Asklepios

Einheits-IT nach Privatisierung

16.02.2007 von Lars Reppesgaard
Seit Anfang 2005 gehört der Landesbetrieb Krankenhaus LBK in Hamburg der Privatklinikkette Asklepios. Für IT-Chef Uwe Pöttgen heißt das, die IT zu vereinheitlichen. Das Projekt „OneIT“ soll Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Dass Uwe Pöttgen zu wenig zu tun hat, lässt sich wahrlich nicht sagen. Termine mit ihm sind schwer zu bekommen, aber wenn er aufzählt, welche Baustellen er derzeit gleichzeitig betreut, verwundert das nicht. Als Leiter Zentrale Dienste der Klinikkette Asklepios Gruppe ist er für die IT-Strategie des Konzerns zuständig. Zudem trägt er die operative IT-Verantwortung für das „Future Hospital“ auf dem Gelände des Klinikums Barmbek in Hamburg. Seit fünf Jahren ist Pöttgen bei Asklepios bis Ende des Jahres mit seinem bisher wohl größten IT-Projekt beschäftigt – „OneIT“genannt.

In den sieben Kliniken des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), die seit Anfang 2005 zum Asklepios-Konzern gehören, will er die wild gewachsene Hardware- und Anwendungslandschaft bis Ende 2006 durch eine zentral gesteuerte IT-Infrastruktur ablösen. Als Asklepios den Verbund LBK dem Land Hamburg 2004 abkaufte, stand Pöttgen vor einem Flickenteppich. „Nicht einmal in den einzelnen Krankenhäusern waren die Systeme homogen, einige Rechner liefen in dezentralen Windows-NT-Domänen, andere arbeiteten auf
Basis von Novell“, erinnert er sich.

LBK-Verbund auf SAP trimmen

Eine seiner ersten Aufgaben bestand darin, den LBKVerbund IT-seitig auf SAP zusammenzuführen. Das Rückgrat der Hospitale ist heute ein Krankenhausinformationssystem, das aus den SAP-Modulen SAP-ISH und SAP ISH-MED und einigen Zusatzanwendungen besteht. „Mit der Eröffnung unseres Krankenhausneubaus in Barmbek haben wir diese Systemwelt das erste Mal implementiert“, sagt Pöttgen. „Barmbek war eine Blaupause, wir haben dabei viel für den Roll-out in den anderen Häusern gelernt.“

Nun folgt die zweite Herkules-Aufgabe: Die Infrastruktur des LBK besteht aus 5500 Endgeräten. Der Maschinen-Mix wurde im Laufe der Jahre nach und nach beschafft und miteinander vernetzt. Die Ärzte setzen 200 verschiedene Applikationen ein, Spezialanwendungen für die Diagnose oder die Dokumentation in Bereichen wie der Pathologie oder der Radiologie. Hier Ordnung zu schaffen ist nicht leicht. „Die Fachapplikationen sind das Handwerkszeug der Ärzte“, sagt Pöttgen. „Also können und wollen wir niemandem etwas aufzwingen.“

Im Rahmen einer Ist-Analyse nahmen die Mitarbeiter in den Krankenhäusern jeden PC und Server unter die Lupe und erfassten, welche Anwendungen auf ihnen liefen. Nach dieser Bestandsaufnahme entwickelten Pöttgen und seine Mitarbeiter eine Maßnahmenkatalog, in dem sie auch die unterschiedlichen Prioritäten für die einzelnen Vorhaben festschrieben.

Homogenisieren, wo es nicht auffällt

Die Zentraleinheit IT gibt den Takt vor. Sie besteht aus 15 Mitarbeitern. Dazu kommen 64 IT-Profis, die direkt in den LBK-Krankenhäusern arbeiten. Die Strategie von Asklepios ist es, dort für Homogenität zu sorgen, wo es dem Anwender kaum auffällt. Ein Fünftel der Geräte wird im Zuge von „OneIT“ ausgetauscht, die übrigen nach und nach auf die Grundlage von Windows XP gehoben und mit der Zentrale vernetzt. „Vorher werden lokale Daten gesichert“, sagt Pöttgen. Die Daten auf den dezentralen Servern migriert er über eine Mapping-Tabelle in ein neues zentrales File-System: „Das Ziel von OneIT ist neben der Standardisierung der Clients, dass es keine dezentrale Datenhaltung mehr gibt.“

Zu dem Vorhaben gehört auch ein zentrales Speicherkonzept, damit die gigantischen Datenmengen, die im Medizinbereich anfallen, nicht für Asklepios irgendwann zum Problem werden. Im LBK-Verbund werden pro Jahr sechs Terabyte Daten produziert. Vor allem die Digitalisierung der Bilderproduktion der Computertomografen und anderer Diagnosegeräte ist hierfür verantwortlich. „Healthcare ist der Wachstumsbereich schlechthin für die Speicherbranche“, sagt Pöttgen lakonisch.

Die Datensicherung und die Systempflege, der Schutz vor IT-Attacken und der schnelle Umbau der Infrastruktur bei Bedarf sind die Vorteile, die sich Asklepios von diesem Schritt verspricht. „Wir erwarten, dass sich OneIT in zwei Jahren amortisiert hat“, sagt der IT-Experte. Das Projekt liegt im Plan. Und mit den ersten absehbaren Erfolgen im Rücken, die im IT-Bereich signifikante Synergien versprechen, kann es sich Asklepios leisten, auch an einigen Stellen Flexibilität zu zeigen. Die ist zum Beispiel dort nötig, wo die Ärzte an bestimmte Fachanwendungen gewöhnt sind. Trotz der Moderation der Zentrale gelingt es den Fachabteilungen der sieben Krankenhäuser nicht immer, sich auf die Applikation zu einigen, die später in allen Häusern Standard sein soll. „In einigen Fällen laufen dann zwei Anwendungen. Jedes Haus sucht sich die aus, die es für geeignet hält“, sagt Pöttgen. „Das ist kein Beinbruch.“

Zahl der Anwendungen senken

Man nimmt ihm ab, dass dies kein Lippenbekenntnis ist. Die Zahl der Anwendungen sinkt auch auf diesem Weg, wenn auch weniger schnell als durch einen radikalen Schnitt. Dafür ziehen die Betroffenen mit. Das passt zu Pöttgens Selbstverständnis. „Wir arbeiten unterstützend im Hintergrund. Die Ärzte sind es, die mit dem Patienten arbeiten“, sagt er.

Unter dieser Prämisse will er auch das Future Hospital verstanden wissen. Der Neubau des Krankenhauses Barmbek hatte Asklepios die Chance eröffnet, ein komplettes Gebäude so zu gestalten, dass es optimal für E-Health-Anwendungen ausgelegt ist. „Die Arbeit der Ärzte und Pflegekräfte ist sehr stark von der Dokumentation geprägt“, sagt er. „Wenn wir sie hier entlasten können, haben wir viel geschafft.“

Das 676 Betten große Klinikum ist das Flaggschiff des Konzerns. Als Referenzkrankenhaus für telemedizinische Anwendungen spielt es eine ähnlich wichtige Rolle wie der „Future Store“ der Metro-Group bei der Warenlogistik.

Die Klinikärzte tragen bei der Visite einen von insgesamt 150 mobilen Computern ans Krankenbett. Über 700 Zugriffspunkte spannt sich ein drahtloses WLANNetz, über das die relevanten Befunde, Röntgenbilder und andere Daten aus dem zentral vorgehaltenen Pool an das Krankenbett gelangen. Auch das digitale Bildarchiv ist nicht mehr wie früher auf mehrere Server im Krankenhaus verteilt. Die Speicherplatten für radiologische Befunde sind in ein Rechenzentrum ausgelagert, das auch von den anderen Asklepios-Häusern in Hamburg genutzt wird.

Ende des Dokumenten-Durcheinanders

Auch die digitalen Fallakten, die in Barmbek zum Einsatz kommen, sollen bald Asklepios-weit genutzt werden. Ihre technische Basis ist die „e-Health Interoperability-Plattform“ (eHIP), die auf dem SAP IS-H-System aufsetzt. Wird ein Patient eingeliefert, erfassen die Mitarbeiter seine Daten. Der Datensatz wird nun direkt in SAP angelegt und zentral gespeichert, kann aber überall, wo er benötigt wird, abgerufen werden. Dadurch wird das Dokumenten-Durcheinander kleiner.

Niedergelassene Ärzte bekommen mit einer Chipkarte, einem Kartenleser und einem Passwort Zugriff auf sämtliche Arztbriefe und Befunde ihrer Patienten. Auch dies hilft, Dokumentations- und Kommunikationsfehler zu vermeiden. Das Portal wird derzeit getestet.

Ob wirklich alle Mediziner, die Patienten an eine der Asklepios-Kliniken in Deutschland einweisen, die Technologie nutzen werden, ist noch ebenso ungewiss wie die Akzeptanz der eHIP-Plattform über den Konzern hinaus. Für Pöttgen ist es aber nicht primäres Ziel, als technologischer Schrittmacher zu agieren: „Barmbek ist kein Experimentierfeld, es geht darum, Dinge im Prozess auszuprobieren.“ Wenn nun etwa die Transpondertechnologie erprobt wird, ist das kein RFID-Test, sondern ein Versuch, Blutkonserven zu markieren oder die Dokumentationsprozesse etwa bei der Lagerung und der Vergabe extrem teurer Medikamente neu zu gestalten. „Wenn wir es schaffen, dem Arzt die Informationen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die er braucht, hat die IT ihre Aufgabe getan“, sagt er. „Mehr wollen wir gar nicht.“