Digitalisierung

Fraport baut größtes Private-5G-Netz

10.03.2023 von Jürgen  Hill
Im Zuge der Digitalisierung konsolidiert der Flughafen Frankfurt auch seine Kommunikationsinfrastruktur und baut eines der größten privaten 5G-Netze Europas, das er selbst betreibt.
Im Zuge der Digitalisierung baut Fraport eines der größten europäischen privaten 5G-Campus-Netze auf.
Foto: Fraport AG

5G als Enabling Technology für neue Anwendungen wie Automatisierung, Autonomes Fahren, die Lokalisierung von Geräten, oder die Verarbeitung von Daten in Echtzeit - all das waren, beziehungsweise sind Gründe für die Betreibergesellschaft von Deutschlands größten Flughafen, der Fraport AG, eines der größten europäischen privaten 5G-Campus-Netze aufzubauen. Oder wie es Fritz Oswald, Senior Vice President IT Infrastructure bei Fraport, formuliert: "Wir sehen 5G definitiv als eine Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung."

Bessere Funkausleuchtung mit 5G

Dementsprechend kam die Motivation zum Aufbau einer eigenen 5G-Infrastruktur weniger durch den Leidensdruck einer Legacy-Installation, als vielmehr dem Wunsch, im Zuge der Digitalisierung neue Use Cases zu ermöglichen. Gleichzeitig soll mit dem 5G-Netz auch die Netzabdeckung auf das gesamte Flughafenareal ausgedehnt werden. Auf diese Weise könnten etwa die rund 30 Kilometer Zaun im Außenbereich mit Kameras per Funk überwacht werden. Ferner wäre es möglich, Roboter oder Drohnen die eine oder andere Kontrollrunde zu ersparen, wenn sie 5G-gestützt eigenständig patrouillieren.

Zudem ist es, so Oswald, mit der bislang verwendeten WLAN-Technik nicht möglich, beziehungsweise nur sehr schwer möglich, die großen Freiflächen des Flughafens adäquat auszuleuchten. "Und im Alltag gibt es immer wieder Probleme mit der WLAN-Abdeckung bei Under-Wing-Operations, wenn etwa Flugzeugtragflächen den Empfang abschotten", berichtet der Netzverantwortliche.

Welche Bedeutung die Ausleuchtung für den Betrieb hat, verdeutlicht Oswald an zwei Beispielen. Wenn etwa Dinge zu einem Flugzeug transportiert werden müssen, dann sind nicht nur lange Wege zurückzulegen, sondern dies ist auch zeitaufwändig, da auf dem Vorfeld Tempo 30 km/h gilt. Dementsprechend lange sind die Mitarbeitenden unterwegs. Hier könnten autonome, per 5G gesteuerte Fahrzeuge eine enorme Entlastung bringen. Ein anderer Use Case könnten etwa kleine Roboter sein, die verspätete Koffer zum Flieger transportieren. Heute werden diese noch in PKWs geladen und von Menschen zum Flugzeug gefahren.

Cloud First

Mit dem 5G-Netz soll die Funkausleuchtung am Flughafen verbessert werden, denn gerade unter den Flugzeugtragflächen gibt es immer wieder Probleme mit dem WLAN-Empfang.
Foto: Fraport AG

Eine andere Anwendung ist etwa das Thema Videoanalytik, um die Start- und Landebahnen des Flughafens optisch auf ihren Zustand zu kontrollieren. Eine Aufgabe, bei der - trotz Edge Computing - große Datenmengen in Form von Videostreams anfallen. Und diese müssen in die Cloud transferiert werden, wo sich die Logik zur Bildauswertung befindet, denn der Flughafen fährt einen Cloud-First-Ansatz.

Neue Use Cases mit 5G

Auch wenn neue Use Cases wie autonome Fahrzeuge oder patrouillierende Roboter und Drohnen bei der 5G-Einführung bei Fraport im Vordergrund stehen, die neue Technik bringt noch andere Vorteile. So kann der Flughafenbetreiber mit dem privaten 5G-Netz etwa seine Kommunikationsinfrastruktur vereinheitlichen. Bislang betrieb Fraport unterschiedliche Funktechniken etwa für die Sprachkommunikation oder, um seine IoT-Geräte zu vernetzen. Ferner wurde LTE über die öffentlichen Mobilfunknetze genutzt - mit entsprechenden SIM-Karten in den Endgeräten. In den Terminals selbst will Oswald künftig weiterhin WLANs einsetzen. Allerdings ist angedacht, auf das aktuellere und leistungsfähigere WiFi 6 zu migrieren.

Ein wichtiger Aspekt, der für Oswald zudem für ein Private-5G-Netz spricht, ist: "Hier bekommen wir tatsächlich eine lizenzierte Frequenz, die wir mit niemanden teilen müssen - sprich, es gibt keine Interferenzen. Zudem können wir das zugeteilte Frequenzband alleine voll ausnutzen, so dass wir mit 5G auch betriebskritische Themen abdecken können." Punkte, die für Fraport als Betreiber von kritischer Infrastruktur (KRITIS) besonders wichtig sind.

Unabhängigkeit durch Private 5G

Für Fritz Oswald, Senior Vice President IT Infrastructure bei Fraport, ist 5G eine Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung.
Foto: Fraport AG

Deshalb kamen für den Netzverantwortlichen etwa die Private-5G- oder Network-Slicing-Angebote der Mobilfunkbetreiber nicht in Frage. Was das Thema Slicing anbetrifft, kann sich Oswald aber durchaus vorstellen, dass Fraport später eigene Slicing-Angebote für seine B2B-Partner wie Airlines oder Logistikunternehmen offeriert. "Unter dem Strich", so der IT-Manager weiter, "offeriert ein eigenes 5G-Netz dem Flughafen mehr Freiheiten und mehr Sicherheit, weil die Infrastruktur Ende zu Ende in unserer Hand ist. Zudem bestehen weniger Abhängigkeiten und wir haben es selbst in der Hand, wann wir welche 5G-Updates einspielen. So sind wir nicht von einem Carrier und seinen Update-Plänen abhängig." Angesichts der noch relativ jungen 5G-Technik rechnet Oswald in nächster Zeit öfters mit Updates. Diese dürften auch das eine oder andere neue Feature beinhalten, das für Fraport interessant ist.

Damit hatte das Projekt in der ersten Phase durchaus einen Forschungs- und Entwicklungscharakter, weshalb man bei Fraport die 5G-Migration nicht alleine angehen wollte, sondern sich dazu einen Partner mit an Bord holte. Die Wahl fiel dabei auf NTT. "Für NTT sprach, dass das Unternehmen bereits in anderen 5G-Projekten wie am Flughafen Köln/Bonn Best-Practices-Erfahrungen sammeln konnte", lässt Oswald den Entscheidungsprozess Revue passieren, "zudem zeigte sich NTT in den ersten Gesprächen sehr offen, was Herstellerauswahl und Technologie anbetraf".

Azure for 5G als Software

Auch die Sprachkommunikation soll künftig über das 5G-Netz laufen - per Push-to-Talk.
Foto: Fraport AG

Offen zeigten sich Fraport und Partner NTT dann auch beim gewählten Technikansatz. "Da wir uns die Möglichkeit offenhalten wollten, während der Projektphase noch nachjustieren zu können, entschieden wir uns für einen offenen Standard und wählten als 5G-Ansatz OpenRAN", erklärt Kai Grunwitz, CEO NTT Ltd. Germany. In Sachen Software setzt man dabei auf Azure for 5G. Für die Microsoft-Lösung sprach unter anderem die enge Verknüpfung mit der IoT-Welt. Bei der eigentlichen Netz-Hardware fiel die Wahl auf Cisco, wobei die Partner gerade in Sachen Antennen den Markt genau beobachten, da hier derzeit noch etliche Neuentwicklungen zu erwarten sind. Sowohl Grunwitz als auch Oswald betonen angesichts der noch jungen Technik, dass diese Entscheidungen nicht in Stein gemeißelt seien.

Die neue Technologie hatte noch eine andere Konsequenz: Man war sich schnell bewusst, dass ein Rollout ohne genaue vorherige Prüfung auf Wechselwirkungen zur bestehenden Technik ein zu großes Risiko für den Flughafenbetrieb wäre. Daraus entstand die Idee, eine Testumgebung in einer Art Sandbox aufzubauen, um so sicherzustellen, dass der Betrieb nicht gefährdet ist.

Gleichzeitig fungiert die Testumgebung als Innovation Hub, um neue Use Cases für 5G zu evaluieren und zu eruieren, wie diese später ausgerollt werden können. Darüber hinaus hat sie noch eine dritte Aufgabe: Sie soll die neue Technologie für die anderen Beschäftigten im Unternehmen sichtbar und erlebbar machen, um so eventuell vorhandene Widerstände gegen 5G abzubauen. Deshalb entschied sich Oswald auch bewusst für einen Bereich um die Konzernzentrale, um so die neuen, mit 5G möglichen, Use Cases zu promoten.

Push-to-Talk im 5G-Netz

Ein Beispiel für solche Beharrungskräfte ist etwa die Sprachkommunikation. Bislang nutzt der Flughafenbetreiber mehrere Betriebsfunksysteme mit den entsprechenden Funkgeräten, deren Unterhalt jedoch recht aufwändig ist, weshalb Oswald die Sprachkommunikation künftig über das private 5G-Netz abbilden will. Auf den ersten Blick keine Schwierigkeit, denn schließlich telefonieren wir alle täglich über Mobilfunk und das Endgeräteangebot reicht vom einfachen Handy bis zum ruggedized Smartphone.

"Allerdings wollten unsere Mitarbeitenden im Operation-Bereich nicht auf die gewohnte User Experience der Funkgeräte verzichten", schildert Oswald die Herausforderung, "denn sie sind es gewohnt, nur auf einen Knopf drücken zu müssen und sofort lossprechen zu können." Was zunächst nach einer Petitesse klingt, hat in der Flughafenpraxis aber durchaus Relevanz. In brenzligen Situationen ist es unter Safety-Aspekten eventuell entscheidend, ob eine Kommunikation binnen Millisekunden auf Knopfdruck zustande kommt oder erst auf den Aufbau eines Telefonats gewartet werden muss. Lösen will Oswald das Problem durch die Einführung einer modernen 5G-fähigen Push-to-Talk-Lösung.

Arbeitsteilung zwischen Fraport und NTT

Was die Arbeitsteilung zwischen Fraport und NTT anbetrifft, so agiert der Flughafenbetreiber künftig sowohl formal als auch praktisch als Betreiber des 5G-Netzes. "Schließlich ist es uns auch wichtig, dass 5G in Zukunft nicht irgendwo als abgekapselte Inseltechnologie gesehen wird, sondern vollständig in unsere Betriebsprozesse integriert wird", erläutert Oswald.

Zumal Fraport als KRITIS-Unternehmen das Thema Security über die gesamte Prozesskette sicherstellen muss, also vom Endgerät bis hin zu den Backend-Systemen. Das geht so weit, dass Oswald und sein Team schon heute das Provisioning öffentlicher SIM-Karten selbst durchführen, um eine lückenlose Dokumentation zu gewährleisten. Auch im Private-5G-Netz wird die Mannschaft wieder die Zuteilung der 5G-Karten übernehmen.

Auch beim späteren Betrieb plant NTT weiterhin mit von der Partie zu sein und Fraport im Zuge eines Servicekonzepts mit Managed Services zu unterstützen oder die Wartung von Komponenten zu übernehmen. Des Weiteren sieht die Arbeitsteilung Grunwitz zufolge so aus: "Fraport übernimmt den Support auf Level 1 und 2, während wir auf Level 3 agieren." Oswald veranschaulicht dies an einem Beispiel: "Themen, die auf dem Vorfeld passieren - etwa die Frage, wo und wie Antennen betrieben werden oder die Endgeräte - fallen in unsere Zuständigkeit, während NTT für den Backend-Bereich zuständig ist, wie beispielsweise die verwendeten Cloud-Komponenten, denn wir fahren als Fraport einen Cloud-First-Ansatz."

Projektende 2024

Doch bis es so weit ist, dauert es noch etwas. Schließlich hatte die Corona-Krise den Flughafenbetreiber hart getroffen, so dass das Projekt Private 5G vorerst auf Eis gelegt werden musste. Als man dann im Frühjahr 2022 die Projektarbeit wieder aufnahm, sah man sich wie viele andere Unternehmen auch mit den Lieferketten-Problemen der Hardwarehersteller konfrontiert. Deshalb geht Oswald davon aus, dass das gesamte 5G-Netz im Vollausbau erst Ende 2024 fertig sein wird. Allerdings soll der Rollout auf das Vorfeld bereits in diesem Jahr erfolgen.