Veränderungsdruck durch IoT und Industrie 4.0

ERP-Anwender brauchen einen neuen Plan

12.05.2016 von Martin Bayer
Die ERP-Systeme in den Unternehmen müssen sich massiv verändern, um mit den neuen Anforderungen hinsichtlich der Digitalisierung Schritt halten zu können. Die monolithische Suite ist ein Auslaufmodell, die Zukunft gehört flexiblen Anwendungssystemen. Doch die richtig zu handeln, stellt eine neue ungewohnte Herausforderung für die Anwender dar.

Vielen Firmenverantwortlichen wächst die Komplexität rund um das Enterprise Ressource Planing (ERP) derzeit über den Kopf. In aller Regel treibt das ERP-System als Herz die gesamte Enterprise-Software-Infrastruktur an. Doch an diesem für die Unternehmen lebenswichtigen Kreislauf hängen mittlerweile immer mehr flankierende Systeme.

Nachdem sich in den vergangenen Jahren zunehmend Systeme wie Customer Relationship Management (CRM), Enterprise Content Management (ECM) und Business Intelligence (BI) aber auch E-Commerce- und Webshop-Anwendungen im Umfeld von ERP etabliert haben - und natürlich auch entsprechend integriert werden mussten -, erweitern sich die Software Infrastrukturen in den Anwenderunternehmen derzeit um eine völlig neue Dimension - mit neuen Herausforderungen.

Neue Techniken und Lösungen aus den Bereichen des Internet of Things (IoT) sowie Industrie 4.0 sorgen dafür, dass immer mehr Geräte, Produkte, Maschinen und Produktionsanlagen vernetzt werden. Das bedeutet allerdings auch, dass diese Systeme mit in die bestehenden IT-Infrastrukturen eingebettet werden müssen. Schließlich geht es darum, mit den neu hinzu gewonnenen Informationen und entsprechenden Analysen einen Mehrwert für das eigene Business zu schaffen - sei es durch einen effizienteren Produktionsprozess, besseren Service oder zusätzliche Erkenntnisse für die Entwicklung.

Das Internet der Dinge gehört zum Alltag

Für viele Unternehmen wird das Internet der Dinge 2016 Alltag, haben die Analysten von Gartner jüngst im Rahmen einer Studie herausgefunden. Zwar nutzten derzeit mit 29 Prozent noch weniger als ein Drittel der Unternehmen das IoT, doch deren Zahl wird in nächster Zukunft deutlich zulegen, so die Prognose. Wie aus den Antworten von 465 IT- und Business-Managern aus 18 Industriesektoren in Nordamerika, der Region EMEA, dem asiatisch-pazifischen Raum und Lateinamerika hervorging, soll die Zahl der Organisationen, die IoT nutzen, in diesem Jahr um die Hälfte auf 43 Prozent wachsen, zusätzliche 21 Prozent planen die Einführung nach 2016.

Dabei liegt der Fokus der IoT-Projekte Gartner zufolge bei den bereits umgesetzten IoT-Vorhaben primär (52 Prozent) darauf, interne operative Prozesse zu verbessern, mehr Effizienz zu erzielen, Kosten einzusparen und die eigenen Anlagen besser auszulasten. Doch diese Ziele auch tatsächlich zu erreichen, ist alles andere als trivial. Anwender müssen sich im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge auch einer Reihe von Herausforderungen stellen. Teilnehmer, die bereits ein IoT-Projekt umgesetzt haben, sehen Cybersecurity, Integration und die Verwaltung von Geschäftsanforderungen als größte Probleme, während IoT-Neulinge die Orchestrierung der Workflows und Prozesse als größte Herausforderung nannten.

Eine Frage der richtigen Integration

Die Ergebnisse der Gartner-Umfrage machen deutlich, dass die Unternehmen derzeit vor allem damit beschäftigt sind, IoT und Industrie 4.0 richtig in ihre bestehenden Prozesse und Infrastrukturen zu verankern. Bei dieser Aufgabe geht es aus Sicht der Analysten jedoch nicht allein darum, neue Technik an alte Technik anzuflanschen. Vielmehr müssten auch die bestehenden Systeme auf den Prüfstand und gegebenenfalls modernisiert werden, postulieren die Gartner-Analysten. Die steigende Komplexität - gerade auch im ERP-Umfeld - erfordert eine moderne Integrationsstrategie, so das Credo der Analysten.

IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
Im Zukunftsmarkt des Internet of Things (IoT) bringt sich nahezu jeder große IT-Hersteller in Stellung. Manchmal ist der Marktzugang nachvollziehbar, manchmal werden auch Nebelkerzen geworfen und vorhandene Produkte umdefiniert. Wir geben einen Überblick über die Strategien der wichtigsten Player.
Microsoft
Wie über 200 andere Unternehmen war der Softwarekonzern bis vor kurzem Mitglied in der von Qualcomm initiierten Allianz AllSeen und wechselte kürzlich in die neu formierte Open Connectivity Foundation. Deren Ziel ist die Entwicklung einer einzelnen Spezifikation oder zumindest eines gemeinsamen Sets an Protokollen und Projekten für alle Typen von IoT-Geräten.
Microsoft
Auf Client-Seite fungiert Windows 10 IoT Core als mögliches Betriebssystem für industrielle Geräte. Das Beispiel zeigt ein Roboter-Kit.
Microsoft
Als Cloud-Plattform stellt Microsoft die Azure IoT-Suite bereit. Diese enthält bereits einige vorkonfigurierte Lösungen für gängige Internet-of-Things-Szenarien. Mit dem Zukauf des italienischen IoT-Startups Solair wird das Portfolio erweitert.
Amazon
Das Portfolio erstreckt sich mit AWS Greengrass bis in den Edge-Bereich. So können IoT-Devices auf lokale Ereignisse reagieren, lokal auf die von ihnen erzeugten Daten wirken können, während die Cloud weiterhin für Verwaltung, Analyse und dauerhafte Speicherung verwendet wird.
IBM
Im März 2015 hat Big Blue mitgeteilt, über die nächsten vier Jahre rund drei Milliarden Dollar in den Aufbau einer IoT-Division zu investieren. Sie soll innerhalb des Unternehmensbereichs IBM Analytics angesiedelt sein. IBM will hier neue Produkte und Services entwickeln. Im Zuge dessen wurde auch die "IBM IoT Cloud Open Platform for Industries" angekündigt, auf der Kunden und Partner branchenspezifisch IoT-Lösungen designen und umsetzen können.
Intel
Obwohl sich Intel mit seinen Ein-Prozessor-Computern "Galileo" und "Edison" im Bereich der Endgeräte für das Zeitalter von Wearables und IoT schon gut gerüstet sieht, will das Unternehmen mehr vom Kuchen. "Das Internet of Things ist ein End-to-End-Thema", sagte Doug Fisher, Vice President und General Manager von Intels Software and Services Group, zur Bekanntgabe der IoT-Strategie vor einem halben Jahr. Deren Kernbestandteil ist demnach ein Gateway-Referenzdesign, das Daten von Sensoren und anderen vernetzten IoT-Geräten sammeln, verarbeiten und übersetzen kann.
Intel
Im Zentrum der IoT-Strategie des Chipherstellers steht eine neue Generation des "Intel IoT Gateway". Auf Basis der IoT Plattform bietet Intel eine Roadmap für integrierte Hard- und Software Lösungen. Sie umfasst unter anderem API-Management, Software-Services, Data Analytics, Cloud-Konnektivität, intelligente Gateways sowie eine Produktlinie skalierbarer Prozessoren mit Intel Architektur. Ein weiterer maßgeblicher Bestandteil der Roadmap ist IT-Sicherheit.
SAP
Bei der SAP IoT-Plattform "HANA Cloud Platform for IoT" handelt es sich um eine IoT-Ausführung der HANA Cloud Platform, die um Software für das Verbinden und Managen von Devices sowie Datenintegration und -analyse erweitert wurde. Die Edition ist integriert mit SAPs bereits vorgestellten IoT-Lösungen "SAP Predictive Maintenance and Service", "SAP Connected Logistics" und "Connected Manufacturing".
Hewlett-Packard
HP hat Ende Februar 2015 seine "HP Internet of Things Platform" präsentiert. Das Unternehmen richtet sich damit an "Communications Service Providers", die in die Lage versetzt werden sollen, "Smart Device Ecosystems" zu schaffen - also in ihren Netzen große Mengen an vernetzten Produkten und Endgeräten zu verwalten und die entstehenden Daten zu analysieren.
PTC
Mit der Übernahme von ThingWorx konnte der amerikanische Softwareanbieter PTC zu Beginn vergangenen Jahres zum Kreis der vielversprechendsten Internet-of-Things-Anbieter aufschließen. Das Unternehmen bietet mit "ThingWorx" eine Plattform für die Entwicklung und Inbetriebnahme von IoT-Anwendungen in Unternehmen an.

Gelingt es den Unternehmen nicht, die anstehenden Integrationsaufgaben strategisch anzupacken und in den Griff zu bekommen, drohen Komplexität und damit auch die Kosten aus dem Ruder zu laufen, warnen die Experten. All die Vorteile, die IoT und Industrie 4.0 versprechen, könnten damit zunichte gemacht werden. Ein solches Szenario ist aus Gartner-Sicht gar nicht so unwahrscheinlich. Die Analysten gehen davon aus, dass bis 2018 in neun von zehn Unternehmen eine Integrationsstrategie für die eigene Applikationslandschaft fehlen wird. Resultat: Unordnung sowie höhere Komplexität und höhere Kosten.

Monolithische Mega-Suiten sind out

Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, sind Renovierungs- und Umbaumaßnahmen erforderlich. "Postmodernes ERP steht für einen fundamentalen Systemwandel", sagt Gartner-Analystin Carol Hardcastle. Der Trend gehe weg von den monolithischen Mega-Suiten einzelner Anbieter hin zu lose gekoppelten und miteinander zu einem ERP-System verbundenen Funktionsbausteinen. "Eine solche Umgebung verspricht mehr Flexibilität und Agilität", sagt Hardcastle, aber eben nur, wenn es auch gelinge, die damit verbundene Komplexität in den Griff zu bekommen.

Die Infrastruktur in den Unternehmen verändert sich also. Die Mehrheit der Organisationen operiert in hybriden Landschaften, die das Applikationsportfolio insgesamt komplexer machen. Gründe dafür sind neue Herausforderungen in Sachen Integration, Analytics und Governance. Die Verantwortlichen müssten sich darüber im Klaren sein, dass der Weg zu einem modernen ERP nicht einfach ist, mahnt die Gartner-Analystin. Den Organisationen mit ihren monolithischen ERP-Stacks fehle in aller Regel das notwendige Knowhow, agile ERP-Systeme aufzubauen und zu betreiben. Außerdem mangele es an einer Integrationsstrategie. Anzunehmen, dass die Softwarehersteller dafür sorgen, sei naiv, meint Hardcastle. Das tun die Anbieter nicht, und letzten Endes müssten sich die Anwenderunternehmen selbst darum kümmern.

Fehler im ERP-Backbone sind gefährlich

Gefahren, sich bei der Modernisierung zu verzetteln, drohten aus Sicht Gartners auch noch an anderer Stelle. Derzeit würden vier von zehn Unternehmen bimodale IT-Strukturen etablieren - die überwiegende Mehrheit der anderen würde in den kommenden drei Jahren folgen. Das heißt, ein Teil der IT kümmert sich möglichst effizient um den Legacy-Betrieb, wo sich wenig verändert. Der andere Teil agiert wendig und flexibel, um möglichst zügig neue Techniken in Betrieb zu nehmen, die auch schnell das Business unterstützen beziehungsweise neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen.

Soweit zumindest die Theorie. In der Realität tauchen oft Probleme auf - nicht weil es zu schnell geht, sondern weil die Unternehmen nicht genau wissen, welchen Modus sie welchem IT-Bereich zuweisen sollen. Die Risiken im Zuge einer schlampigen Bi-Modal-Zuweisung - gerade auch hinsichtlich der unternehmenskritischen Kernsysteme - dürften Gartner zufolge nicht unterschätzt werden. Fehler und Fehlfunktionen organisatorischer, technischer oder prozessualer Natur im ERP-Backbone könnten die Folge sein, und damit das gesamte Geschäft eines Unternehmens in Schieflage bringen.

Gartner: 10 Technologie-Trends für 2016
10 Technologie-Trends für 2016
Welche Trends prägen IT und Technik im kommenden Jahr – diese Frage beantwortet jetzt der US-Marktforscher Gartner in dem Papier „Gartner identifies the top 10 strategic technology trends for 2016“.
1. Endgeräte-Mischmasch
Gartner fasst unter diesem Punkt die wachsende Menge mobiler Geräte zusammen. Es geht dabei nicht nur um Smartphone und iPad, sondern auch um Wearables (etwa zum persönlichen Gesundheits-Management), klassische Consumer-Geräte und Devices für das vernetzte Zuhause sowie Geräte im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge. Aufgabe von Anbietern jeglicher Services und Gadgets ist es, die Interoperabilität dieses Mischmasch zu ermöglichen.
2. Erfassung der unmittelbaren Umgebung
Die Welt ist immer weniger, was sie scheint – beziehungsweise die IT verändert die Wahrnehmung dieser Welt in Richtung Augmented Reality und virtuelle Welten. Noch aber stehen der genussvollen Nutzererfahrung Medienbrüche im Wege. Unter den unabhängigen Software-Vendoren werden sich bis 2018 die durchsetzen, die diese Medienbrüche am besten kitten können.
3. 3D-Druck
Längst geht es bei 3D-Druck nicht mehr nur um Dinge wie Ersatzteile für Maschinen. Tüftler sprechen bereits von biologischem Material wie etwa menschlicher Haut, die per 3D-Druck hergestellt werden kann. Gartner erwartet im allerdings schwammig formulierten Segment „3D-druckfähige Materialien“ bis 2019 ein jährliches Wachstum von 64 Prozent.
4. Ordnung in der allumfassenden Information
Inhaltliche Daten etwa aus Dokumenten, Audiodaten, Videodaten, Daten von Sensoren – die ganze Welt wird datentechnisch erfasst, aber noch fehlen Menschen, die diese Daten in nützliche Zusammenhänge setzen. Diese Menschen brauchen semantische Tools. Gartner schreibt „Information of Everything“ bereits als eine Art neuer Strategie aus, die dieses Thema angehen wird.
5. Lernende Maschinen
In seinen „Robotermärchen“ schreibt der polnische Autor Stanislav Lem über die Urweltmaschinen, die die denkenden Maschinen erzeugten, die wiederum die gescheiten Maschinen erzeugten bis zu den vollkommenen Maschinen. Gartner scheint einer ähnlichen Logik zu folgen. Smarte Maschinen werden das klassische Computing hinter sich lassen und mittels Deep Neural Nets (DNN) selbstständig lernen können.
7. Lernfähige Sicherheitsarchitekturen
Während CIOs zunehmend Cloud nutzen und offene Schnittstellen schaffen, um Partner, Lieferanten und Kunden besser zu integrieren, schläft auch die Hacker-Branche nicht. In Sachen Security müssen sich Unternehmen lernfähiger zeigen.
8. Lernfähige System-Architekturen
Was für die Sicherheits-Architekturen gilt, betrifft auch die System-Architekturen. Gartner schreibt von neuro-morphologischen Architekturen, die das Zusammenspiel all der Hardware (stationär und mobile) und den Daten von Sensoren und aus anderen Quellen ermöglichen soll. CIOs werden verstärkt mit Field-programmable Gate Arrays (FPGAs) operieren. Salopp formuliert: Die IT-Systeme gleichen sich immer stärker der Funktionsweise eines menschlichen Gehirns an.
9. App und Services-Architekturen
Die Zeit monolithischen Anwendungs-Designs ist vorbei. Die Architektur der Zukunft orientiert sich an Apps und Services. Sie funktioniert Software-definiert und soll dadurch mehr Agilität und Flexibilität ermöglichen. Stichworte sind hier Microservices und Container.
10. Plattformen für das Internet der Dinge
Die genannten neuen Architekturen erfordern neue Plattformen, das Internet der Dinge steuert weitere Anforderungen bei. CIOs müssen ihre aktuellen Plattformen überprüfen, was keine leichte Aufgabe sein wird, so Gartner. Denn: Der Anbietermarkt für geeignete Plattformen ist schwer zu durchschauen, von Standardisierung kann bei diesem ganzen Thema noch keine Rede sein. Vor 2018 wird das auch nicht besser, schätzt Gartner.

Grundsätzlich gelte es für die Unternehmen, ihre ERP-Strategie zu hinterfragen. "ERP-Lösungen gibt es bereits seit Jahrzehnten im Markt", konstatiert Hardcastle. Doch immer noch stünden viele ERP-Projekte in der Kritik, vor allem wenn man Zeit- und Kostenaufwand mit den Business-Resultaten vergleiche. Die IT müsse allen Versuchungen widerstehen, um nicht vorschnell unter dem Druck des Business einzuknicken und überhastet eine neue ERP-Architektur einzuziehen, noch bevor die Organisation reif dafür ist. Auf der anderen Seite müsse auch die Business-Seite realisieren, dass es eine gewisse Vorbereitung brauche, um den Erfolg einer neuen ERP-Strategie sicherzustellen. Systemintegratoren und Softwarehersteller müssten dies respektieren und ihre Kunden in diesem Prozess auch unterstützen.

In den kommenden Jahren werden die Unternehmen ihre ERP-Investitionen stärker hinterfragen und daraufhin prüfen, was es an Mehrwert für das Business bringt, prognostiziert Gartner. Außerdem würden verstärkt neue Lösungen und alternative Deployment-Modelle wie Cloud-Computing in die Überlegungen und Pläne mit eingebunden. Mit den schlechten Praxisbeispielen der Vergangenheit und den damit verbundenen Ausreden für mangelnden Businesserfolg kämen die Verantwortlichen in Zukunft nicht mehr durch, sagt Hardcastle.

Der Fokus moderner ERP-Systeme liegt darauf, das Geschäft agiler und flexibler zu machen. Das gelinge, wenn Lösungen und Services besser auf die Belange des Business und der User ausgerichtet sind. "Es ist wirklich an der Zeit, dass die Unternehmen endlich die Früchte ihrer massiven ERP-Investitionen aus der Vergangenheit ernten", mahnt die Analystin an.

Top-Themen: Konsolidieren und harmonisieren

Bis es soweit, scheint indes auf Anwenderseite noch einiges zu tun. Das hat einmal mehr die jüngste Umfrage der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) gezeigt. Zwar charakterisierte mehr als jeder dritte SAP-Anwender (36 Prozent) Investitionen in neue Geschäftsmodelle im Rahmen der digitalen Transformation als wichtig beziehungsweise sogar als sehr wichtig. Vor einem Jahr waren es gerade einmal 12,5 Prozent.

"Neue Geschäftsmodelle und -prozesse sind wichtig, um im Wettbewerb gegen innovative und agile Start-ups zu bestehen", konstatierte der Vorstandsvorsitzende der DSAG Marco Lenck. Doch trotz aller Beteuerungen, sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen zu wollen, stehen im SAP-Umfeld nach wie vor die Klassiker und die Kernprozesse im Fokus der Anwender. Die wichtigsten Investitionsfelder, in die die SAP-Budgets fließen, sind Logistik (46 Prozent der Nennungen), Marketing/Vertrieb/CRM (40 Prozent) und das Finanzwesen (32 Prozent). Die SAP-Projekte der DSAG-Mitglieder drehen sich dabei vornehmlich um Themen wie Rollouts, Konsolidierung und Harmonisierung. "Es sind die Kernprozesse, in die investiert wird", stellte Lenck mit Blick auf die Umfrageergebnisse fest.

DSAG Investitionsumfrage 2016
Schwerpunkte bei SAP-Investitionen
Rollout, Konsolidierung, Harmonisierung - das sind wie schon in den vergangenen Jahren die Schwerpunkte der SAP-Investitionen seitens der Anwender. Während das Interesse an HANA und S/4HANA langsam wächst, sind SAPs Cloud-Angebote noch lange nicht im Markt angekommen.
Digitale Transformation
Investitionen in die Digitalisierung der Geschäftsmodelle und Prozesse werden wichtiger, sagen vier von fünf befragten SAP-Anwenderunternehmen.
Wer entscheidet über SAP-Investitionen?
Der Einfluss der Fachbereiche wird größer. In mehr als der Hälfte aller Unternehmen entscheiden IT- und Fachbereichs-Verantwortliche gemeinsam, wohin SAP-Investitionen fließen. Wo das nicht der Fall ist, hat meist noch die IT das Sagen - bis auf die Schweiz. Hier schwindet die Macht der IT-Abteilung.

Tiefgreifende Veränderungen der ERP-Architekturen sind derzeit nicht abzusehen. Auch das wird im SAP-Umfeld deutlich. Das ERP-Gravitationszentrum in den Anwenderunternehmen bildet nach wie vor die klassische Business Suite. "Die Business Suite ist der Investitionsschwerpunkt", sagte Lenck, "und wird es auch auf Jahre hinaus auch bleiben". Aus Sicht des DSAG-Vorsitzenden bildet die Suite das Kernstück der Applikationslandschaften in den Unternehmen, das man auch nicht so schnell auswechsle.

Den Cloud-Ambitionen SAPs zeigen die Anwender dagegen noch immer die kalte Schulter. Gerade einmal ein Prozent der im Rahmen der DSAG-Umfrage befragten SAP-Anwender gab an, konkret in die HANA Cloud Plattform (HCP) investieren zu wollen. Auch die anderen Cloud-Produkte der SAP landeten in der Investitionsumfrage mit nur wenigen Prozent der Nennungen abgeschlagen auf den hinteren Plätzen.

Die Geschichte von SAP
2016
Auf der Kundenkonferenz Sapphire kündigte SAP im Mai eine Kooperation mit Microsoft an. Beide Hersteller wollen künftig SAPs In-Memory-Plattform HANA auf Microsofts Cloud-Infrastruktur Azure unterstützen. Microsofts CEO Satya Nadella sagte: "Gemeinsam mit SAP schaffen wir ein neues Maß an Integration innerhalb unserer Produkte."
2016
SAP und Apple wollen gemeinsam native Business-iOS-Apps für iPhone und iPad entwickeln. Experten sehen SAPs Festlegung auf eine mobile Plattform kritisch und monieren fehlende Offenheit. Anwendervertreter reagierten überrascht und verlangten Aufklärung was die neue Mobile-Strategie bedeutet.
2015
Im Sommer verunglückt SAP-CEO Bill McDermott bei der Geburtstagsfeier seines Vaters. Er stürzt mit einem Glas auf der Treppe und verliert nach einer Operation ein Auge. Im Herbst meldet sich der US-amerikanische Manager als wieder voll einsatzfähig zurück.
2015
Im Februar stellt SAP mit S/4HANA eine neue Generation seiner Business-Software und damit den Nachfolger für die Business Suite vor. SAP definiere damit das Konzept des Enterprise Resource Planning für das 21. jahrhundert neu, pries SAP-Chef Bill McDermott die Neuentwicklung. Für den Großteil der Unternehmen dürfte das Produkt noch Zukunft bleiben, konterte die Anwendervereinigung DSAG. Die Prioritäten vieler Kunden lägen eher auf klassischen Projekten rund um das ERP-System.
2014
SAP-Technikchef Vishal Sikka gibt im Mai seinen Posten auf und wird CEO von Infosys. SAP sucht lange einen Nachfolger für Sikka, holt im November schließlich den langjährigen Microsoft-Manager Quentin Clark für diesen Posten.
2012
Die Walldorfer setzen mit dem Kauf des amerikanischen Cloud-Computing-Anbieters SuccessFactors ihren Weg ins Cloud-Geschäft fort – nachdem kurz zuvor Wettbewerber Oracle RightNow übernommen hat. Der Kaufpreis lag mit 2,4 Milliarden Euro über die Hälfte höher als der aktuelle Marktwert. Cloud-Services werden mit der SuccessFactors-Lösung vor allem im Human-Ressources-Umfeld angeboten. Außerdem schnappt sich SAP den weltweit zweitgrößten Cloud-Anbieter für Handelsnetzwerke Ariba für 3,3 Milliarden Euro.
2011
In 2011 ist das Formtief vergessen, die Walldorfer fahren die besten Ergebnisse ihrer Geschichte ein. Die Innovationsstrategie geht auf, auch wenn zwischendurch gezweifelt wurde, ob SAP seinen Kunden nicht davon-sprintet: 2011 implementieren die ersten Kunden die In-Memory-Plattform HANA, immer mehr Kunden nutzen die mobilen Lösungen, die aus dem Sybase-Deal entstanden sind.
2010
Der Paukenschlag: Hasso Plattner reißt mit dem Aufsichtsrat das Ruder herum. Der glücklose Léo Apotheker, der zuvor mit der Erhöhung der Wartungsgebühren viele Kunden vor den Kopf gestoßen hatte, muss gehen. Die neue Doppelspitze aus Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe verspricht den Anwendern wieder mehr Kundennähe. CTO Vishal Sikka wird Vorstandsmitglied und SAP übernimmt Sybase, einen Anbieter für Informationsmanagement und die mobile Datennutzung, zum Preis von etwa 5,8 Milliarden Dollar.
2008
Mit der Erhöhung der Wartungsgebühren von 17 auf 22 Prozent und den Modalitäten des „Enterprise Support“, die viel Aufwand für die Anwender bringen, verärgert SAP seine Kunden massiv. Trotz intensiver Auseinandersetzung auf dem DSAG-Kongress bleibt SAP bei seiner Linie. Mittlerweile ist Léo Apotheker zweiter Vorstandssprecher neben Kagermann. Ende des Jahres beugt sich SAP dem Kundenwiderstand.
2008
Die größte Übernahme in der Unternehmensgeschichte: 2008 kauft SAP den Business-Intelligence-Spezialisten Business Objects für 4,8 Milliarden Euro und wird damit der bisherigen Strategie untreu, aus eigener Kraft zu wachsen. Die Integration mit der eigenen SAP-BI-Palette gestaltet sich aufwendig und wird sich über mehrere Jahre hinziehen. Die 44.000 BO-Kunden sollen dabei helfen, die Kundenzahl bis 2010 auf 100.000 zu steigern.
2007
Über viele Jahre hinweg entwickelt SAP an der SaaS-ERP-Lösung Business byDesign für kleinere Unternehmen. Rund drei Milliarden Euro wurden laut „Wirtschaftswoche“ im Entstehungsprozess versenkt. Trotz der Arbeit von 3000 Entwicklern kommt die Software Jahre zu spät. Obwohl innovativ, hat es die Lösung schwer im deutschen Markt. 2013 wird byDesign ins Cloud-Portfolio überführt.
2006
Mit „Duet“ bringen SAP und Microsoft eine gemeinsame Software auf den Markt, mit der sich MS Office einfach in SAP-Geschäftsprozesse einbinden lassen soll. 2006 wird auch die Verfügbarkeit der neuen Software SAP ERP angekündigt, die auf dem SOA-Prinzip (Service oriented Architecture) basiert.
2003
Abschied des letzten SAP-Urgesteins: Hasso Plattner zieht sich aus dem Vorstand zurück und geht in den Aufsichtsrat, Henning Kagermann wird alleiniger Vorstandsprecher. SAP stellt die Integrationsplattform NetWeaver vor, die Basis für künftige Produkte sein soll. Die Mitarbeiterzahl liegt jetzt bei 30.000.
2002
Der ERP-Hersteller will das bisher vernachlässigte Feld der KMUs nicht mehr dem Wettbewerb überlassen. Auf der CeBIT 2002 stellt SAP mit Business One eine ERP-Lösung für kleine bis mittelständische Unternehmen mit rund fünf bis 150 Mitarbeitern vor. Doch einfach haben es die Walldorfer in diesem Marktsegment nicht. Zu stark haftet der Ruf an den Walldorfern, hauptsächlich komplexe und teure Lösungen für Konzerne zu bauen.
1999
Die New Economy boomt und der E-Commerce hält Einzug bei SAP: Plattner kündigt die neue Strategie von mySAP.com an. Die Software soll Online-Handels-Lösungen mit den ERP-Anwendungen auf Basis von Webtechnologie verknüpfen. Im Vorjahr hatten die Walldorfer ihr Team um die Hälfte verstärkt, jetzt arbeiten 20.000 Mitarbeiter bei SAP. Weil die Kunden beim Umstieg mehr zahlen sollen, gibt es längere Zeit Gegenwind, schließlich werden die Internet-Schnittstellen auch im Rahmen der R/3-Wartung geboten. Derweil ist die Zentrale gewachsen.
1997
Die SAP-Anwender organisieren sich in der Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG), um ihre Interessen gemeinsam besser vertreten zu können. Laut Satzung ist das Ziel des Vereins die „partnerschaftliche Interessenabstimmung und Zusammenarbeit zwischen SAP-Softwarebenutzern und SAP zum Zweck des Ausbaus und der Verbesserung der SAP-Softwareprodukte“.
1997
Der ERP-Hersteller feiert sein 25. Jubiläum, zum Gratulieren kommt Bundeskanzler Helmut Kohl, der im Jahr darauf von Gerhard Schröder abgelöst wird. Der Umsatz liegt bei über sechs Milliarden Mark, das Geschäftsergebnis erstmals über der Milliarden-Grenze. Mehr als zwei Drittel werden im Ausland erwirtschaftet. SAP beschäftigt knapp 13.000 Mitarbeiter und geht an die die Börse in New York (NYSE).
1995
1995 versucht der ERP-Anbieter erstmals, in Zusammenarbeit mit Systemhäusern den Mittelstandsmarkt zu beackern. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis sich mehr mittelständische Unternehmen auf die komplexe Software einlassen wollten. Mit knapp 7.000 Mitarbeitern erwirtschaftet SAP einen Umsatz von 2,7 Milliarden Mark, mehr als doppelt so viel wie noch zwei Jahre zuvor. Rudolf Scharping, damals noch SPD-Parteivorsitzender, kommt zu Besuch.
1993
Shake-Hands zwischen Plattner und Gates. SAP schließt ein Kooperationsabkommen mit Microsoft ab, um das System R/3 auf Windows NT zu portieren. SAP kauft zudem Anteile am Dokumentenmanagement-Anbieter IXOS. Zum ersten Mal überschreiten die Walldorfer die Milliardengrenze beim Umsatz.
1992
Seit 1992 wird R/3 ausgeliefert. Die Walldorfer hatten die Software für die AS/400 von IBM konzipiert, nach Performance-Problemen wich man auf Unix-Workstations mit Oracle-Datenbank im Client-Server-Prinzip aus. Das internationale Geschäft wächst: 1992 verdient die SAP im Ausland schon knapp die Hälfte von dem, was sie in Deutschland einnimmt. Der Gesamtumsatz beläuft sich auf 831 Millionen Mark. 3157 Mitarbeiter sind jetzt für SAP tätig.
1991
In diesem Jahr steigt Henning Kagermann (rechts im Bild), der seit 1982 die Entwicklungsbereiche Kostenrechnung und Projektcontrolling verantwortet, in den Vorstand auf.
1990
SAP übernimmt das Softwareunternehmen Steeb zu 50 Prozent und das Softwarehaus CAS komplett, um das Mittelstandsgeschäft zu verstärken. Die Mauer ist gefallen und die Walldorfer gründen gemeinsam mit Siemens Nixdorf und Robotron die SRS in Dresden. Die Berliner Geschäftsstelle wird eröffnet und SAP hält seine erste Bilanzpressekonferenz ab.
1988
SAP geht an die Börse: Hasso Plattner am ersten Handelstag der SAP-Aktie.
1987
Der erste Spatenstich: Dietmar Hopp startet 1987 den Bau der SAP-Zentrale in Walldorf.
1983
1983 zählt das Unternehmen 125 Mitarbeiter und erwirtschaftet 41 Millionen Mark im Jahr. Nach der Fibu adressiert SAP auch das Thema Produktionsplanung und -steuerung. Beim Kunden Heraeus in Hanau wird zum ersten Mal RM-PPS installiert. Im Jahr zuvor hatten die Gründer von SAP (v.l.: Dietmar Hopp, Hans-Werner Hector, Hasso Plattner, Klaus Tschira) zehnjähriges Jubiläum gefeiert.
1979
SAP setzte sich mit dem Datenbank- und Dialogsteuerungssystem der IBM auseinander: Das war der Auslöser eine die Neukonzeption der Software und Grundstein für SAP R/2. Aus den Realtime-Systemen entstand in den 70iger Jahren das Online Transaction Processing (OLTP). So sahen Anfang der 80iger Jahre die Arbeitsplätze bei SAP aus.
1976
Die Software sollte Lohnabrechnung und Buchhaltung per Großrechner ermöglichen. Anstatt auf Lochkarten wurden die Daten per Bildschirm eingegeben – das nannte sich Realtime und das „R“ blieb über Jahrzehnte Namensbestandteil der Lösungen. Weil die Software erstmals nicht nur für ein Unternehmen entwickelt wurde, sondern universeller einsetzbar war, gilt SAP als Miterfinder des Standardsoftware-Ansatzes. Aber auch der Fußball kam nicht zu kurz: Das Computerteam mit Hasso Plattner und Dietmar Hopp auf dem Feld.
1972
1972 gründen die fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter Claus Wellenreuther, Hans-Werner Hector, Klaus Tschira, Dietmar Hopp und Hasso Plattner das Unternehmen „SAP Systemanalyse und Programmentwicklung“. Sie wollen eine Standardanwendungssoftware für die Echtzeitverarbeitung schaffen, die sich für unterschiedliche Unternehmen nutzen lässt und die Lochkarten ablöst.

Das heißt allerdings nicht, dass sich die Anwenderunternehmen nicht um ihre Anwendungsportfolios kümmern. So haben die Experten von Capgemeini in ihrer Abfrage der wichtigsten IT-Trends für das laufende Jahr festgestellt, dass die Rationalisierung des Applikations-Portfolios auf der Agenda der IT-Verantwortlichen ganz oben steht. Angesichts des Digitalisierungstrends, der viele neue Anwendungen und Apps hervorbringt, gewinne dieser Aspekt massiv an Bedeutung, hieß es. Dabei gehe es zunächst um eine Bestandsaufnahme: Welche Anwendungen laufen im Unternehmen und welche Funktionen decken sie ab? Wo Konzerne 3000 oder 4000 Anwendungen betreiben, ist allein diese Bestandsaufnahme eine Herausforderung. Ziel ist es herauszufinden, welche Funktionen genutzt werden und wo es Überschneidungen gibt, lautet der Rat der Analysten.

Fitness-Kurs für das ERP-System

Auch wenn es sicherlich nicht einfach wird - alle Studie und Umfragen deuten darauf hin, dass die ERP-Systeme in den Unternehmen vor massiven Veränderungen stehen. Im Mittelpunkt aller Bemühungen dürfte die alles entscheidende Frage stehen: Wie wird das ERP-System fit für die anstehende Digitalisierung? Die Lösungen werden von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich aussehen. Der Grad der Digitalisierung in den eigenen Prozesse und Geschäftsmodellen dürfte großen Einfluss darauf haben, inwieweit die Kernsysteme angepackt und verändert werden müssen.

Genauso gilt es zu überlegen, wie weit verzweigt das ERP in die verschiedenen Unternehmensbereiche hineinreicht und welche Altlasten - technischer wie prozessualer Natur - daran hängen. Für die Verantwortlichen gilt abzuschätzen, ob sich eine Modernisierung des gesamten Systems lohnt, oder ob nicht besser der Legacy-Teil abgekapselt und mit möglichst wenig Aufwand am Laufen gehalten wird. Modernisierungen könnten dann mit neuen Apps umgesetzt werden. Doch dafür braucht es eine Plattform, auf der sich diese Anwendungen schnell und flexibel entwickeln sowie mit dem bestehenden ERP-Kern verknüpfen lassen. Oder man setzt gleich den Kurs in Richtung Cloud.