Nur ein Drittel der Firmen schöpft Möglichkeiten aus

E-Mail-Management wird kaum genutzt

21.10.2009 von Werner Kurzlechner
E-Mail-Management bleibt in deutschen Unternehmen ein Stiefkind. Diesen vor mehr als einem Jahr von BearingPoint diagnostizierten Befund bestätigt eine aktuelle Umfrage. Dabei kann eine schludrige Archivierung der elektronischen Post richtig Geld kosten - von brach liegendem Optimierungspotenzial ganz zu schweigen.

Das E-Mail-Management in deutschen Unternehmen lässt immer noch zu wünschen übrig. Lediglich 35 Prozent der Firmen setzen dafür überhaupt ein System ein, wie eine aktuelle Umfrage der Unternehmensberatung Pentadoc und des Business Application Research Centers (BARC) ergab. Wer über ein System verfügt, beschränkt sich in aller Regel auf die Archivierung der elektronischen Post. Laut Umfrage nutzen 70 Prozent diese Möglichkeit, aber nur ein Drittel schöpft die Möglichkeiten zu Verbesserung der Geschäftsprozesse aus.

Das erscheint als teure Nachlässigkeit, denn E-Mail-Fragen sind eindeutig Geldfragen. Dass das mittlerweile vom Gros der Mitarbeiter bevorzugte Kommunikationsmedium in der Kalkulation keineswegs eine vernachlässigbare Größe ist, dürfte CFOs längst klar sein. Da gibt es vorneweg den Compliance-Faktor. Regulatorische Verpflichtungen wie etwa die "Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen" (GDPdU), die "Grundsätze ordnungsmäßiger datenverarbeitungsgestützter Buchführungssysteme" (GoBS) oder Basel II zwingen die Unternehmen zur systematischen Archivierung von E-Mails. Fehlende Nachweise können zum Ärger mit Behörden führen. Aber auch fehlerhafte Nutzung durch Mitarbeiter kann in Prozesse münden und letztlich ins Geld gehen.

Kostenfaktor Zeitverschwendung

Auch die von Mitarbeitern mit E-Mails verschwendete Zeit ist ein veritabler Kostenfaktor. Vor einem Jahr ermittelte die US-amerikanische Beratungsfirma Basex das Ausmaß der Unproduktivität, das permanent eintrudelnde und oft unwichtige Informationen via E-Mail, Telefon oder Instant Messaging im Arbeitsalltag von Wissensarbeitern verursachen. Die jährlichen Kosten durch solche Arbeitsunterbrechungen bezifferte Basex allein für die USA auf insgesamt 900 Milliarden US-Dollar. Abhilfe versprechen hier E-Mail-Response-Management-Systeme, die die Anwender bei der Auswertung und Beantwortung von E-Mails unterstützen - neben der Archivierung der zweite große Baustein von E-Mail-Management-Systemen.

Immerhin scheint es Bewegung auf diesem Feld zu geben, wenn man die aktuelle Umfrage von BARC und Pentadoc zu Grunde legt. 60 Prozent der derzeitigen Nichtanwender geben an, die Einführung von E-Mail-Management zu planen - vor allem deshalb, um Informationen schneller wiederzufinden. Allerdings decken sich die jetzigen Befunde frappierend mit einer Bestandsaufnahme aus dem Hause BearingPoint von Anfang 2008 - was den Verdacht nahe legt, dass sich seither nicht allzu viel getan hat. Rund ein Viertel aller Unternehmen setzt laut BARC und Pentadoc IT zur Archivierung von E-Mails ein; etwa genauso viele Anwender kommerzieller Archivierungs-Tools ermittelte seinerzeit BearingPoint. Dabei wurde der Problemdruck schon in jener Studie offensichtlich. Nur 23 Prozent der Befragten waren sich damals sicher, in einem Gerichtsverfahren die relevante Korrespondenz inklusive aller E-Mails innerhalb von zwei Wochen vollständig zur Verfügung stellen zu können. 15 Prozent gaben damals an, ihre Mails überhaupt nicht zu archivieren.

Pentadoc und BARC weisen darauf hin, dass E-Mail-Management nicht nur eine lästige Pflichtaufgabe ist, sondern auch ein lukratives Terrain sein kann. Die inhaltliche Relevanz einer E-Mail stehe dem typischen Geschäftsbrief mittlerweile meist nicht mehr nach. Aber die Potenziale bleiben offenkundig noch ungenutzt. Lediglich ein Drittel der Unternehmen misst der beschleunigten Vorgangsbearbeitung oder der Verbesserung des Kundenservice durch eine schnellere Prozessverarbeitung mit Hilfe von E-Mail-Management vorrangige Bedeutung bei. "Wie es scheint, wird das Thema E-Mail-Management noch nicht transparent genug dargestellt - und die Potenziale werden von vielen Unternehmen verkannt", folgert Guido Schmitz, Vorstand der Pentadoc AG.

Und doch gibt es Signale, die auf einen Wandel hindeuten. Die Analysten von IDC sehen in einer aktuellen Studie Archivierung als einen Leuchtpunkt in ansonsten düsteren Krisenzeiten. Als einen Treiber machen sie dabei die Möglichkeiten von Leihsoftware aus. Software-as-a-Service (SaaS) biete die kostengünstige Gelegenheit, beispielsweise rechtliche Auflagen zu erfüllen. In den Ohren von Unternehmen, die sich mit dem Management von E-Mails noch arg plagen müssen, dürfte die Zukunftsprognose von IDC allerdings bedrohlich klingen. Der Trend in der Archivierung geht nämlich längst über die einfache E-Mail hinaus. "Es gibt auch schon ein frühes Interesse an der Archivierung von Web 2.0-Inhalt, zum Beispiels aus Blogs und Wikis", so Laura DuBois, Reseach Director bei IDC.