IBM fragt nach dem Unternehmensbeitrag der IT

"Es geht nicht darum, den CIO abzuschaffen"

10.09.2009 von Thomas Pelkmann
Je stärker der CIO in die Unternehmensstrategie einbezogen wird, desto erfolgreicher das Unternehmen. Dank der wachsenden Bedeutung von IT vergrößert sich der Radius des IT-Chefs, eine Entwicklung, die nicht ohne Folgen für sein Selbstverständnis bleibt. Diese und andere Ergebnisse aus einer Studie, für die IBM weltweit rund 2.600 CIOs befragte.
"Je mehr ein CIO mit der Unternehmensstrategie zu tun hat, desto erfolgreicher kann sich ein Unternehmen am Markt platzieren" sagt Martin Jetter, Deutschland-Chef der IBM.
Foto: IBM

In einem sind sich die Auguren einig: Die Tätigkeit der CIOs wandelt sich. Gefragt sind weniger traditionelle IT-Leiter als echte Experten, die sich mit den Unternehmensprozessen bestens auskennen und ihre technisches Fachwissen für die Strategiefindung des Unternehmens einbringen.

Aber es gibt auch Analysten, die sagen, IT sei viel zu wichtig, um sie der IT-Abteilung zu überlassen. Peter Hinssen etwa, Chef der belgischen Beratungsfirma Porthus, rät dazu, die IT-Abteilungen in kleine Stücke zu zerschlagen. "So kann man jedes Teil jedem Unternehmensteil zuordnen, der auf eine leistungsfähige IT angewiesen ist."

Einzelergebnisse der IBM-CIO-Studie
Der CIO von morgen muss ...
... gleichzeitig drei, sich mitunter wiedersprechende Rollen ausfüllen. Was genau er macht, hängt entscheidend von der Analyse der aktuellen Situation ab.
CIOs aus erfolgreichen Unternehmen setzen ...
... andere Schwerpunkte als ihre Kollegen aus weniger umsatzstarken Unternehmen.
CIOs aus Unternehmen mit hohem Wachstum zeichnen ...
... sich unter anderem dadurch aus, dass sie sich mehr Zeit für Innovationen nehmen.

Provokant vielleicht, aber Hinssen weiß: "Wir können Business und IT nicht mehr trennen" und plädiert dafür, beide miteinander zu fusionieren, um der IT eine klare Business-Perspektive zu geben.

Da ist er wieder ganz nah an der Diskussion um den "CIO 2.0", wie auch IBM sie führt: Allerdings widerspricht Martin Jetter den Vorschlägen von Hinssen: "Es geht nicht darum, den CIO abzuschaffen. Im Gegenteil. CIOs sind heute Führungskräfte, die Visionen realisieren und eine entscheidende Rolle für die Innovationskraft und das Wachstum des Unternehmens spielen", sagt der Deutschland-Chef von IBM.

Umgekehrt steigt die Bedeutung des CIOs in dem Maße, wie die IT sich einbringt und für den Unternehmenserfolg wichtig wird. "Ohne IT geht nicht nur in den Unternehmen nichts mehr", meint Jetter. "Auch gesamtgesellschaftliche Diskussionen etwa um den Klimawandel, um die demografische Entwicklung oder um den drohenden Verkehrskollaps sind ohne IT gar nicht zu führen, geschweige denn zu lösen".

IT mit steigendem Einfluss auf strategische Entscheidungen

Insofern ist es folgerichtig, dass der CIO der Umfrage zufolge seine eigene Rolle ebenfalls neu definiert. "Sie nehmen einerseits wahr, wie wichtig die IT für das Unternehmen ist. Und sie sehen anderseits, welche Einflussmöglichkeiten sie aufgrund der wachsenden Bedeutung der IT im Unternehmen haben", fasst Jetter die Eigensicht der CIOs zusammen.

Zunehmend wird das auch von den anderen Managern so gesehen. Und wer es sieht, so ein weiteres Ergebnis der Studie, der ist als Unternehmer erfolgreicher. In Unternehmen mit hohen Wachstumsraten sitzen CIOs immer an strategischer Stelle.

Im Rahmen der "CIO-Studie 2009" hat IBM zwischen Januar und April dieses Jahres weltweit fast 2.600 CIOs aus 78 Ländern, 19 Branchen und Unternehmen jeder Größenordnung in einstündigen, persönlichen Interviews befragt.

Aus Deutschland nahmen 156 CIOs an den Gesprächen teil. Um die Wachstumsraten korrelieren zu können, hat IBM zudem den Gewinn vor Steuern der verschiedenen Unternehmen als Vergleichsgröße hinzugezogen.

Das zentrale Ergebnis: Die CIOs nehmen für sich in Anspruch, nicht mehr nur als exzellente IT-Experten oder als ewig nach Einsparungen Suchende gesehen zu werden.

"Vielmehr bringen sie ihre Stimme heute auf neue Art und Weise zur Geltung - zumal CIOs auch zunehmend als vollwertige Mitglieder der Unternehmensleitung anerkannt werden."

Erfolgreiche CIOs prägen Unternehmensstrategien mit

Erfolgreiche CIOs, so sehen sich die befragten IT-Leiter, nehmen heute deutlich mehr Einfluss auf Strategien für Flexibilität und Wandel, die weit über den Bereich der reinen IT hinausgehen. Und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum Geschäftserfolg.

Moderne CIOs investieren mehr als die Hälfte (55 Prozent) ihrer Zeit in Aktivitäten, die den Innovationen im Unternehmen gelten. Die verbleibenden 45 Prozent arbeiten sie an grundlegenden, eher konventionellen CIO-Aufgaben. Dazu gehören Infrastruktur-Management, Kostenreduzierungen und das Minimieren von Unternehmensrisiken.

Interessant ist auch eine weitere Erkenntnis der Umfrage: Es gibt eine Korrelation zwischen den Wachstumsraten eines Unternehmens und dem Stellenwert der IT. "CIOs in Unternehmen mit hohem Wachstum engagieren sich viel stärker im Business, um sich für Innovationen einzusetzen und diese mitzugestalten", heißt es dazu in den Ergebnissen der Studie. Und: "Sie sind häufiger Mitglieder der Unternehmensleitung". Zudem setzten CIOs in wachstumsstarken Unternehmen andere Prioritäten als ihre Kollegen in sich eher schwach entwickelnden Unternehmen.

So halten beispielsweise 80 Prozent der Befragten aus umsatzstarken Firmen "Customer und Partner Collaboration" für ein wichtiges strategisches Ziel, im Unterschied zu 66 Prozent aus den schwächeren Unternehmen. Auf ein "Service Management Framework" setzen 63 Prozent der strategisch stärker geforderten IT-Manager, dagegen nur 30 der strategisch wenig einbezogenen.

Schließlich, so hat IBM vereinten CIOs aus umsatzstarken Unternehmen die unterschiedlichen Anforderungen zwischen Vision und Praxis viel stärker als ihre Kollegen.

Deutsche CIOs setzen weniger Innovationen um

In Deutschland hat IBM bei seinen Befragungen signifikante Unterschiede zum Rest der Welt ausgemacht. Zwar sei die technische Expertise - immerhin Grundlage jeder strategischen Tätigkeit - hierzulande sehr groß. Aber: "CIOs in Deutschland hinken gerade in strategischen Bereichen wie der Verwirklichung von Innovationen dem internationalen Durchschnitt hinterher", stellt IBM fest.

Hierzulande seien deutlich weniger CIOs Mitglied der Unternehmensleitung als im internationalen Durchschnitt. "Während global in Unternehmen mit hohem Wachstum 62 Prozent der CIOs Mitglied der Unternehmensleitung sind und in Unternehmen mit niedrigem Wachstum immerhin noch 46 Prozent, sind es in Deutschland nur 49 Prozent bei Unternehmen mit hohem Wachstum und 29 Prozent bei Unternehmen mit niedrigem Wachstum", heißt es in der Studie.

"In vielen deutschen Unternehmen sind Veränderungen nötig", fordert IBM-Chef Martin Jetter, „und zwar auf der obersten Führungsebene. Nur dort, wo dem CIO eine strategische Führungsrolle zugewiesen wird, kann er sein bedeutendes Potenzial voll für das Unternehmenswachstum einsetzen".

Rat an deutsche Unternehmen: CIOs in strategische Entscheidungen einbeziehen

"Die Unternehmen", rät Jetter, "müssen den CIOs einen hohen Stellenwert einzuräumen und ihn in strategische Entscheidungen mit einbeziehen".

Die CIOs wiederum müssen mit einer soliden IT-Infrastruktur die Grundlage für ihre erfolgreiche strategische Tätigkeit legen. "Sie müssen", so Jetter, "innovative Lösungen noch stärker fördern und so die Verbindung von Technologie und Geschäftsanforderungen stärken".

"Die hervorragende technische Expertise und das Verständnis für Prozesse ist die Grundlage dieser Arbeit", meint Jetter. "Das hat so niemand vergleichbar vorzuweisen."

Aber damit ist es nicht getan. Vielmehr formuliert IBM eine Aufgabenstellung, die hohe Anforderungen an das Berufsbild des CIO stellt. "Ein erfolgreicher CIOs muss drei Rollenpaare in sich vereinen", heißt es in der Studie. "Diese Doppelrollen scheinen auf den ersten Blick widersprüchlich, ergänzen sich aber in Wirklichkeit".

"Er ist gleichzeitig scharfsichtiger Visionär und kompetenter Pragmatiker", präzisiert IBM-Chef Jetter. "Er ist ein kluger Wertschöpfer und konsequenter Kostensenker. Und er bewährt sich als kooperative Führungskraft und inspirierender IT-Manager."

CIO muss flexibel reagieren können

Ist der CIO von heute also eine eierlegende Wollmilchsau? "Nein", widerspricht Jetter: "Jeder CIO muss all’ diesen Rollen gerecht werden. Aber er muss vor allem in der Lage sein, entsprechend der wirtschaftlichen Situation und den Anforderungen seines Unternehmens die richtigen Schwerpunkte zu setzen." Im Moment etwa sei der CIO vor allem als Kostensenker gefragt, dürfe aber darüber die Chancen und Möglichkeiten der strategischen Weiterentwicklung nicht aus den Augen verlieren.

Um speziell in Deutschland das Verständnis für die strategischen Fähigkeiten der CIOs zu erhöhen, "sollten CIOs ihr Wissen über die wichtigsten geschäftlichen Probleme und Themen ihres Unternehmens aktiver einbringen und ausbauen und jede Gelegenheit nutzen, um ihre Verantwortlichkeiten über den IT-Bereich hinaus auszudehnen", schlägt IBM vor. Darüber hinaus empfiehlt es sich, mit allen Unternehmensbereichen gemeinsame Kriterien für den wirtschaftlichen Erfolg und damit klare einheitliche Ziele festlegen.

Um ein IT-Manager mit noch mehr Inspirationskraft zu werden, sollten deutsche CIOs schließlich die Expertise in ihren Teams ausbauen und weiterentwickeln, mehr Zeit für die Entwicklung neuer, innovativer Initiativen verwenden und sich selbst als starke Führungskräfte positionieren, die aus reinen IT-Experten unternehmerisch denkende Technologen machen. Gelingt dies, profitieren CIO und Unternehmen gleichermaßen.