IT-Strategie der M-DAX-Unternehmen: AWD

Effizient trotz Dezentralität

10.05.2005 von Johannes Klostermeier
Über 6000 Mitarbeiter beschäftigt der Hannoveraner Finanzdienstleister AWD (Allgemeiner Wirtschaftdienst) allein im Vertrieb. Kein Wunder, dass IT-Chef Friedemann Derndinger vorrangig diesen Bereich durch die IT optimal unterstützen will.

„In der Unterstützung der Vertriebsberater unterscheiden wir uns von Mitbewerbern“, sagt Friedemann Derndinger. Drei IT-Kernprozesse definiert der 42-Jährige Diplom-Kaufmann und COO des Unternehmens, die eine „zentrale Rolle“ spielen: Der Erste für die Unterstützung der Berater. Zweitens der Prozess, in dem Programme für die Altersvorsorge und finanzielle Planung der ‚Mandanten’ im Vordergrund stehen. Und drittens die Back-Office-Prozesse mit der Antragsbearbeitung und der Anbindung von Partnergesellschaften wie Banken und Versicherungen. „Unsere IT-Strategie besteht darin, diese drei Prozesse optimal zu managen und kontinuierlich zu verbessern“, sagt der COO.

Derndinger ist zudem die Eigenverantwortung der zehn Tochtergesellschaften in elf Ländern wichtig: „Wir sind dezentral aufgestellt“. Ziel sei es, parallel zur Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft über ein konsequentes Benchmarking effizienter zu werden und gleichzeitig gemeinsame Entwicklungen voranzutreiben. Bei Grundsatzfragen und Neuentwicklungen gibt es gemeinsame Entscheidungen zusammen mit der Holding. „In einem Vertriebsunternehmen ist smart transformation wichtiger als hard integration“, so der Slogan des COO.

Derzeit baut Derndinger eine einheitlichen IT-Plattform für Zentral- und Osteuropa auf. Die Region wird von Wien aus gesteuert und soll weiter expandieren. „Das System ist mehrsprachig und mandantenfähig. Es ermöglicht die schnelle Einführung in einem neuen Land bei minimalen Kosten“, sagt Derndinger. Erste Auslieferungen gab bereits 2004, weitere folgen in 2005 und 2006.

Die Beratungs- und Betreuungsprogramme bei AWD sind größtenteils selbst geschrieben. „Wir haben über den Kauf von Standardsoftware oder Outsourcing in diesem Bereich immer wieder nachgedacht und diskutiert, sind aber zu dem Schluss gekommen, dass unsere Programme so einen starken Wettbewerbsvorteil darstellen, dass wir sie lieber selber entwickeln“, sagt der COO. Demgegenüber nutzt AWD weitgehend Standardsoftware in den Verwaltungs- und Back-Office-Bereichen.

Rund 200 Mitarbeiter arbeiten in der IT. Das IT-Budget liegt bei rund vier Prozent des Umsatzes. „Im Back-Office-Bereich ist die IT nach der direkten Vertriebsunterstützung der zweitgrößte Kostenfaktor“, so Derndinger.

Bei allen drei deutschen Vertriebsgesellschaften wurden im vergangenen Jahr wegen des seit 1. Januar 2005 geltenden neuen Alterseinkünftegesetzes neue Beratungsprogramme und -module in der Altersvorsorge eingeführt. „Die haben wir zusammen mit externen Partnern entwickelt.“ Zudem werde die Unterstützung der Beraterprozesse verbessert – unter anderem durch den Ausbau des auf Java basierenden Vertriebsportals, einem Extranet für Partner und einem Internet für Vertriebsmitarbeiter innerhalb der Gruppe. „Nach der Einführung dieser neuen Beratungsmodule für die Altersvorsorge bereiten wir nun die nächste Generation der Financial Planning Tools für 2006 vor“, sagt der IT-Verantwortliche.

Ein Projekt für die Zukunft, das bereits in einzelnen Pilot-Anwendungen getestet wird, ist die elektronische Prozessgestaltung bei Versicherungsanträgen. Sie sollen in Zukunft direkt im Kundengespräch auf einem Tablet-PC ausgefüllt und anschließend also ohne Eingreifen eines Mitarbeiters – „zero-touch“ – über das Back-Office von AWD an die Partnergesellschaften weitergeleitet werden. „Es erhöht die Qualität der Anträge, beschleunigt die Prozesse und senkt die Kosten“, sagt Derndinger.

Für Berater gibt es große Freiheiten. Sie können weitgehend ihre eigenen PCs einsetzen oder aus einem der AWD-Angebote wählen. Entscheidend ist nur, dass sie sich über einen Browser online einwählen können. Die Sicherheit wird über Token und Security-ID gewährleistet.

Im Bereich Software spielen die selbst entwickelten Beratungsmodule die herausragende Rolle. Die AWD-Programme in der Beratung heißen beispielsweiße SitLap („Situative Lebensabschnittsplanung“), Ikarus oder PFS („Private Finanz-Strategie“). „Eine Stärke von AWD ist die intensive Vernetzung der Geschäftsbereiche, insbesondere des Vertriebs, mit der IT. Die Abstimmung ist extrem intensiv“, sagt Derndinger. Bei der Finanzbuchhaltung setzt AWD allerdings auf Standards. Kein SAP-Programm werkelt dort, sondern Navision.

In Zukunft möchte der COO die Prozesse optimieren: „Wir wollen Skaleneffekte nutzen, die IT soll im Vergleich zum Gesamtunternehmen weiterhin unterproportional wachsen, also noch effizienter werden“. Die Möglichkeiten gemeinsamer Entwicklungen von Tochtergesellschaften will Derndinger weiter prüfen. „Wir wollen den Vorsprung im Bereich der Beratungs- und Betreuungssysteme weiter ausbauen, in den Back-Office-Prozessen effizienter zu werden, Informationen für Berater noch schneller verfügbar machen und die Sicherheit in den Abläufen weiter erhöhen.“