IT-Manager wetten

Eine neue "Workforce for the Future"

15.02.2017 von Frank Riemensperger
Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture Deutschland, wettet, dass die Zahl der Beschäftigten aufgrund der Digitalisierung in den kommenden fünf Jahren nicht signifikant sinken wird. Doch die Jobprofile werden sich stark verändern und für Frauen attraktiver.
Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture Deutschland
Foto: Accenture

Es sind Fragen, die uns zunehmend beschäftigen: Wer verrichtet eigentlich in Zukunft die Arbeit in unseren Werken, um industrielle Produkte herzustellen? Wer wird in den Büros unsere Unternehmen verwalten und organisieren? Können uns eines Tages Roboter diese Aufgaben abnehmen, oder verbleiben diese Aufgaben überwiegend bei uns Menschen? Vielleicht übernimmt aber auch eine neue "Workforce" in Form von eingespielten Teams aus Robotern und neu qualifizierten Spezialisten die wertschöpfenden Tätigkeiten.

In fünf Jahren werden wir erkennen können, wohin die Reise geht. Bis dahin werden die Weichen für eine neue "Workforce for the Future" gestellt sein. Unsere Wirtschaft wird dann nicht weniger Menschen brauchen, aber zum Teil ganz andere Qualifikationen und zunehmend neue Berufe.

Doch Hand aufs Herz: Wer hat genug Zeit, um für ganze Wochen oder gar Monate dem Alltag zu entfliehen, um zu lernen und sich weiterzubilden? Wir alle wissen, wie wichtig das lebenslange Lernen und die permanente Weiterqualifizierung sind. Doch angesichts der steigenden Anforderungen im Beruf wird es immer schwieriger, sich für längere Zeit auszuklinken. Im Gegenzug steigt die Bereitschaft, kurzfristig alles stehen und liegen zu lassen, um eine Lösung für ein aktuell auftretendes Problem zu finden. Dann zapfen wir Wikipedia an, um unser Wissen aufzutanken, oder Youtube, um Anleitungen anzuschauen. Microlearning heißt diese Form der schnellen Wissensaneignung.

Damit beherrschen wir zumindest die Ur-Form einer Eigenschaft, die Mitglieder einer künftigen Workforce perfektionieren werden: die jederzeitige Befähigung zu neuen Aufgaben. Wichtig ist diese Kunst, weil wir es künftig mit einem neuen Kollegen zu tun bekommen, der uns noch stärker herausfordern wird als die strengsten Chefs im 20. Jahrhundert. Gemeint ist der Roboter.

Maschinen und Technologie werden immer stärker unser Arbeitsumfeld prägen. Sie werden die Abläufe verbessern, uns Menschen dabei aber nicht ersetzen. Daher müssen wir mit unseren maschinellen Mitstreitern auch kommunizieren können. Und natürlich wollen wir die Komplexität der künstlichen Intelligenz auch beherrschen, um nicht selbst von Maschinen beherrscht zu werden.

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Als Mitglied einer "Workforce for the Future" brauchen wir die Fähigkeit, bessere Mensch-Maschine-Schnittstellen zu entwickeln und anzuwenden. Roboter nehmen ihren menschlichen Kollegen viele monotone, manuelle Tätigkeiten ab. Gleichzeitig entstehen aber neue spannende Arbeitsfelder, die nur wir Menschen besetzen können - zum Beispiel die Entwicklung der Schnittstellen zu den Maschinen.

Angst vor der Automatisierung

Doch so weit denken wir oft noch nicht. Wer heute über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit der Zukunft sinniert, hat meist eher eine ganz einfache Furcht vor Augen: Wenn der Roboter immer mehr Aufgaben übernimmt, bleibt für den Menschen immer weniger Arbeit übrig. Am Ende kommen aus vollautomatischen und menschenleeren Fabriken massenweise Produkte heraus, die kein Mensch mehr kaufen kann, weil Menschen arbeits- und oft auch mittellos geworden sind.

Realistisch ist dieses Szenario aber nicht. Doch die Sorge vor dem Arbeitsplatzverlust aufgrund der zunehmenden Digitalisierung existiert nun einmal und wird sogar von Experten angeheizt. So hat das World Economic Forum prophezeit, dass in den kommenden vier bis fünf Jahren Millionen Jobs durch die vierte industrielle Revolution verloren gehen - allerdings nicht ausschließlich in Deutschland, sondern in den 15 größten Industrienationen.

Falsches Verständnis von Industrie 4.0

Der Trend weist aktuell allerdings in eine andere Richtung. In Deutschland sinkt die Arbeitslosigkeit, obwohl die Unternehmen schon seit einiger Zeit mit der digitalen Transformation beschäftigt sind. Seit Jahrzehnten investiert die Wirtschaft in Software, um Abläufe zu automatisieren und damit die Menschen von Aufgaben in der Verwaltung zu entbinden.

Auch in der Fabrik ist Automatisierung kein Resultat der Industrie-4.0-Technologien. Vielmehr haben wir umfangreiche Automatisierungswellen schon in den 80er Jahren erlebt. Verdrängt wurden monotone, manuelle Tätigkeiten, doch gleichzeitig ist der Bedarf an qualifiziertem Personal gestiegen.

Auch künftig wird die Industrie Chancen zur Automatisierung nutzen und dort, wo Roboter Handgriffe übernehmen, werden Arbeiter überflüssig. Jedoch ist dieser Effekt nicht die eigentliche Zielrichtung der Industrie-4.0-Technologien - schlicht und einfach deshalb, weil der Großteil der Prozesse schon automatisiert ist. Ein Blick in moderne Werke beweist das. Mit beeindruckender Präzision, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit verrichten Maschinen heute Tätigkeiten, zu denen Menschen gar nicht in der Lage wären.

Viel stärker zielt Industrie 4.0 unter anderem auf die Bedienelemente der modernen Maschinen ab. Aus Sicht von Digital Natives erinnern die Oberflächen vieler Automaten heute eher an Computer-Pionierleistungen aus den 80er Jahren und sind damit schlichtweg vorsintflutlich. Fast jeder Teenager hantiert tagtäglich mit moderneren Interfaces auf seinem Smartphone oder Tablet.

Interaktion von Mensch und Maschine

Wichtiger geworden sind die Schnittstellen, weil die Technologien, die in Robotern stecken, eine solche Qualität erreicht haben, dass die Maschinen aus ihren Käfigen gelassen werden können, ohne dass dabei schwere Sicherheitsbedenken aufkommen. Aus Robots werden damit Cobots - sogenannte kollaborierende Roboter. In einer Umfrage unter 500 Entscheidern aus Unternehmen in Asien, Europa und den USA äußerte die große Mehrheit (85 Prozent) der Befragten die Ansicht, dass im Bereich Produktion zunehmend in die Interaktion von Mensch und Maschine investiert wird und künftig kollaborative oder komplett autonome Maschinen den Menschen in der Fabrik unterstützen.

Somit werden künftig andere Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine die Effizienz in den Werken erhöhen. Zunächst werden es noch Smartphones oder Tablets sein, die dafür genutzt werden. Doch bald schon sind es Wearables, also vernetzte Datenbrillen, Helme oder Handschuhe, die zum ständigen Bindeglied zwischen Arbeiter und Roboter werden. Mit ihnen ist der Mensch schneller in der Lage, die Maschine neben ihm zu verstehen und Probleme zu lösen.

Diese neue Industrial Connected Workforce wird aber nicht nur in Werkshallen anzutreffen sein. Auch in den Büros ist eine verbesserte Schnittstelle zu den umgebenden Softwaresystemen ein Mittel zur Effizienzsteigerung. Das liegt nicht nur daran, dass die Systeme komplexer werden und Mitarbeiter einfachere Zugangsbedingungen brauchen, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen oder Probleme besser beheben zu können. Auch Big Data ist ein Motiv für die engere Vernetzung von Mensch und Maschine. Die Analyse großer Datenmengen wird mehr Informationen liefern, die den Angestellten im Büro unterstützen. Die Folge sind halbautomatische Prozesse - so zum Beispiel Entscheidungen, die von der Maschine vorbereitet und vom Menschen getroffen und umgesetzt werden.

Nahezu überall im Unternehmen wird die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine enger, weil Technologien im Hintergrund Aufgaben erledigen, die bisher von Mitarbeitern bewältigt wurden oder zuvor schlichtweg nicht möglich waren. Zum Teil wird Personal dadurch entbehrlich und abgebaut, vielfach entstehen aber durch die Technik neue Perspektiven und Chancen, die zusätzliche Mitarbeiter mit neuen Kompetenzen erfordern. So sind zum Beispiel für die Analyse von großen Datenmengen neue Qua­lifikationen erforderlich. Entstanden sind Berufs­bilder wie Data Scientist oder Data Artist.

Neue Berufe und neue Qualifikationen

Auch Experten für Kundenerfahrung, für das sogenannte Customer Experience Design, werden benötigt, weil im Zuge der digitalen Transformation neue, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln sind, bei denen der Erfolg von den Nutzererlebnissen abhängt. Es ließen sich noch etliche Beispiele für weitere Berufe finden. Doch wichtiger ist die Erkenntnis, dass die Digitalisierung auch alle bestehenden Berufe in irgendeiner Form verändern wird. In Zukunft werden nahezu alle Jobs eine digitale Komponente haben.

Darüber, welche Berufe eine Zukunft haben und welche nicht, gibt es umfangreiche Untersuchungen. So haben beispielsweise die US-Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der Universität Oxford in ihrer Studie "The Future of Employment" erforscht, wie hoch die Wahrscheinlichkeit der Automatisierung in bestimmten Berufsfeldern ist. Danach arbeiten 47 Prozent der Beschäftigten in den USA in Berufen, die innerhalb von zehn bis 20 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 70 Prozent automatisiert werden können. Kassiererinnen müssen zu 97 Prozent und LKW-Fahrer zu 98 Prozent damit rechnen.

Je mehr kreative und soziale Intelligenz notwendig ist, desto geringer ist hingegen die Wahrscheinlichkeit der Automatisierung. Bei Sozialarbeitern, Lehrern und Allgemeinmedizinern beträgt sie lediglich ein Prozent.

Die entscheidende Frage

Die Frage, an der sich die Geister nun scheiden, ist, ob im Zuge der Digitalisierung mit zunehmender Automatisierung mehr Arbeitsplätze verloren gehen als neue entstehen. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass gerade in einer Gesellschaft, die stark von digitalen Diensten geprägt ist, neue immaterielle Bedürfnisse entstehen, die nur durch neue Berufsbilder befriedigt werden können. Diese erfordern viel soziale, emotionale und kreative Intelligenz, können also nicht automatisiert werden.

Digitalisierung eröffnet Frauen große Karrierechancen

Die Arbeit für den Menschen verschwindet also nicht, aber sie verändert sich stark und erfordert neue Kompetenzen. So stellt sich nicht die Frage, was wir noch arbeiten können, sondern eher, ob die neuen Qualifikationen schnell genug bereitgestellt werden können und wir unsere Aus- und Weiterbildungsprogramme konsequent genug anpassen.

Derzeit geht es für Unternehmen, die im Wett­bewerb stehen, vor allem darum, kreative Menschen für die neuen Aufgaben und Berufe zu finden und zu begeistern. Dabei richten sich die Blicke oft auf Frauen. Digitale Kompetenzen sowie neue berufliche Möglichkeiten, die durch die digitale Transformation entstehen, helfen besonders Frauen, ihre Karriereaussichten zu verbessern und die nötigen Voraussetzungen für den beruflichen Aufstieg zu schaffen. Das ist das Ergebnis einer Accenture-Studie zur Gleichberechtigung am Arbeitsplatz durch digitale Fähigkeiten.

Frauen erreichen höhere Bildungsniveaus als Männer

In 16 der 31 untersuchten Länder erreichen Frauen ein höheres Bildungsniveau als Männer - unter anderem, weil sie digitale Technologien effektiver nutzen. Zudem eröffnen sich neue berufliche Chancen für Frauen, weil sie dank der Digitalisierung flexibler arbeiten können. In Deutschland sind 61 Prozent der Frauen und Männer überzeugt, dass digitale Technologien es Frauen einfacher machen, eine Beschäftigung aufzunehmen und auf Dauer am Berufsleben teilzunehmen. An mehr Flexibilität im Beruf und eine bessere Work-Life-Balance dank der Digitalisierung glauben 53 Prozent.

Eine weitere Folge der Digitalisierung ist, dass Frauen sich nun zunehmend für IT-Berufe interessieren, weil sie die neuen Qualifikationsfelder häufig als attraktiver empfinden. So wird beispielsweise das Berufsfeld des Digital Artist oft von Frauen gewählt. Zu ihren Aufgaben gehört es, Benutzeroberflächen und damit Mensch-Maschine-Schnittstellen zu gestalten. Es ist einer der Berufe aus dem Zentrum der "Workforce for the Future", genau dort, wo sehr viele Arbeitsplätze durch den digitalen Wandel entstehen werden - mehr jedenfalls, als manch einer heute denkt.

Ich freue mich auf Ihr Feedback!

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