Chefs nutzen E-Medien nur traditionell

E-Mail noch nicht als Führungsmittel erkannt

23.02.2006 von Christiane Pütter
E-Mail und Intranet sind in deutschen Unternehmen zwar zur Selbstverständlichkeit geworden, ihr Potenzial in Sachen Mitarbeiterführung wird aber noch nicht genutzt. So kritisieren User eine Informationsflut durch E-Mails bei einem gleichzeitigen Mangel an Orientierung. Das geht aus einer Studie des Beraters Frank Martin Hein hervor.

Elektronische Medien werden im Wesentlichen für traditionelle Kommunikation mit anderen Mitteln eingesetzt. So gaben 57 Prozent der Befragten an, heute E-Mails statt Rundbriefe zu bekommen, bei 44 Prozent gibt es seit dem Einzug der elektronischen Medien keinen Aushang mehr am Schwarzen Brett. Fast jeder Fünfte erklärte, es werde weniger telefoniert.

Die Möglichkeit zum Empfangen und Senden von E-Mails existiert in jedem der befragten Unternehmen, ein Intranet und Portale haben 86 Prozent eingerichtet. Am wenigsten verbreitet sind Podcasts (sechs Prozent) und Blogs (neun Prozent). SMS entwickeln sich von einem privaten Medium zunehmend auch zur in der Geschäftswelt akzeptierten Kommunikationsform.

Welche elektronischen Medien in einem Unternehmen installiert werden, entscheidet meist die Geschäftsführung. An zweiter Stelle wurde die IT-Abteilung genannt, an dritter die Kommunikationsleitung.

Groupware ist Chefsache

Ein genauer Blick auf die Mediennutzung zeigt deutliche Unterschiede: Während jeder Manager (100 Prozent) und fast jeder Geschäftsführer (99 Prozent) E-Mails schreiben, trifft das nur auf 74 Prozent der Arbeiter zu. 60 Prozent der Manager nutzen das Intranet und Portale, bei den Geschäftsführern ist es mit 46 Prozent knapp jeder Zweite, unter den Arbeitern sind es 42 Prozent. Team- beziehungsweise Groupware scheint Chefsache zu sein: 18 Prozent der Manager nutzen sie, dreizehn Prozent der Geschäftsführer und neun Prozent der Arbeiter.

Die Analysten wollten wissen, wie sich die Kommunikationskultur durch die elektronischen Medien verändert hat. Häufigste Kritik: Es werde schneller, oberflächlicher und anonymer. Positiv haben die Befragten angemerkt, dass Informationen allen Mitarbeitern zugänglich werden.

Offenbar sorgen elektronische Medien für neue Kooperationen zwischen den Mitarbeitern: 84 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, es entstünden zumindest manchmal Netzwerke über Abteilungsgrenzen hinweg. 15 Prozent können dieser Aussage nicht zustimmen.

Dass die neuen Kommunikationskanäle formale Hierarchien aufbrechen lassen und fachliche Kompetenz wichtiger wird, beobachtet mehr als jeder Zweite (53 Prozent) zumindest manchmal, 15 Prozent geben an, in ihrem Unternehmen treffe das voll zu. Jeder Dritte erklärt, für seine Firma gelte das nicht.

Druckmachen per Mausklick

Dreiviertel aller Befragten erklären, dass Top-Manager mit den neuen Medien immer oder manchmal anders führen. Die Autoren der Studie haben dieses veränderte Führungsverhalten genauer unter die Lupe genommen. Demnach wird per E-Mail oder den anderen elektronischen Kanälen vor allem häufiger "Tempo gemacht" (57 Prozent der Nennungen). Gleichzeitig sagt fast jeder Vierte, es entstehe mehr Nähe (24 Prozent). Dass E-Medien als Instrument des Coaching eingesetzt werden, beobachten 13 Prozent, elf Prozent geben an, die Führungsriege demonstriere über die neuen Kommunikationswege Autorität.

Die Analysten sind der Frage nachgegangen, welche Inhalte innerhalb der Betriebe über elektronische Medien weiter gegeben werden. Demnach verschicken Führungskräfte vor allem Anweisungen (59 Prozent), Informationen über Strategien und Pläne (46 Prozent) und Statusberichte (41 Prozent) auf diesen Wegen.

Nach ihrer Einschätzung über E-Medien befragt, erklären die User am häufigsten, sie erhielten sehr viel Information, aber keine Orientierung. Berater Frank Martin Hein zieht das Fazit: "Mit wenigen, planvollen Maßnahmen könnten Führungskräfte und Kommunikationsabteilungen gemeinsam zu mehr Orientierung, Motivation und Produktivität der Arbeitnehmer beitragen."

An der Studie haben sich 550 Mitarbeiter aus deutschen Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung beteiligt. Die Untersuchung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Beraters Frank Martin Hein und den Firmen Smart Research und GK Personalberatung sowie der Initiative D21, der Deutschen Public Relations Gesellschaft und dem PR Report.