Ostdeutsche Kommunen eher zum Auslagern in private Hände bereit

E-Government: Investitionen in Intranet und Workflow Management geplant

29.11.2007 von Christiane Pütter
Alle EU-Bürger werden Brüder: Ende 2009 soll es einen einheitlichen Binnenmarkt für Dienstleistungen geben. Das sieht jedenfalls die EU-Dienstleistungsrichtlinie vor. Und unabhängig davon muss sich die öffentliche Verwaltung um effiziente E-Government-Strukturen kümmern und dem Bürger elektronische Abläufe statt persönlicher Behördengange anbieten. Folge: Investitionen in Intranet oder Workflow Management werden steigen. Dabei sind ostdeutsche Kommunen eher als westdeutsche bereit, in privatwirtschaftliche Unternehmen auszulagern. Das geht aus dem Branchenkompass Public Sector 2007 des Beraters Steria Mummert und dem FAZ-Institut hervor.
Die meisten Entscheider sehen Prozesse und Technik als größte Herausforderungen an.

Ziel der EU-Direktive ist die Förderung der europäischen Integration auch auf dem Dienstleistungssektor. Konkret: Die Staaten müssen ein flächendeckendes Netz einheitlicher Ansprechpartner schaffen. Jeder Dienstleister soll über eine zentrale Stelle alle nötigen Verfahren und Formalitäten abwickeln können.

Von dieser Vorgabe abgesehen, läuft in Deutschland seit Jahren eine Modernisierung der Verwaltung, um den Bürgern laut Artikel Acht der Dienstleistungsrichtlinie das elektronische Abwickeln von Behördengängen zu ermöglichen.

Steria Mummert hat nun eine Bestandsaufnahme gemacht. Ergebnis: 38 Prozent der Kommunen geben an, sie hätten mit den Planungen zur Umsetzung von Artikel Acht der EU-Dienstleistungsrichtlinie begonnen. 34 Prozent haben nach eigenem Bekunden noch keine Schritte unternommen. Immerhin 26 Prozent haben die Vorgabe teilweise umgesetzt und eine Elite von zwei Prozent will die Umsetzung größtenteils abgeschlossen haben.

Meist ist die interne IT-Abteilung für die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie zuständig.

Die Entscheider wurden außerdem gebeten, den für die Umsetzung Verantwortlichen zu benennen. Das ist in 44 Prozent die interne IT-Abteilung, in 29 Prozent ist es das Hauptamt. Jeder Fünfte nennt den (Ober-)Bürgermeister und je 15 Prozent benennen eine separate Organisationseinheit für das E-Government.

Die IT für interne Prozesse weist bei den Behörden den größten Verbesserungsbedarf auf.

Die Autoren der Studie haben beobachtet, dass Großstädte im Allgemeinen weiter sind als mittlere und kleine Städte. Bei einem Blick auf die Ost-/West-Verteilung hat der Westen die Nase leicht vorn.

Die Geschichte hat bisher allerdings einen Haken: Städten, die bei der Umsetzung der EU-Richtlinie als Vorreiter glänzen wollen, werden durch noch ausstehende Entscheidungen über Zuständigkeiten und Kompetenzen Zügel angelegt. Sie warten darauf, dass Bund und Länder technische Standards vereinbaren und die Funktion des geforderten einheitlichen Ansprechpartners vergeben.

Nichtsdestotrotz sind drei Viertel der Entscheider davon überzeugt, den einheitlichen Ansprechpartner bis Ende 2009 vorzeigen zu können.

Die Verwaltungen müssen sich neu organisieren

Was die Neu-Organisation der eigenen Verwaltung angeht, stellen die Entscheider die Informationstechnologie an Platz Eins. Acht von zehn Befragten sehen bei der IT für interne Prozesse den dringendsten Verbesserungsbedarf. Es folgen das Mitwirken der Verwaltungskunden an elektronischen Prozessabläufen (78 Prozent) sowie die eigene Prozessorganisation (71 Prozent) und die Weiterbildung der Mitarbeiter (70 Prozent).

Steria Mummert wollte außerdem wissen, worin die Entscheider in den Verwaltungen bei der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie die größten Herausforderungen sehen. 44 Prozent der Befragten geben die Identifizierung und Anpassung der Verwaltungsprozesse und das Schnittstellen-Management zwischen den Prozessen an. Dahinter liegen technische Lösungen (43 Prozent) sowie unklare Zuständigkeiten zwischen den Verwaltungsebenen (28 Prozent).

Die meisten Entscheider wollen in Intranet und Workflow Management investieren.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Initiativen BundOnline und DeutschlandOnline gelten mit 88 Prozent beziehungsweise 79 Prozent der Nennungen als die bekanntesten E-Government-Modelle. Dabei musste jedoch rund jeder Zehnte (elf Prozent) zugeben, keines der Modelle zu kennen.

Nach den Angaben der Entscheider besteht zum Teil erheblicher Investitionsbedarf bei den E-Government-Systemen. So geben sämtliche Studienteilnehmer das Intranet an. Es folgen Workflow Management Systeme (88 Prozent) sowie Content Management Systeme (87 Prozent). Jeweils 69 Prozent nennen auch Integrationsplattformen für E-Government-Anwendungen und Payment Systeme.

Ostdeutsche würden neben IT-Diensten auch Verwaltungprozesse auslagern

Bei der Partnerwahl zur Umsetzung der Richtlinie sehen sich ostdeutsche Entscheider deutlich eher unter privatwirtschaftlichen Unternehmen um als ihre westdeutschen Kollegen: 47 Prozent der Ostdeutschen würden technische Dienstleistungen in private Hände auslagern, aber nur 28 Prozent der Westdeutschen. Und während 16 Prozent der ostdeutschen Befragten auch Verwaltungsprozesse an die Privatwirtschaft outsourcen würden, sind es unter den Westdeutschen nur elf Prozent.

Für den "Branchenkompass Public Services 2007" hat der Marktforscher Forsa im Auftrag von Steria Mummert Consulting und dem FAZ-Institut 100 Entscheider aus deutschen Großstädten und mittleren Städten befragt.