Studie zur ERP-Zufriedenheit

ERP-Spezialisten vor SAP und Microsoft

12.10.2012 von Andreas Schaffry
Je größer das ERP-System, desto unzufriedener sind deutsche Anwender. Spezialanbieter hängen Generalisten wie SAP, Microsoft und Infor ab, so eine Trovarit- Studie.
Bei Kunden schneiden ERP-Spezialanbieter und ERP-Lösungen für den kleineren Mittelstand am besten ab. Bei größeren Firmen liegt X-Trade weit vor SAP, Infor und Co.
Foto: Trovarit

Deutsche Unternehmen vergeben an die eingesetzten ERP-Systeme gute Noten. Die Firmen bewerten ihre ERP-Installationen im Schnitt mit einer 4,13. Die Notenskala reicht von 1 (= mangelhaft) bis 5 (= sehr gut). Die Leistung des ERP-Wartungspartners, sei es der Hersteller selbst oder ein IT-Dienstleister, wird mit einem Durchschnittswert von knapp 4,12 nicht ganz so hoch eingeschätzt.

ERP-Spezialanbieter im Kundenurteil vorn

In beiden Bereichen ist der Zufriedenheitsindex im Vergleich zu 2010 nur leicht gestiegen. Damals lagen die Werte für die Zufriedenheit mit dem ERP-System bei 4,09 und mit dem Wartungspartner bei 4,02. Das ist ein Kernergebnis der Studie "ERP in der Praxis: Anwenderzufriedenheit, Nutzen und Perspektiven" des ERP-Marktanalysten Trovarit aus Aachen, der die Umfrage zum sechsten Mal seit 2004 durchführte.

Wie schon in der Vorgängerstudie schneiden in diesem Jahr ERP-Anbieter, die auf bestimmte Branchen fokussiert sind, und kleinere ERP-Hersteller, deren Zielgruppe kleine und mittelgroße Betriebe sind, bei den Anwendern am besten ab. Sie haben gegenüber Generalisten oder ERP-Anbietern mit einer sehr großen Kundenbasis die Nase vorn.

Zur ersten Gruppe gehören Branchenlösungen wie "Work … for all" (von Poin.t) für Dienstleistungsunternehmen, Majesty für die Medizintechnikbranche, Alphaplan für den technischen Handel und Großhandel, Opaccone für den Groß- und Filialhandel oder Winweb-Food für die Nahrungsmittelindustrie. Zur zweiten Gruppe gehören ERP-Lösungen wie Tosca, Steps Business Solution ("Step Ahead"), Myfactory und Issos. Die meisten dieser Lösungen werden regional vertrieben.

Vorteilhaft bewerten Kunden ERP-Anbieter, die eine offene und intensive Kommunikation pflegen, und alle Leistungen aus einer Hand erbringen können - von der Entwicklung über die Implementierung bis hin zur Applikationsbetreuung. Überdurchschnittlich schneiden hier die ERP-Anwendungen Syslog.ERP, Megaplus oder die Finanzlösung Fibunet ab. Gute Bewertungen haben in diesem Bereich auch die ERP-Lösungen von Microsoft (Dynamics AX), Abas, Oxaion und Proalpha erhalten.

X-Trade hängt SAP ab

Unternehmen verfolgen bei einer ERP-Implementierung primär Businessziele: etwa die Verbesserung und Standardisierung von Prozessen.
Foto: Trovarit

Bei den ERP-Anwendungen für größere Firmen schneidet 2012 die Warenwirtschaftssystem X-Trade für den Handel von Maxess überdurchschnittlich gut in der Kundenbewertung ab. Erst deutlich dahinter folgt in dieser Kategorie die Lösung SAP ERP.

Verbessert bei der Kundenzufriedenheit haben sich gegenüber den Vorjahren die ERP-Systeme von Infor (LN und Xpert). Auch das ERP-Produkt IFS Applications ist - nach diversen Problemen im Jahr 2010 - in der Gunst der Kunden wieder gestiegen.

Je umfangreicher eine ERP-Installation ist, desto mehr sinkt die Zufriedenheit der Anwender, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Die Ursachen dafür liegen in den komplexen Anforderungen und dem größeren Aufwand bei der Einführung und Wartung der Applikation im Vergleich zu kleineren Installationen. Nachteilig auf die Anwenderzufriedenheit wirken sich gerade bei größeren ERP-Installationen veraltete Releasestände aus. Allerdings spielt die Releasefähigkeit bei der ERP-Softwareauswahl kaum eine Rolle.

Klassische Businessziele im Fokus

Bei den untersuchten ERP-Projekten stehen vor allem klassische Business-Ziele wie die Optimierung, Automatisierung und Integration von Geschäftsprozessen und der "schnellere Zugriff auf bessere Informationen" im Vordergrund. Mehr als drei Viertel der kleineren Unternehmen legen bei einer ERP-Implementierung den Schwerpunkt darauf, die Prozesse effizienter zu machen.

Wichtige Kriterien bei der ERP-Auswahl sind Funktionalität, Flexibilität und Kosten-Nutzen-Relation. Die Releasefähigkeit wird als wenig wichtig eingeschätzt.
Foto: Trovarit

Von den größeren Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sind es etwas mehr als zwei Drittel. Diese fokussieren sich dagegen verstärkt auf Aspekte wie die Standardisierung und Integration von Prozessen und der ERP-Infrastruktur sowie auf Kostensenkungen.

Allerdings wird 2012 die "Performance" der ERP-Lösungen eher negativ bewertet. Aufgrund des Datenwachstums steigt der Bedarf an Ressourcen schneller als die Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen.

Auf die Funktionen kommt es an

Bei der Auswahl einer ERP-Software achten 65 Prozent der Anwenderunternehmen darauf, dass diese funktional zu ihren Anforderungen passt. Für knapp die Hälfte ist die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ein wichtiges Kriterium. Dahinter folgen Aspekte wie "Kosten-Nutzen-Relation", "Fachkompetenz und Auftreten des Anbieters", "Ergonomie" oder "Moderne Technologie".

Dass kleinere und mittlere Betriebe bei der ERP-Auswahl besonders Wert darauf legen, dass eine Lösung mittelstandstauglich ist, überrascht allerdings kaum. Interessant ist dagegen, dass nur etwa ein Fünftel der Firmen in die ERP-Entscheidung ein externes und anbieterunabhängiges Beratungsunternehmen einbindet.

An der ERP-Zufriedenheitsstudie, die in Kooperation mit dem Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen und anderen Partnern entstand, nahmen 140 ERP-Hersteller (2010: 139) und über 2.100 ERP-Anwenderunternehmen teil. Von den erfassten 161 ERP-Lösungen konnten 48 repräsentativ ausgewertet werden. Bei den befragten ERP-Anwendern kommen rund 46 Prozent der Teilnehmer aus der IT/EDV-Organisation, 19 Prozent aus der Geschäftsleitung, 15 Prozent aus der Finanzbuchhaltung und dem Controlling sowie neun Prozent aus operativen Bereichen wie Produktion, Logistik und Vertrieb.