Harte Konkurrenz

Es gibt zu viele CIO-Bewerber

07.06.2016 von Hans Königes
Während qualifizierte IT-Fachkräfte händeringend gesucht werden, besteht an CIOs und Managern, die es werden wollen, kein Mangel. Die Anwärter stehen Schlange.
  • Je näher IT-Führungskräfte dem Chefsessel kommen, desto größer wird die Konkurrenz
  • Viele Kandidaten sind mit der aktuellen Situation in ihrem Unternehmen unzufrieden
  • Bei Bewerbern kommt es nicht mehr so entscheidend auf fachliche Kompetenzen an, sondern auf die Management-Qualitäten
  • Unternehmen besetzen CIO-Posten lieber mit externen Kandidaten

Ein sächsisches Unternehmen im ländlichen Umfeld hat große Schwierigkeiten, IT-Fachkräfte einzustellen. Für eine CIO-Position dagegen zählt die Personalberatung Michael Page 163 Bewerber, von denen die Mehrheit für den Posten geeignet scheint. "Unter Fachkräften und Einsteigern sind die Kandidaten rar. Geht es um höhere Positionen, kommen hingegen überraschend viele aufstiegswillige und gute Bewerber auf uns zu", bilanziert Michael Wulf, Director Information Technology bei der Hamburger Personalberatung.

Der IT-Arbeitsmarkt steht buchstäblich Kopf: Je näher ­IT-Experten dem Chefsessel kommen, desto größer ist die Konkurrenz. "Für viele Kandidaten, die sich daran gewöhnt haben, eine heiß begehrte Ressource zu sein, ist das eine ganz neue Erfahrung", meint Wulf. Sie müssten lernen, sich auf einem umkämpften Arbeitgebermarkt durch­zusetzen und sich herausragend zu präsentieren. Dazu gehöre auch ein ansprechendes Persönlichkeitsprofil jenseits technischer Qualifikationen und Zertifikate.

Insgesamt 95 Prozent der Kandidaten in Festanstellung

Etwa 95 Prozent der Kandidaten für den CIO-Posten in dem sächsischen Unternehmen waren zum Zeitpunkt der Bewerbung in einer festen Anstellung oder in einem laufenden Interimsmandat. Die meisten konnten auch Führungserfahrung vorweisen. "Die Bewerber hoffen auf den nächsten Karrieresprung. Oft haben sie das Gefühl, intern nicht mehr weiterzukommen", beobachtet Personalberater Wulf. Zudem seien viele Kandidaten mit ihrer aktuellen Situation unzufrieden, weil es beispielsweise strukturelle Veränderungen im Unternehmen gab oder der Vorgesetzte gewechselt hat.

Michael Wulf ist Director Information Technology beim Hamburger Personalberater Michael Page. Er beobachtet: Je näher ­IT-Experten dem Chefsessel kommen, desto größer ist die Konkurrenz.
Foto: Privat

Management-Qualitäten entscheiden

Ob der Sprung auf den CIO-Sessel gelingt, hängt nicht so sehr von der fachlichen Kompetenz ab - die bringen die meisten Bewerber mit. Entscheidend sind die tatsächlichen Management-Qualitäten. Führungsansätze und -techniken wandeln sich in der IT schnell. Wer aufsteigen will, muss seinen Führungsstil ständig weiterentwickeln und beispielsweise auf den Einsatz agiler Entwicklungsmethoden vorbereitet sein oder eine DevOps-Organisation aufbauen können. "Das müssen IT-Experten mit Führungsanspruch erst einmal beherrschen", sagt Wulf.

Bei der Besetzung von Spitzenpositionen setzen die meisten Geschäftsführungen auf Kandidaten, die nicht aus dem eigenen Unternehmen kommen. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen entwickelt die IT sich schnell weiter, neue Technolo­gien müssen kurzfristig eingeführt werden. Deshalb ­suchen Unternehmen Führungskräfte, die entsprechende Erfahrungen mit ins Unternehmen bringen.

Interne Kandidaten haben Akzeptanzprobleme

Zum anderen sind viele Arbeitgeber darauf bedacht, gut eingearbeitete und schwer zu ersetzende Spezialisten im operativen Geschäft zu halten. Gleichzeitig stehen Mitarbeiter, die innerhalb eines Unternehmens zu einer Führungskraft aufsteigen, eher vor Akzeptanzproblemen als externe Kandidaten.

Was einen guten CIO auszeichnet
Was einen guten CIO auszeichnet ...
... fassen wir in folgenden fünf Punkten zusammen:
Er kann zuhören
Gute Führungskräfte hören zu. In Konfliktsituationen identifizieren sie zuerst die Stakeholder und ihre Interessen: Nicht nur Vorgesetzte, sondern auch andere Abteilungen und Teamleiter, aber auch wichtige Mitarbeiter auf Schlüsselpositionen haben eigene Interessen, die Führungskräfte kennen müssen. Sie gehen bewusst auf die Leute zu und holen jeden Beteiligten individuell ab.
Er erkennt rechtzeitig die Ziele
Gute IT-Manager haben die übergeordneten Ziele des Unternehmens im Blick und treiben die Prozesse in ihren Abteilungen in die jeweilige Richtung. Widersprüchliche Ziele – zum Beispiel Kosteneffizienz und Kundenzufriedenheit – priorisieren sie und sichern ihre Schwerpunkte gegenüber Vorgesetzten kontinuierlich ab.
Er ist entscheidungsfreudig
Vor Entscheidungen machen sich gute Führungskräfte ein umfassendes Bild aller wichtigen Aspekte. Wollen sie auch mittel- und langfristig handlungsfähig bleiben, entscheiden sie immer zeitnah – im Zweifel lieber falsch als gar nicht. Am wichtigsten jedoch ist, jede Entscheidung auch konsequent umzusetzen.
Er gibt die Richtung vor
Gute Führungskräfte verlieren sich nicht im Mikro-Management. Ihre Aufgabe ist es, zu leiten und gegenüber Mitarbeitern klar zu formulieren, was von ihnen erwartet wird. Dabei stellen sie sich immer wieder selbst auf den Prüfstand und sorgen dafür, dass jede Maßnahme zielführend ist.
Er schafft Transparenz
Entscheidungen lassen sich nur umsetzen, wenn die Führung sie allen Beteiligten gegenüber zeitgerecht und umfassend mitteilt. Kluge Führungskräfte binden die Mitarbeiter rechtzeitig ein.

Arbeitgeber suchen nicht nur außerhalb des eigenen Unternehmens, sie setzen zunehmend auch auf Bewerber aus anderen Branchen, beispielsweise aus Unternehmensberatungen. Geeignete Qualifikationen sind das Studium von Fächern wie Betriebswirtschaft, Informatik, Physik und Mathematik. Hinzu sollten ausreichend IT-Projekterfahrung und nachweisliche Führungs­qualitäten kommen. Geisteswissenschaftlern bleiben die Management-Positionen in der IT meist ver­sperrt.

"Keine weiblichen CTOs auf dem Arbeitsmarkt"

Frauen mit entsprechender Qualifikation sind an der Spitze der IT-Organisation willkommen. "Es gibt so gut wie keine weiblichen CTOs auf dem deutschen Arbeitsmarkt", beobachtet Wulf. Für Unternehmen, die Diversity großschreiben, also bewusst auf gemischte Teams setzten, sei das ein Problem. Deshalb hätten viele Betriebe besondere Angebote für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben etabliert. "Diesen Kurswechsel erwarten nicht nur Frauen. Er entspricht den Bedürfnissen der Manager aus der Generation Y", meint der Personalexperte.

Viele Arbeitgeber arrangieren sich heute und stellen ihre Ansprüche zurück, um IT-Positionen zu besetzen. Bei Spitzenpositionen ist das naturgemäß anders, statt um Masse geht es hier um den "Perfect Match". Das beginnt bereits beim Erstellen der Jobprofile: Statt einer breit angelegten Ausschreibung, die möglichst viele Kandidaten anspricht, werden Profile für Führungspositionen eher spezifisch formuliert und ausgefeilt. Je genauer die Anforderungen formuliert sind, desto größer ist die Chance, den exakt richtigen Bewerber zu finden.