Folgen der Nachrichtenflut

Gefeuert wegen E-Mail-Panne

21.01.2013 von Bettina Dobe
Jeder dritte Top-Entscheider bekommt 100 bis 300 Mails am Tag. Sie zu bearbeiten, raubt Zeit - und führt zu Fehlern mit teils ernsthaften Folgen, so Varonis.

Die E-Mail hat unsere Kommunikation grundlegend verändert. Aber hat sie unseren Arbeitsalltag auch verbessert? Data-Governance-Anbieter Varonis hat untersucht, welche digitalen Gewohnheiten in Unternehmen vorherrschen. Und hat herausgefunden, dass viele Menschen mehr E-Mails bekommen, als sie eigentlich lesen können oder wollen. Die E-Mail mag zwar den Informationsfluss beschleunigt haben. Aber mittlerweile sind es fast mehr Nachrichten, als ein Mensch am Tag bewältigen kann. Etwa ein Drittel (32,8 Prozent) der Befragten gab an, jeden Tag zwischen einer und 50 E-Mails zu bekommen. Und das sind noch die Glücklichen, die die wenigsten Nachrichten lesen müssen.

50 bis 100 E-Mails am Tag sind die Regel

So viele E-Mails bekommt jeder Mitarbeiter und Entscheider täglich, so eine aktuelle Studie.
Foto: Varonis

Fast die Hälfte aller Befragten (44,8 Prozent) gab an, zwischen 50 und 100 E-Mails am Tag zu bekommen. 17,6 Prozent sagten, dass sie sogar zwischen 100 und 300 Nachrichten am Tag bekämen. "Es gibt sogar eine Elite, die tagtäglich mit E-Mails bombardiert wird", heißt es in der Studie. Die Betroffenen müssen zwischen 300 und 500 E-Mails am Tag lesen. Auf einen durchschnittlichen Acht-Stunden-Tag gerechnet, wären das für die "Elite" zwischen 37 und 62 E-Mails in der Stunde. Es überrascht daher wenig, dass das Verwalten der Nachrichten ebenfalls viel Zeit in Anspruch nimmt. Knapp die Hälfte (44,4 Prozent) gab an, bis zu einer halben Stunde am Tag damit zu verbringen, die Nachrichten unter Kontrolle zu halten. Weitere 23 Prozent brauchten dafür eine halbe bis eine ganze Stunde. Und immerhin noch 16,7 Prozent brachten am Tag sogar mehr als eine Stunde damit zu, E-Mails zu kontrollieren.

In der Studie versuchte man ebenfalls herauszufinden, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen Hierarchie-Ebene, auf der sich ein Angestellter befindet und der E-Mail-Flut, mit der er sich befassen muss. Gewöhnliche Manager müssen sich gemessen am Durchschnitt weniger Sorgen machen: 52,3 Prozent der Befragten gaben an, nur 50 bis 100 E-Mails am Tag zu bekommen, und knapp ein Drittel sogar weniger als 50. Über mehr als 100 E-Mails am Tag stöhnen nur insgesamt 15,9 Prozent.

Entscheider müssen mehr E-Mails lesen

Top-Entscheider auf dem höchsten Level hingegen müssen laut Studienergebnisse täglich zu 50 Prozent zwischen 50 und 100 E-Mails bewältigen und zu 16,7 Prozent sogar weniger als 50 am Tag. Genau ein Drittel der befragten Chief Executives bekamen täglich zwischen 100 und 300 E-Mails. "Top-Entscheider sind ganz eindeutig sehr viel mit ihren Nachrichten beschäftigt", heißt es in der Studie. Das sei aber nicht überraschend, meinen die Studienleiter. Schließlich sind sie die Spitze in der E-Mail-Kette, daher müssten überproportional viele Nachrichten in ihrem Eingangsordner landen.

14 Regeln für den E-Mail-Verkehr
1. Verfassen Sie Ihre E-Mails knapp und präzise.
Alles was mehr als zwei Seiten umfasst, gehört in eine angehängte Datei.
2. Überprüfen Sie Rechtschreibung und Grammatik.
In den meisten E-Mail-Systemen gibt es entsprechende Funktionen. Da dies bekannt ist, werden entsprechende Fahrlässigkeiten übel genommen. Fehler suggerieren: Der Autor hat sich entweder für mich keine Zeit genommen oder er ist ein Schlendrian.
3. Beantworten Sie E-Mails schnell.
Reaktionsschnelligkeit ist einer der entscheidenden Vorteile von elektronischer Post. Vor allem auf erwartete Messages sollte zügig geantwortet werden. Wenn man nicht gerade extrem beschäftigt ist, sollte man den Posteingang mehrmals täglich checken. Allerdings ist es nicht nötig, die automatische Benachrichtung (Auto Notify) zu jeder eingehenden E-Mail zu aktivieren - das lenkt zu sehr von der Arbeit ab.
4. Gehen Sie sparsam mit der Funktion "Antwort an alle" um.
Es besteht die Möglichkeit, die Nachricht an eine Gruppe zu versenden, aus der sich vielleicht nur ein Prozent der Beteiligten dafür interessiert. Der Effekt ist vergleichbar mit einer Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in dem man gezwungen ist, dem Handygespräch eines Unbekannten zuzuhören. Wer ohne Notwendigkeit allen antwortet, erzeugt außerdem jede Menge elektronischen Müll. Insbesondere, wenn Anhänge mitgeschickt werden, führt das unnötige Versenden an große Verteiler zu Ressourcenproblemen.
5. Sorgen Sie dafür, dass Ihre E-Mail einfach lesbar ist.
Experton empfiehlt, die E-Mail in einem Stil zu verfassen, der einem schriftlichen Dokument (zum Beispiel Geschäftsbrief) gleicht. Grußformel und Unterschrift (Automatische Signatur) sind selbstverständlich. Außerdem sind kurze Sätze sowie - bei längeren Texten - Absätze zu empfehlen.
6. Halten Sie sich an die rechtlichen Bestimmungen für den E-Mail-Verkehr.
In Deutschland gilt seit Anfang 2007 eine neue Rechtsprechung, der zufolge im Anhang Pflichtangaben über das Unternehmen (Rechtsform, Sitz, Registergericht, Geschäftsführung) vorgeschrieben sind. Außerdem kann es manchmal nützlich sein, Angaben zu Urheberrecht, Vervielfältigung oder sonstige Rechtsklauseln anzuhängen. Im Übrigen sollten Unternehmen Regeln für den E-Mail-Verkehr formulieren (E-Mail-Policy), die regelmäßig zu verbreiten sind, damit auch neue Mitarbeiter auf dem Laufenden gehalten werden.
7. Antworten Sie niemals auf Spam.
Eigentlich eine Binsenweisheit, und doch ein immer wieder gemachter Fehler. Viele Spammer statten ihre Nachricht mit einer Opt-out-Funktion aus, indem die Mail im Betreff-Feld vorgeblich mit "unsubscribe" abbestellt werden kann. Für manche Spam-Programme, die für den automatischen Versand des elektronischen Mülls sorgen, bedeutet eine solche Antwort: Der Adressat ist da, er kann mehr Spam in Empfang nehmen.
8. Nutzen Sie Blindkopien, um Dritte zu informieren.
So bleibt der Verteilerkreis im Unklaren darüber,wer die Nachricht noch erhalten hat.
9. Formulieren Sie den Betreff aussagekräftig.
Nur so ragt die Botschaft aus der Fülle der Spam-Mitteilungen heraus, die heute die meisten Postfächer füllen.
10. Keep it simple.
Es gibt heute viele Möglichkeiten, E-Mails aufzuhübschen (Emoticons, Bilder etc.). Versender sollten vorsichtig damit umgehen, da nicht jedes Mail-Programm damit fertig wird und außerdem Ressourcen verschwendet werden. Zudem sind Emoticons mitunter mit Spyware infiziert. Deshalb: Nichts von unbekannten Quellen herunterladen!
11. Nutzen Sie die Features moderner E-Mail-Programme.
Rückruf: Eine E-Mail, die fehlerhaft oder ohne Anhang versandt wurde, wird zurückgerufen. Sparsam verwenden, lieber Botschaften noch einmal genau checken, bevor sie verschickt werden. Oft werden E-Mails schnell geöffnet und lassen sich nicht mehr zurückrufen. <br/><br/> Automatische Antwort: Die Out-of-Office-Funktion ist wirklich nützlich und sollte angewendet werden! Allerdings sollte man sie schnell deaktivieren, wenn man wieder im Büro ist.<br/><br/> Wiederversenden: Manchmal erreichen E-Mails nie den Adressaten, etwa weil der Mail-Server ausfällt. Mit der Resend-Funktion lassen sie sich umstandslos ein zweites Mal verschicken. Vor dem Versand in die Betreffzeile eine Bemerkung wie "zweiter Versuch" einfügen.<br/><br/>Übermittlungsbestätigung: Nice to have, aber nicht zwingend nötig. Funktioniert auch nicht mit jedem E-Mail-System. <br/><br/>Lesebestätigung: Ebenfalls nice to have.
12. Nutzen Sie E-Mails um Gespräche und Diskussionen anschließend zu bestätigen.
Elektronische Post bietet die Chance, sehr schnell Gesprächsergebnisse aus Konferenzen oder Telefonaten zu protokollieren. So lassen sich für alle Beteiligten die Ergebnisse sichern, bezüglich geplanter Maßnahmen sind alle auf demselben Stand. Was schriftlich fixiert wurde, wird von den Beteiligten ernster genommen.
13. Verlassen Sie sich bei dringenden Informationen nicht auf E-Mail.
Dazu lieber das Telefon benutzen. Es gibt keine Garantie, dass eine E-Mail gelesen wird. Oft wird die Nachricht übersehen, die Lektüre wird vertagt oder die Botschaft wird als vermeintlicher Spam gelöscht.
14. Nutzen Sie E-Mails nicht für unangebrachte Kommunikation.
E-Mail für die Verbreitung von Spam zu missbrauchen, ist nicht nur ein Ärgernis, sondern möglicherweise auch noch illegal. Und: In den meisten Fällen kann der Absender schnell ermittelt werden.

Varonis hat nicht nur analysiert, wer wie viele E-Mails bekommt, sondern auch, wie Angestellte und Entscheider mit den empfangenen Nachrichten umgehen.

Die 4 Typen des E-Mail-Management

Nicht jeder geht gleich mit E-Mails um: Einige horten sie, andere gehen ganz unter im Chaos. Diese vier Typen gibt es.
Foto: Varonis

Ungesehen löschen, wochenlang die Beantwortung aufschieben oder nur einen kurzen Satz zurück schreiben? Die Studie hat herausgefunden, wer welcher E-Mail-Typ ist und wie häufig er vorkommt. Mehr als ein Drittel (34,1 Prozent) der Befragten gab an, ihre Nachrichten tatsächlich täglich zu lesen und zu verwalten. Diesen Typ nennt die Studie den "Ordnungstyp". Und ganz wie im wahren Leben gibt es da noch die "Horder", also Menschen, die nichts wegwerfen können. Das ist sogar fast jeder fünfte: 19,8 Prozent gaben an, ihre E-Mails nicht zu löschen. Rund 40 Prozent bilden eine gesunde Mischung aus beiden Typen: Sie löschen nicht alles, sind aber noch recht gut organisiert.

Aber für knapp sechs Prozent der Befragten wäre wohl Hilfe angebracht. Sie haben den Kampf gegen die E-Mail-Flut völlig aufgegeben. Das macht sich bemerkbar: Knapp 60 Prozent der völlig unorganisierten Befragten verbringen am Tage weniger als fünf Minuten mit den Nachrichten, und rund ein Drittel mehr als eine Stunden. Warum das so ist, kann sich auch Varonis nicht genau erklären.

Und wie viel Arbeitszeit verbringen die anderen E-Mail-Typen mit Lesen und Verwalten? Das wollte Varonis ebenfalls wissen und stellte fest: Manager und Angestellte verbringen etwa gleich viel Zeit mit dem Lesen und Beantworten von E-Mails. Zwischen 13 und 20 Prozent der Befragten verbrachten damit täglich mehr als eine Stunde, rund ein Viertel zwischen einer halben und ganzen Stunde. "Die E-Mail ist einfach Teil der Arbeitskultur, keine Unterbrechung des Alltags. Das gilt auch für die Spitze der Hierarchie", heißt es in der Studie. Denn Top-Entscheider verbringen am Tag mehr als eine Stunde damit, E-Mails zu verwalten.

Filter helfen weiter

E-Mail Filter retten Ihnen wertvolle Arbeitsstunden - Sie müssen Sie nur einsetzen.
Foto: Varonis

Die Zeit könnte aber noch reduziert werden, wenn man ein wenig organisierter an die ganze Sache heranginge. "Die Resultate waren nicht ermutigend", ziehen die Analysten von Varonis Bilanz. Automatische Filter, die E-Mails schon von vornherein charakterisieren, nutzen nur die wenigsten im ausrechenden Maß. Mehr als sieben Prozent der Befragten wussten nicht einmal, dass es solche Filter überhaupt gibt. Mehr als jeder Fünfte (22,2 Prozent) kennt sie zwar, nutzt sie aber nicht. Rund die Hälfte der Befragten gab an, einige wenige zu benutzen. Und nur 16,7 Prozent sagten, dass sie die Filterfunktion ausgiebig nutzten. "E-Mail-Management bleibt für die meisten Nutzer also eine Zeit- und Arbeitsintensive Beschäftigung", schreiben die Analysten. Dabei frisst die E-Mail nicht nur Arbeitszeit, eine schlampige Beschäftigung hält auch ganz andere Gefahren parat.

Strategien gegen die E-Mail-Flut
Schreiben Sie weniger E-Mails
Jede geschriebene elektronische Nachricht provoziert eine oder mehrere Antworten. Weniger, dafür durchdachter und pointierter formulierte E-Mails rufen weniger Nachfragen hervor.
Gewinnen Sie Zeit
Verlieren Sie kein Geld und konzentrieren Sie sich auf Ihre eigentlichen Aufgaben. Vermutlich steht in Ihrem Berufsprofil nicht "E-Mail-Schreiber". Nutzen Sie die E-Mail-Korrespondenz nur, um sich über wichtige Inhalte mit Kollegen und Kunden auszutauschen.
Keine Kritik in einer E-Mail
Auch sachlich gemeinte Verbesserungsvorschläge kommen per E-Mail vermutlich falsch an. Das persönliche Gespräch schafft schneller Klarheit und ist in den meisten Fällen weniger verletzend.
Feste Lesezeiten einhalten
Deaktivieren Sie alle akustischen und optischen Signale für eingehende Nachrichten. Die erste Stunde am Morgen sollten Sie für wichtige Aufgaben verwenden und keinesfalls für scheinbar witzige Ketten-Mails von Kollegen. Idealerweise sollten Sie nur dreimal täglich Nachrichten lesen und beantworten.
E-Mails am besten gleich bearbeiten
Am effektivsten ist es, E-Mails nur dann zu lesen, wenn man auch zum Antworten kommt. Die "Sofort-Regel" spart Zeit. Jedoch leidet darunter oft die Konzentration.
Richten Sie ein Ablagesystem ein
Bearbeitete und beantwortete E-Mails sollten Sie möglichst sofort ablegen. Ins Posteingangsfach gehören nur neu angekommene und ungelesene Nachrichten.
Löschen Sie großzügig
E-Mails löschen wirkt befreiend, selbst wenn der Speicherplatz Ihres E-Mail-Accounts besonders groß ist.

Risikoreiches E-Mail-Verhalten

Den meisten ist es nur peinlich, eine E-Mail falsch verschickt zu haben. Doch die Folgen können auch viel schlimmer sein.
Foto: Varonis

Obwohl oder gerade weil wir jeden Tag so viele Nachrichten schreiben, passieren immer wieder Fehler. Wie Varonis herausfand, waren die meisten Fehler: Viele gaben zu, unanständige Witze verschickt zu haben, eine E-Mail aus Versehen an die falsche Person geschickt zu haben, interne Kommunikation an Klienten weitergeleitet zu haben und Adressen statt in Blindkopie leider ins normale "cc" gesetzt zu haben. Das passiert schon mal - es kann aber schlimme Folgen haben. Die große Mehrheit gab zwar an, dass sie ihr Missgeschick "nur" in Verlegenheit brachte. Aber mehr als jeder zehnte (11,5 Prozent) hat wegen so etwas schon einmal seinen Job verloren, 7,7 Prozent wurde deswegen nicht befördert und 6,4 Prozent hatten dadurch sogar Probleme mit der Compliance.

So besiegen Sie die E-Mail

Für die Studie "Digital Work Habits" befragte Varonis im September vorigen Jahres 127 Entscheider und Angestellte aus 92 verschiedenen Organisationen. Der Rücklauf bestand zur Hälfte aus kleinen bis mittelgroßen Firmen und zur Hälfte aus großen Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern.