitspolitisches Thema erhitzt die Gemüter seit Jahren so sehr wie die geplante Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Den zweifellos vorhandenen Chancen und Potenzialen der eGK stehen Ängste und Sorgen in der Bevölkerung vor Datenmissbrauch gegenüber. Kontrovers diskutiert wird das Projekt auch innerhalb der Ärzteschaft."

Die Mehrheit der Ärzte begrüße die Möglichkeiten der neuen Technik, viele äußerten aber auch Bedenken wegen des Datenschutzes. Besonders bei den niedergelassenen Ärzten sind generell die Vorbehalte sehr groß.

Montgomery ergänzte: "Wer den Ärzten wegen ihrer teilweise skeptischen Haltung zu dem Projekt Technikfeindlichkeit unterstellt, der liegt falsch. Selbstverständlich nutzen wir für unsere tägliche Arbeit Hightech-Medizingeräte und Systeme der Informationstechnologie. Wir müssen ständig am Ball bleiben und lassen uns kontinuierlich für den Umgang mit moderner Medizintechnik schulen."

Kaum eine medizinische Einrichtung verzichte heute noch auf ein Krankenhausinformationssystem. Und nahezu jede Praxis habe heute mehrere Rechner und lese die Versichertenstammdaten von der Versicherungskarte in das Praxissystem ein. Die Realität sieht bei den niedergelassenen Ärzten wohl doch etwas vielschichtiger aus, wie der eHealth-Report der Bundesärztekammer selbst beweist.

Nach Ansicht der Bundesärztekammer muss darauf geachtet werden, dass „Daten gezielt versandt werden können, ohne dass sie in falsche Hände gelangen". Elektronische Patientenakten gehören, so der Ärztechef, „in die Hand des Hausarztes, des Patienten und gegebenenfalls des behandelnden Arztes in Klinik und Praxis". Dann wurde Montgomery deutlich: "Sie gehören nicht in die Hände von Kostenträgern."

Das Institut für Demoskopie Allensbach hat im April 2010 im Auftrag der Bundesärztekammer 598 Interviews mit niedergelassenen und Krankenhausärzten durchgeführt. Die Ergebnisse sind in der Studie "Der Einsatz von Telematik und Telemedizin im Gesundheitswesen aus Sicht der Ärzteschaft" veröffentlicht.

Die große Mehrheit der Ärzte geht demnach davon aus, dass sowohl die Telematik als auch die Telemedizin im Gesundheitswesen generell an Bedeutung gewinnen werden, jeweils rund die Hälfte, 56 Prozent beziehungsweise 47 Prozent, rechnet sogar mit einem starken Bedeutungszuwachs.

Niedergelassene Ärzte sind IT-skeptischer

Niedergelassene Ärzte betonen mehr die Nachteile von Telematik und Telemedizin als ihre Kollegen aus den Krankenhäusern. (Grafik: Bundesärztekammer)

Die zukünftige Bedeutung für den eigenen Arbeitsbereich wird laut Befragung aber von niedergelassenen und Krankenhausärzten unterschiedlich beurteilt. Zwar erwartet auch die Mehrheit der niedergelassenen Ärzte, dass der Einsatz der Telematik in ihrer Praxis eine immer wichtigere Rolle spielen wird, mit 60 Prozent ist dieser Anteil aber wesentlich geringer als bei den Krankenhausärzten mit 90 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Einschätzung der Telemedizin. Dies bestätigt den generellen Stand der Einführung von IT bei den niedergelassenen Ärzten, der gegenüber den Krankenhäusern deutlich hinterher hinkt.

In der Studie heißt es zu dieser unterschiedlichen Haltung bei niedergelassenen und Krankenhausärzten: "Krankenhausärzte sind durchgängig überzeugter von den Chancen, die der Einsatz telematischer und telemedizinischer Verfahren bietet. So wäre zum Beispiel für 79 Prozent der Krankenhausärzte, dagegen für nur 57 Prozent der niedergelassenen Ärzte eine elektronische Speicherung von Notfalldaten eine große Verbesserung gegenüber der derzeitigen Situation.

Im Bereich der Telemedizin ist fast jeder vierte niedergelassene Arzt davon überzeugt, dass keine der hier diskutierten Einsatzmöglichkeiten eine wirkliche Verbesserung darstellt, bei den Krankenhausärzten teilt nur eine verschwindende Minderheit von 3 Prozent diese Ansicht."

Starkes Misstrauen beim Datenschutz

Die Mehrheit der Ärzte ist davon überzeugt, dass der Einsatz der Telematik zu einer Erleichterung der integrierten und fachübergreifenden Versorgung führen wird, prinzipiell verbesserte Behandlungsmöglichkeiten erwartet aber nur knapp jeder zweite Arzt. Zugleich rechnet laut Befragung die Mehrheit damit, dass der Einsatz der Telematik mit hohen Kosten für die Ärzte verbunden ist, ähnlich hoch ist der Anteil, der auf die Gefahren eines nicht ausreichenden Schutzes von Patientendaten hinweist.

Das Misstrauen gegenüber dem Datenschutz ist ausgesprochen groß bei den Ärzten. Das Zutrauen in die vom Bundesdatenschutzbeauftragten und vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik geäußerte Einschätzung, dass die im Rahmen der Telematik geplanten Netzwerke eine ausreichende Datensicherheit gewährleisten, stößt auf Ablehnung: Mehr als drei Viertel der niedergelassenen und zwei Drittel der Krankenhausärzte äußern hier dezidiert Zweifel, heißt es in dem eHealth-Report.

Der eHealth-Report steht bei der Bundesärztekammer zum kostenlosen Download bereit: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=3.71.7962.8685.8701