Pharma & Healthcare

Geheime Pillen-IT

04.07.2005 von Christoph Lixenfeld
Pharma- und Gesundheitsunternehmen schützen ihr Know-how, so gut es geht. Entsprechend wichtig sind die Themen Wissensmanagement und Sicherheit.

KEINE ANDERE BRANCHE in Deutschland muss sich so stark und so dauerhaft mit immer neuen Vorgaben des Gesetzgebers auseinander setzen wie der Pharmabereich. Bei jeder Entwicklung eines neuen Produkts und jeder Testreihe sind die Hersteller verpflichtet, sämtliche Details haarklein zu dokumentieren. Dabei fallen riesige Informationsmengen an. Schwarz Pharma beispielsweise hat in den vergangenen zwölf Monaten in diesem Zusammenhang mehr Daten archiviert als in den gesamten fünf Jahren zuvor.

Informationen sicher aufbewahren und austauschen zu können spielt für die Branche eine überragende Rolle. Für den gesamten E-Mail-Verkehr verlässt man sich in der Regel auf Lotus Notes, weil die Lösung als sehr sicher gilt und zudem im Ruf steht, auch mit sehr großen Nutzerzahlen fertig zu werden.

Diese User sind über den ganzen Globus verteilt. Unternehmen wie Fresenius, Schwarz oder Merck agieren global und ringen international um Marktanteile. Die Nase vorn hat dabei, wer sein in den Verästelungen eines weit verzweigten Konzern verborgenes Wissen zusammenführt und den Know-how-Trägern einen optimalen Austausch ermöglicht. Wie so etwas in der Praxis umgesetzt werden kann, zeigt ein Projekt, das der Softwarehersteller IXOS für Merck aufgesetzt hat: Das webbasierte Austauschforum wird von 22000 Anwendern auf der ganzen Welt genutzt.

Was die betriebswirtschaftlichen Standardfunktionen angeht, verlässt sich die Branche ganz auf SAP. R/3 und seine Module gelten als das Maß der Dinge, wobei internationale Expansion und die Akquisition anderer Unternehmen in der Regel mit Plänen zum weltweiten SAP-Roll-out begleitet werden. Zu diesem Zweck suchen die Firmen noch immer regelmäßig geeignetes Personal.

Der Hang, nur standardisierte Komponenten zu nutzen, resultiert auch aus der Rolle, die die IT für die Pharmaunternehmen im MDAX spielt: Man muss sich damit beschäftigen, aber IT ist nicht Teil des Kerngeschäfts. Selbst entwickelt wird nur dort etwas, wo es um medizin- und pharmatypische Spezialgebiete geht. Und sogar hier stehen mittlerweile Standardlösungen zur Verfügung: Das Branchenmodul zur Patientenverwaltung IS-H von SAP setzt sich nach gewissen Startschwierigkeiten immer mehr durch. Es erleichtert vor allem Krankenhäusern die Patientenabrechung nach dem vor zwei Jahren eingeführten, von vielen Experten als zu kompliziert und unausgegoren kritisierten Prinzip der Fallpauschalen.

Fallpauschalen bewirken neue Lösungen

Von den Unternehmen aus dem Healthcare-Sektor, die im MDAX notiert sind, betrifft das die Rhön-Klinikum AG sowie Fresenius mit seinen Spezialkrankenhäusern für Nierenkranke. Ebenfalls beliebt im Krankenhausbereich ist die elektronische Patientenakte iMedOne der Kölner Spezialisten ITB AG, die sich leicht in die SAP-Welt integrieren lässt.

Die IT-Abteilungen konzentrieren sich weitgehend auf Pharma- und Gesundheitsthemen. Das wird ihnen dadurch erleichtert, dass die Branche als gewinnträchtiges Zukunftsfeld gilt und deshalb die großen Softwareanbieter immer mehr maßgeschneiderte Module und Lösungen zur Verfügung stellen werden. Und da, wo sie Nischen unbesetzt lassen, treten schnell kleine Hersteller mit entsprechenden Lösungen auf den Plan.

Internet-Technologie spielt hier - abgesehen von der unverzichtbaren Selbstdarstellung des Unternehmens - in erster Linie für den internen Austausch eine Rolle. Mit einer Ausnahme: Stada stellt allen Interessierten quasi einen Katalog seiner Medikamente online zur Verfügung. Die kann man zwar nicht direkt beim Hersteller kaufen, aber die Kundschaft detailliert zu informieren, kann in Zeiten zunehmender Selbstmedikation auch ein Wettbewerbsvorteil sein.

Was das Thema Outsourcing angeht, verhält sich die Branche relativ konservativ: Den Betrieb von Anwendungen und Infrastrukturen überlässt man gerne anderen, bei der Weiterentwicklung und Pflege von Applikationen legt man lieber selbst Hand an, auch weil die komplexen Zulassungs- und Kontrollverfahren bei Medikamenten oft individuelle oder zumindest genau angepasste Lösungen erfordern.

Fresenius verwandelt IT-Leistungen in Geld

Einen Sonderfall stellen die Fresenius AG und ihre Tochter Fresenius Netcare dar. Diese betreut nicht nur die gesamte IT des eigenen Konzerns, sondern tritt auch als spezialisierter IT-Dienstleister auf dem Drittmarkt auf. Insofern gehört dieser Bereich bei Fresenius in gewisser Weise zum Kerngeschäft. Wie im Falle anderer IT-Töchter auch, geht es darum, intern erworbenes, spezielles Know-how extern zu Geld zu machen. Über den Healthcare-Markt rollt derzeit eine Fusions- und Akquisitionswelle hinweg, und damit verbunden ist auch eine rasante Internationalisierung von Unternehmen, die sich als klassische Mittelständler einst auf regionale Märkte beschränkten. Um die rasch wachsende Zahl der neuen Tochterfirmen und Unterorganisationen in den Griff zu bekommen, setzt die Branche auf Standardlösungen. Und das heißt auch, ebenso wie auf anderen Märkten: Ohne SAP läuft nichts. Oder mit anderen Worten: The winner takes it all.