Projekte scheitern, wenn sie per Dekret eingeführt werden

E-Government soll sich an der Wirtschaft orientieren

25.01.2006 von Dorothea Friedrich
In zehn bis 15 Jahren könnte die Verwaltungsarbeit von Ländern und Gemeinden vollständig webbasiert in Backoffice-Geschäftsprozess-Centern erledigt werden. Dazu müssen die bisher technikdominierten E-Government-Initiativen den Schritt zur nutzer-orientierten Verwaltungsreform machen. Weitere E-Government-Angebote müssen sich an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientieren. Das sind Ergebnisse einer Studie des Software-Anbieters SER und des Institute of Electronic Business.

Demnach hat E-Government durch die Entwicklung und Implementierung technischer Neuerungen dem Staat und der Verwaltung neue Entwicklungspfade aufgezeigt und war damit einer der Motoren von Verwaltungsreformen.

Doch können diese Reformen nicht nur durch Technik getrieben weiter entwickelt werden. Die Einbindung der Nutzer - von der Privatperson bis zu Unternehmen und Organisationen - ist eine unabdingbare Voraussetzung für weitere Entwicklungen in den Verwaltungsstrukturen von Bund, Ländern und Gemeinden.

In Deutschland werden E-Government-Projekte nach wie vor eher unter technischen Aspekten als unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz gesehen. Das ist einer der Gründe, warum sie im internationalen Vergleich eher im hinteren Mittelfeld liegen.

Einführung per Dekret

Daher fordern die Autoren unter anderem, die Nutzerwünsche zu fokussieren, ein ausführliches und umfassendes Controlling einzuführen und die Einstiegsportale vertikal nach dem Lebenslagenprinzip beziehungsweise unternehmerischen Fragestellungen zu gliedern.

Mit der Strukturierung nach dem Lebenslagenprinzip und der Einbindung lokaler Marktplätze hat allerdings 2003 die bayerische Staatsregierung mit ihrem Baynet-Portal ein Desaster erlebt. Das Projekt war im Jahr 2000 mit großem Aufwand gestartet.

Betrieben hatte das Internetportal die Virtueller Marktplatz Bayern GmbH, ein Konsortium von Siemens und SAP. Ziel war seinerzeit, private und staatliche Angebote unter einem virtuellen Dach zu vereinigen. Doch die regionalen und lokalen Betreiber der virtuellen Marktplätze kamen nicht aus den Startlöchern oder wechselten mehrfach.

Wegen mangelnder Akzeptanz auf Anbieter- und auf Nutzerseite stellte das Betreiberkonsortium den Virtuellen Marktplatz Bayern zum Jahresende 2003 ein. Den Behördenwegweiser übernahm die Staatsregierung.

Bundesprojekte sind dem Scheitern nahe

Besondere Defizite gibt es bei den Dienstleistungen des Bundes. Nach einer Analyse des IT-Dienstleisters Accenture scheitern sie an der Lücke zwischen der Entwicklerseite, also der Verwaltung der mit ihr zusammen arbeitenden IT-Beratungs- und Implementierungshäuser und den Nutzern in Gestalt von Unternehmen und Bürgern.

Ein eklatantes Beispiel für eine verfehlte Nutzerintegration ist die elektronische Steuererklärung Elster. Sie hatte den Anspruch, jede Art von Steuerdaten ohne Medienbrüche zwischen Steuerpflichtigen, Beratern, Arbeitgebern, Kommunen, Verbänden und Finanzbeamten zu übertragen.

Doch nicht einmal als der Gesetzgeber Arbeitgeber und Unternehmer zwang, ihre Steuervorgänge über Elster abzuwickeln, stieg die Akzeptanz. Die Markteinführung per Dekret geriet bekanntlich zum Fiasko. Der Sinn des Projekts hat sich einigen Unternehmen immer noch nicht erschlossen.

"E-Government-Anwendungen sind für private oder gewerbliche Nutzer Innovationen, die diese ursprünglich nicht gewollt haben", heißt es dazu in der Studie. "Elemente des Zwangs", tragen nicht dazu bei, sie im einzelnen Unternehmen beliebter zu machen.

Maßnahmen

Mit einem ganzen Maßnahmenbündel könnte die Verwaltung ihre E-Government Angebote attraktiver machen und vor allem die Erwartung von Unternehmen nach Beschleunigung von Prozessen erfüllen. Zu den Maßnahmen gehören:

Die optimierte Gestaltung der Technik, beispielsweise durch die Vereinheitlichung der Kommunikations- und Sicherheitsstruktur, durch Standardisierung sowie einheitliche Produkte, einheitliche Datenaustauschformate, kostengünstige Bereitstellung elektronischer Signaturen und eine einfache Bedienbarkeit der Software.

Beschleunigung der Verfahren, beispielsweise durch interne Geschäftsprozessoptimierung. Der Wegfall von Postlaufzeiten allein wird wohl kein Unternehmen motivieren, E-Government-Verfahren zu nutzen.

Finanzielle Anreize, zum Beispiel durch spezielle Gebührensätze

Mandatory E-Filing: Damit ist die Verpflichtung gemeint, bestimmte Verfahren, wie beispielsweise die Umsatzsteuer-Voranmeldung oder die Beantragung von Verschmutzungszertifikaten nur noch auf elektronischem Weg zu erledigen.

Darüber hinaus fordert die Studie:

1. Sämtliche E-Government-Anwendungen sollten auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene stärker kommuniziert werden. Der häufigste Grund, bestehende Angebote nicht zu nutzen, ist die fehlende Information über deren Existenz. Auf Bundesebene fühlen sich 61,8 Prozent der Unternehmen über die Online-Angebote nicht informiert.

2. Der Aufbau weiterer E-Government-Angebote muss sich an den Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft orientieren. Viele der bisher umgesetzten Modellbehörden im Bereich G2B sind nach Aussagen der Befragten nicht relevant.

3. Auf branchenspezifische Wünsche der Unternehmen sollte besser eingegangen werden. Der Nutzungsgrad nimmt bei E-Government-Angeboten mit branchenspezifischem Charakter erheblich ab, die Nutzung innerhalb der Branche gestaltet sich jedoch sehr intensiv. Beispielsweise kommen ein Viertel der Nutzer von ATLAS, einem Informatikverfahren der Zollbehörden, aus den Branchen Metall, Stahl und Maschinenbau.

Die Studie "eGovernment 2006 – Von der technikgetriebenen zur nutzergetriebenen Verwaltungsreform" zeigt Trends im E-Government für die nächsten Jahre auf. Sie wurde für das Institute of Electronic Business e.V. und SER eGovernment Deutschland erstellt.