Lizenz-Management

"Es schmerzt immer"

06.05.2010 von Riem Sarsam
Lizenz-Management ist ein leidiges Thema. Lange Jahre vernachlässigt, stehen CIOs nun unter dem Druck, Ordnung in das Chaos zu bringen.
Heike Riesterer Geschäftsführerin, LE Licence Experts: "Einer der größten Fehler ist die Gutgläubigkeit dem Hersteller gegenüber. Vermischt mit Abhängigkeit ergibt sich eine kostenintensive Mixtur."

Lizenzen sind ein teures immaterielles Wirtschaftsgut. In der Vergangenheit wurde gerne zu viel davon gekauft, nur um entsprechende Rabatte mitnehmen zu können. Frei nach dem Motto: Ich kaufe den Reisebus mit 70 Prozent Nachlass, weil ich vielleicht in einigen Jahren damit in den Urlaub fahren werde. Das beobachtet Heike Riesterer, Geschäftsführerin von Licence Experts. Sie unterstützt nationale wie internationale Unternehmen rund um das Thema Softwarelizenzen. Riesterer hilft beim IT-Asset und -Lizenz-Management, bei der Optimierung im Einkauf und begleitet Firmen in den Verhandlungen mit den Softwareanbietern.

Frau Riesterer, wenn ich wissen will, wie mein Lizenzinventar aussieht, kann ich nicht einfach beim Hersteller nachfragen? Der hat ja die Verträge.

Heike Riesterer: Na klar, der Hersteller könnte Ihnen eine Übersicht geben. Nur, nicht jeder möchte dies tun. Bei SAP bekommen Sie Auskunft, bei Microsoft beispielsweise ist das schwieriger. Aber keiner kann und will Ihnen etwas über Ihre tatsächliche Nutzung verraten. Der CIO sollte davon ausgehen, dass ein Hersteller immer der Meinung ist, die Unternehmen seien unter-lizenziert und müssten Lizenzen nachkaufen.

Wie kann man ihn von dieser Meinung abbringen?

Der CIO bekommt mit einem guten Lizenz-Management ein ideales Verhandlungsinstrument an die Hand. Er weiß, welche Lizenzen er nutzt, in welchem Umfang, wo er zu viel und wo zu wenig hat. Wer sich auskennt, weiß, dass sich häufig Produkte kombinieren lassen oder man ein und dasselbe Produkt durch eine andere Lizenzierungsart günstiger erwerben kann. Er kennt die Termine, wann die nächsten Verhandlungen anstehen. Und nicht zuletzt trägt Lizenz-Management zur Einhaltung der Unternehmens-Compliance bei. Es verhindert, dass der Softwarehersteller beim Audit eine Unterlizenzierung feststellt.

Veranstaltungsreihe: Kostenfalle SAP-Lizenzen

Licence Experts startet im Mai eine Serie von halbtägigen Veranstaltungen zum Thema SAP-Lizenzen. Es geht unter anderem um die Interpretation der SAP-Preisliste, die Frage nach Gebraucht-Lizenzen sowie die technischen Möglichkeiten zur Lizenzoptimierung:

Termine:
19. Mai in Mannheim,
20. Mai in München,
01. Juni in Hamburg und
02. Juni in Berlin

Weitere Informationen erhalten Sie hier oder schreiben Sie eine E-Mail an seminar@licenceexperts.com

Es schmerzt immer. Das kann man ganz klar so sagen.

Gerade großen Konzernen bieten Hersteller eine Art Flatrate für Software und Services, in der Regel über eine mehrjährige Laufzeit. Befreit diese Vertragsform den CIO von einem aufwendigen Lizenz-Management?

Diese Modelle sind bei den Softwareherstellern sehr beliebt, denn sie bringen geregelten Lizenzumsatz über mehrere Jahre, der sich gleich fest einbuchen lässt. Dazu kommt, dass mit einer vereinbarten Flat auch der Aufwand der Betreuung für den Kunden sinkt. Aus Herstellersicht gesprochen: Man muss den Kunden nicht ständig von Nachkäufen überzeugen, dieser zahlt ja regelmäßig. Dem Kunden suggeriert diese Flat das "Rundum-Sorglos-Paket". Denn er hat regelmäßige Kosten, kein Risiko und keinen Verwaltungsaufwand.

Nicht wenige Unternehmen haben nach Abschluss solcher Verträge die internen Stellen für Lizenz-Management abgebaut. Wenn die Flat endet und die Konditionen für eine neues Paket zu verhandeln sind, weiß der CIO nicht mehr, was er tatsächlich benötigt. Auch für Flatrate-Kunden gilt also: Die Verhandlungsposition ohne Lizenz-Management ist sehr schwach.

Der größte Fehler ist Gutgläubigkeit

Welche Lizenzen sind es eigentlich, die die Unternehmen am meisten schmerzen?

Es schmerzt immer. Das kann man ganz klar so sagen. Die einen Programme beim Preis, die anderen im Verwaltungsaufwand und die nächsten in der Funktionalität der Produkte, die ja auch ständig fehlerhaft ist. Und dann kommen zu den Lizenzkosten noch die Wartungs-, Implementierungs- oder Hardwarekosten.

Sie haben einige Unternehmen - darunter auch große Konzerne - von innen gesehen. Gibt es typische Fehler, die Ihnen immer wieder begegnen?

Einer der größten Fehler ist meiner Meinung nach die Gutgläubigkeit dem Hersteller gegenüber. Diese Gutgläubigkeit, vermischt mit der Abhängigkeit, die gerade bei der SAP-Wartung existiert, ist eine sehr kostenintensive Mixtur. Mancher Hersteller führt die Preisliste wie ein Gesetzbuch und diktiert Lizenzmetriken als starre Größen. Dabei spielt insbesondere in der Metrik die Musik. Was wurde vermessen, und was wird tatsächlich genutzt? Gerade bei langjährigen Kunden stelle ich immer wieder fest, dass die vereinbarten Metriken nicht mehr zur aktuellen Situation passen. Diese Kunden haben häufig "zu große Schuhe" an.

Buchtipp: Aus der Praxis für die Praxis. Torsten Groll, "1x1 des Lizenzmanagements" Praxisleitfaden für Lizenzmanager Carl Hanser Verlag, München 2009, 307 Seiten; 49,90 Euro

Wie findet der Kunde denn seine richtige Schuhgröße?

Lizenzen werden auf Papier eingekauft. Die Verhandlung führt die IT oder der Einkauf. Und dann liegt der Vertrag und damit ein Stück Papier irgendwo im Unternehmen. Welche Produkte jedoch wirklich installiert, welche User angelegt werden, das spielt sich in vielen Abteilungen und mit vielen Mitarbeitern ab. Dieser Medienbruch zwischen Papier und PCs oder Servern quer durch das Unternehmen verhindert Transparenz.

Umfang des Nutzungsrechts ist entscheidend

Sie sagten, dass Lizenz-Management eine wichtige Basis für die Verhandlung mit dem Hersteller bildet. Wie viel Spielraum hat der CIO bei diesen Gesprächen?

Alles ist Verhandlungssache. Ich habe Unternehmen gesehen, die Software in einem ähnlichen Umfang nutzen, aber weit auseinanderliegende Preise zahlen. Wer die Erfahrung mit Lizenzverhandlungen gemacht hat, fühlt sich immer an einen türkischen Bazar erinnert.

Die Vertragspartner müssen eine Vereinbarung treffen, wie und in welchem Umfang Software genutzt werden darf. Und diese Abmachung kann individuell getroffen werden. Um dem Ganzen einen Rahmen zu geben, existieren Preislisten, die erst einmal ein Vorschlag des Herstellers zur Nutzung sind.

Verraten Sie uns einen Tipp für die Verhandlungen?

Zum Pricing kann ich Ihnen eines auf jeden Fall verraten: Die Rabatte sind es nicht, die Software günstig machen. Es ist der Umfang des Nutzungsrechts: Was lizenziere ich wie? Man sollte auch verstanden haben, wie ein Softwarehersteller intern kalkuliert und wie er bilanziert. Danach kommen dann noch die verschiedenen Rabatte.