Erlebniswelt Airport

Flughafen München entwickelt Digitalstrategie

08.05.2015 von Christiane Pütter
Passagiere sollen nicht nur an- und abfliegen, sondern sich am Flughafen auch wohlfühlen. Dem widmet sich ein Kapitel im Buch "Marktplätze im Umbruch", das jetzt vorgestellt wurde.
  • Der Flughafen München entwickelt derzeit eine Digitalisierungsstrategie, im Juli oder August soll das Organisationsteam stehen
  • Über sein Smartphone soll der Reisende während der gesamten Verweildauer unterstützt werden
  • CIO Michael Zaddach ist Mitherausgeber des Buches "Marktplätze im Umbruch", in dem unter anderem diese Idee ausgeführt wird

Der kalte Nieselregen kann die weißgekleideten Tennis-Spieler an diesem Freitag Mitte April nicht bremsen. Zu fröhlicher Popmusik aus Lautsprechern schlagen sie unter freiem Himmel ihre Bälle, während eine Dame im Business-Kostüm vorbeistöckelt, in der einen Hand eine große Papiertüte, in der anderen das Smartphone. "Da musst Du erst an den Flughafen fahren, verstehst Du, an den Flug-ha-fen, bis Du rote Wildlederpumps kriegst", berichtet sie irgendjemandem.

Vermutlich ist es das, was Michael Kerkloh, CEO des Münchener Flughafens, und IT-Chef Michael Zaddach mit "Erlebniswelt" meinen. Mitte April hat ihr Unternehmen die begehrte Auszeichnung eines Five-Star-Airports erhalten und darf sich damit bester Flughafen Europas und drittbester der Welt nennen. Eine umfassende Digitalisierungsstrategie soll diesen Vorsprung ausbauen und dafür sorgen, dass die Passagiere nicht nur an- und abfliegen, sondern sich am Flughafen wohlfühlen. Dem widmet sich ein Kapitel in dem Buch "Marktplätze im Umbruch", das an eben diesem regnerischen Freitag vorgestellt wird.

Buch "Marktplätze im Umbruch" von Michael Zaddach u.a.
Marktplätze im Umbruch
Das 759-Seiten-Werk "Marktplätze im Umbruch" behandelt digitale Strategien für Services im mobilen Internet. Mitte April wurde das Buch am Münchener Flughafen vorgestellt.
Autorenteam
Unter den Autoren finden sich Manager so unterschiedlicher Firmen wie der Deutschen Telekom, der Unicredit, BMW und Siemens ebenso wie Wissenschaftler. Professor Claudia Linnhoff-Popien (vorderste Reihe, 2. v. r.) vom Lehrstuhl "Mobile und verteilte Systeme" an der Ludwig-Maximilians-Universität gehört zum dreiköpfigen Herausgeberteam.
Zwei CIOs wirken mit
Ralf Schneider, CIO der Allianz, und Michael Zaddach, CIO vom Flughafen München, haben ebenfalls Beiträge geschrieben. Zaddach fungiert außerdem als Mit-Herausgeber. Der dritte Herausgeber ist Andreas Grahl, Executive Consultant der Allianz.
Ralf Schneider, Allianz
Ralf Schneider schreibt in dem Buch über die "Finanzindustrie im Umbruch: Digitalisierte Services für Versicherungskunden". Bei der Buchvorstellung am Airport wagte er eine Spekulation: "Wir werden noch erleben, wie die Drohnen durch uns durchfliegen!"
Michael Zaddach, Flughafen München
CIO Michael Zaddach entwickelt derzeit eine umfassende Digitalisierungsstrategie. Hintergrund ist der Wandel des Flughafens vom reinen Reiseabfertigungsort zu einer "Erlebniswelt".

Das 759-Seiten-Werk ist eine Gemeinschaftsarbeit von Autoren aus Wirtschaft und Wissenschaft. Herausgeber sind, neben Michael Zaddach, Claudia Linnhoff-Popien als Inhaberin des Lehrstuhls "Mobile und verteilte Systeme" an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, und Andreas Grahl, Executive Consultant des Versicherungskonzerns Allianz.

Mittlerweile checken die meisten der jährlich rund 40 Millionen Passagiere online ein, bevor sie sich überhaupt auf den Weg zum Flughafen machen, berichten Zaddach und Kerkloh. Immer mehr Reisende zückten beim Boarding das Smartphone statt eines Tickets. Das ergebe für Airlines, Flughafenbetreiber und andere Dienstleister immer neue Möglichkeiten. Die Münchener stellen ihre Zukunftsoptionen unter das Motto "Seamless Travel".

4 Diskussionspunkte der Strategie

Derzeit setzt sich CIO Zaddach mit Vertretern der Fachabteilungen zusammen und bespricht folgende vier Punkte:

Bis Juli/August sollte das Organisationsteam stehen, sagt Zaddach. Wer es leiten wird, ist noch offen. Der CIO jedenfalls will digitale Units als Acceleratoren dieser Digitalisierungsstrategie verstanden wissen.

Der Erlebnisraum Airport soll für den einzelnen Passagier dann beispielsweise so aussehen: Der Flughafen weiß durch den Datenaustausch auf den vernetzen Devices, dass der ankommende Reisende Zeit hat, und bietet ihm an, über sein Smartphone erst einmal eine Dusche zu buchen. Danach kann er sich irgendwo hinsetzen und eine Kleinigkeit essen - die Tageskarten der Restaurants sieht er sich auf seinem Handheld an - um dann in den digital gebuchten Mietwagen zu steigen.

Hälfte des Umsatzes im Non-Aviation-Geschäft

Diese Digitalisierungsstrategie entsteht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Flughafen mittlerweile rund die Hälfte seines Umsatzes im Non-Aviation-Geschäft erwirtschaftet. Ziel ist daher, die Passagiere länger auf dem Gelände zu halten. Dafür hat allerdings nicht jeder Reisende Zeit. Sind Passagiere im Stress, sollen sie die schnellste Wegführung zu ihrem Gate auf das Smartphone geschickt bekommen.

iBeacons im Flughafen

Fazit: Ein individualisierter Travel-Assistant soll jeden Passagier in seiner jeweiligen Situation unterstützen. Die Technologie dafür bieten beispielsweise iBeacons. Die kleinen Sender schicken regelmäßig Informationspakete auf mobile Endgeräte in der Umgebung. Der Flughafen will zunächst die wichtigsten Eingänge der Terminals, die Check-In-Bereiche und Sicherheitskontrollen sowie einige Shops und Restaurants mit iBeacons ausstatten.

Fundamentaler Umbruch für den Flughafen

Damit kommt auf Zaddach und das künftige Organisationsteam - wie immer es dann aussehen wird - viel Abstimmung und Kommunikation mit den Prozesspartnern, wie etwa Mietwagenfirmen, zu. Die Forderung nach standardisierten Schnittstellen ebenfalls. "Keine Frage, der Marktplatz Flughafen steht im Zeichen der neuen Kommunikationstechnologien vor einem abermaligen fundamentalen Umbruch", sagt CEO Michael Kerkloh.