Analysten-Kolumne

ECM: Endlich handeln statt hadern

04.02.2009 von Martin Böhn
Die aktuelle Krise sollten Unternehmen als Chance begreifen, um endlich notwendige Veränderungen vorzunehmen. Mit Enterprise Content Management (ECM) kann man Effektivität und Effizienz erheblich steigern.
BARC-Analyst Martin Böhn: "Durch den Einsatz von ECM-Systemen wird die Informationsverarbeitung sowohl beschleunigt als auch qualitativ verbessert."

Die Finanzkrise hat alle Aspekte der Wirtschaft erreicht. Während in vielen Bereichen aber nur über die aktuellen Zustände geklagt wird oder die einzige Aktivität in Schuldzuweisungen besteht, haben andere Unternehmen sich bereits mit der Situation abgefunden und handeln statt zu hadern. Beispielsweise will der Hamburger Hafen die um 20 Prozent geringere Auslastung nutzen, um strategische Investitionen zu tätigen. Das Enterprise Content Management (ECM) bietet die Chance, das Informationsmanagement nachhaltig zu verbessern und so gleichzeitig Kosten zu sparen und Flexibilität zu gewinnen.

Die Krise als Chance - 3 Gründe tätig zu werden

Krisenzeiten sind Zeit zum Handeln, Trägheit und eine gewisse Engstirnigkeit werden nicht mehr durch Kunden ausgeglichen, die in jedem Fall die angebotenen Waren kaufen würden. Leistungsfähigkeit, Service und Kosten treten in den Fokus. Es gibt drei gute Gründe, gerade jetzt die Weichen für die Zukunft zu stellen und nachhaltige Verbesserungen einzuleiten.

  1. Man muss an der Kostenseite Verbesserungen erreichen. Die reine Konzentration auf Personalabbau oder Auslagerung etc. führt aber dazu, dass in absehbarer Zeit die Fachkräfte fehlen, wenn der Auftragseingang wieder steigt. Also muss man die nicht wertschöpfenden Tätigkeiten reduzieren und verbilligen. Dazu ist es notwendig, technische und organisatorische Maßnahmen zu verbinden.

  2. Durch die zurückgehende Auslastung hat man die Zeit zur Verfügung, über neue Strukturen und Strategien nachzudenken. In Zeiten hoher Auslastung nimmt das Tagesgeschäft jede Gelegenheit, solche Konzepte zu erarbeiten. Die Vergangenheit zeigte am Beispiel der E-Business-Krise Anfang des Jahrtausends, wie verschiedene Unternehmen das Wegbrechen von Aufträgen zu strategischen Investitionen genutzt und so gestärkt hervorgegangen sind.

  3. Die Notwendigkeit zum Handeln ist offensichtlich. Damit besteht die Möglichkeit, auch organisatorische Änderungen durchzusetzen, da sich kein Fachbereich mehr auf die Aussage "es läuft doch gut, so wie es ist" zurückziehen kann. Krisen können den Schulterschluss zwischen einzelnen Abteilungen und verschiedenen Unternehmensebenen bewirken. Das ist die Grundvoraussetzung, nachhaltige und sinnvolle Änderungen zu planen und umzusetzen.

Ein völlig falsches Vorgehen ist das "Aussitzen" der Krise. Ein kompletter Ausgabenstopp bewirkt nicht nur die Stagnation, sondern die vergleichsweise Verschlechterung gegenüber den Mitbewerbern, welche genau die vorher aufgelisteten Hinweise beherzigen.

ECM als Weg aus dem Informationschaos

ECM bezeichnet sowohl ein Konzept zum Management von Informationen (und den damit verbundenen Prozessen) als auch die Technologie zur Umsetzung dieser Visionen. Technische Rahmenbedingungen, organisatorische Maßnahmen und funktionale Anforderungen werden verbunden, um schnellere Prozesse zu erreichen und qualitativ hochwertigere Ergebnisse zu erzielen.

Umfassender Ansatz von ECM.

Die herkömmliche Informationsverwaltung mit Papierakten und Aktenschränken voller Ordner oder File-Servern ist zum Scheitern verurteilt. Es fehlt an flexiblen Zugriffs- und Suchmöglichkeiten, die Informationsweitergabe ist schwer kontrollierbar und meist langwierig. Auch die Vergabe von Rechtestrukturen ist nur unzureichend möglich, granulare Konzepte können kaum verwirklicht werden, weshalb das Prinzip "ganz oder gar nicht" verfolgt wird und Mitarbeiter entweder von der Fülle der Informationen erschlagen werden oder aber wichtige Dokumente nicht erhalten.

Des Weiteren ist bei beiden Alternativen in der Praxis das große Problem gegeben, dass der Anreiz, "persönliche" Ablagestrukturen aufzubauen aufgrund der Verfügbarkeits- und Zugriffsprobleme sehr hoch ist. Mitarbeiter legen eigene Strukturen an, um im Fall der Fälle bestimmte Informationen schnell vorliegen zu haben. Dies führt zu Problemen mit Kopien (Aktualität der Informationen nicht gesichert, hohe Redundanz in der Ablage), Sicherungsstrategien (Einbeziehung vieler Informationsinseln notwendig) und insgesamt zu fehlender Transparenz über den Stand der betrieblichen Wissensbasis ebenso wie die Bearbeitungsprozesse.

ECM: Verbesserung der Effektivität - Die richtigen Dinge tun

Durch den Einsatz von ECM-Systemen wird die Informationsverarbeitung sowohl beschleunigt als auch qualitativ verbessert. Die Inhalte können schnell (im Gegensatz zur Briefpost) und strukturiert (im Gegensatz zum Versenden von E-Mails zwischen einzelnen Ansprechpartnern) ausgetauscht werden. Die einheitliche Klassifikation führt Inhalte zusammen und baut Informationsinseln ab. Durch die Verbindung der Prozesse und Dokumente betont wird, erfolgt die Klassifikation und Verwaltung "neben" der eigentlichen Arbeit im Hintergrund.

Das ECM-System unterstützt die Mitarbeiter, indem es Workflows, Rechtestrukturen, Aufbewahrungsfristen und Eskalationsmechanismen für die Bearbeitung verwaltet und so den Informationsfluss steuert. Damit wird die Arbeitszeit der Mitarbeiter deutlich besser genutzt, da viele manuelle Schritte wegfallen und die Verteilung von Informationen nicht mehr durch den Einzelnen eigenverantwortlich durchzuführen ist.

ECM: Verbesserung der Effizienz - Die Dinge richtig tun

Probleme der herkömmlichen Informationsverwaltung.

Viele Unternehmen leisten es sich noch immer, hochqualifizierte Fachkräfte zu einem signifikanten Anteil ihrer Arbeitszeit mit einfachen Büroarbeiten auszulasten. Durch ECM-Systeme nimmt der Suchaufwand deutlich ab, da die Informationen anhand der Klassifikation oder Workflows bedarfsgerecht bereitgestellt werden können. Die Abkehr vom Papier mag zwar in Einzelfällen zum Scannen einiger Schriftstücke führen, der zumeist weitaus größere Aufwand für das Ausdrucken, Abheften, Kopieren und Verteilen der selbst erzeugten Unterlagen fällt aber weg.

Durch die höhere Transparenz der Vorgänge muss nicht mehr so oft nachgefragt werden, wo welche Information in welcher Qualität liegt. Sowohl bei der Ablage auf Papier als auch bei der Speicherung auf Dateiservern sind folgende Fragen häufig zu hören:

Dies kostet nicht nur die wertvolle Arbeitszeit des Suchenden, sondern auch die seiner Kollegen, die er fragt und so aus ihren Aufgaben herausreißt. Ein ECM-System schafft hier klare Strukturen - und endlich ein Vertrauen der Mitarbeiter in die unternehmensweite Informationsablage.

ECM bietet die Chance für schnelle und langfristige Verbesserungen

Kein Unternehmen hatte die aktuelle Finanzkrise auf dem Wunschzettel für 2009. Fakt ist aber, dass die Krise alle Unternehmen zwingt, die Effektivität zu steigern. Jammern und Lamentieren hilft nicht weiter, es gilt das Beste aus der aktuellen Situation zu machen und sich für die Zukunft auszurichten. Jetzt ist die Chance, die Weichen für die Entwicklung der nächsten Jahre zu stellen um so die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern und auszubauen.

ECM ist ein wesentliches Hilfsmittel um Kosten zu senken und gleichzeitig die Flexibilität zu erhöhen, es ist sowohl Technologie als auch Philosophie und kann direkte Verbesserungen in den einzelnen Aufgabenbereichen bewirken. Daher muss klar sein, dass ECM-Projekte kein teurer Luxus sind, sondern gerade in Krisenzeiten die Chance bieten, die notwendigen Verbesserungen an den eigenen Prozessen zu erreichen.

Werden entsprechende Projekte zur Verbesserung des Informationsmanagements verschoben, komplett abgesagt oder vermeintlich billige Lösungen schnell eingeführt, werden die Kosten solcher Fehlentscheidungen die Unternehmen noch Jahre belasten. Wird ein ECM-System ohne strukturierte Anforderungsanalyse ausgewählt, ist mit höheren Kosten, geringerem Nutzen durch falsche, zu wenig oder zu komplexe Funktionalität sowie mit massiven Problemen in der Anwenderakzeptanz zu rechnen.

Scheitern so Projekte oder werden sie erst gar nicht realisiert, drohen massive Nachteile gegenüber dem Wettbewerb, da zu viel Geld und Zeit in nicht wertschöpfende Aktivitäten gepumpt und zu viel Zeit mit zu unflexiblen Prozessen verloren geht. Die Zeit steht für niemanden still - so manches Unternehmen hat sich in Krisenzeiten schon "totgespart".

Martin Böhn ist Senior Analyst am Business Application Research Center (BARC GmbH) im Bereich Enterprise Content Management´.