Marketing für Veränderungen

Gemeinsam schmutzige Wäsche waschen

02.12.2004 von Johannes Klostermeier
Change-Marketing-Spezialisten unterstützen Manager, Veränderungen besser anzunehmen. Eine schlüssige "Change-Story" erklärt die notwendigen Neuerungen. Dazu müssen Führungskräfte auch schon mal zusammen benutzte Handtücher waschen.

„DIE AKZEPTANZ der Mitarbeiter zu erreichen ist eine der schwierigsten Aufgaben im Zuge eines Veränderungsprozesses“, sagt Andreas Kirsche. Der Hamburger Kommunikationsexperte behauptet von sich, den Begriff „Change Marketing“ erfunden zu haben. Nach einem „Büro für Ereignisse“ gründete er „Die Agentur für Veränderung“. Kunden wie Airbus, Daimler-Chrysler, die Hypovereinsbank und der Axel Springer Verlag haben den 43-Jährigen schon hinzugezogen, um ihren Mitarbeitern den Wandel schmackhaft zu machen.

„Viele Menschen haben Angst vor Veränderungen, das ist ganz normal“, sagt Kirsche. Mit einer Mischung aus Psychologie, Kunst und BWL gestaltet er symbolische Projekte, mit denen er den Menschen die Furcht nehmen will. „Denn derartige Wechsel bedeuten auch neue Chancen“, sagt er. „Wir wollen ihnen deshalb in Geschichten und anschaulichen Bildern ihren persönlichen Nutzen erkennbar machen.“

Seine Vorschläge sind so spektakulär wie witzig, wenn etwa Teilnehmer einer Konferenz überraschend das Mobiliar selbst aufstellen müssen. „Leider ist das Organisationsteam mit Magen-Darm-Grippe im Krankenhaus“, teilen Undercover-Schauspieler mit. Oder alle Angestellten schnippeln an langen Bänken Gemüse und kochen in einem riesigen Topf Suppe. Einmal stellte Kirsche zehn große Waschvollautomaten und Wäschetrockner im Foyer auf. Die Mitarbeiter wurden bereits in der Einladung dazu aufgefordert, für ein „Experiment“ ein schmutziges Wäschestück mitzubringen. Das Problem war eine Fusion zwischen zwei Großbanken, ein Unternehmensbereich zog in gemeinsamen Räumen zusammen. Die Kommunikationslösung: eine Post-Merger-Integrations-Veranstaltung unter dem Motto „Schmutzige Wäsche waschen“ - im ursprünglichen Sinne des Wortes. Kirsche wollte damit „das, was ohnehin stattfindet, öffentlich und behandelbar machen“.

Die Inszenierung sollte den Geschäftsführern dazu dienen, sich öffentlich zu einem neuen Stil zu verpflichten. Dazu Kirsche: „Das Motto sollte sein: Uns ist bewusst, dass auch wir uns an dieser schmutzigen Wäsche beteiligt haben. Wir sind darüber nicht glücklich. Wir werden in Zukunft alles daran setzen, uns über die unangenehmen Dinge offen und ohne Vorbehalte auszutauschen.“ Den Chefs sei es durch den offensiven Umgang gelungen, ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. „Für die Mitarbeiter war diese symbolische Verpflichtung wie eine Befreiung“, so Kirsche.

Daimler-Chrysler bestellt Spaß

Für den Kommunikationsprofi ist es wichtig, „dass die Menschen, die oft die Haltung von Pauschaltouristen haben, in Bewegung kommen.“ Bei Daimler-Chrysler ging es um einen Strategie-Konvent, bei dem ein einheitliches Strategieverständnis vermittelt werden und Aufbruchstimmung erzeugt werden sollte. „Wir wollten eine motivierende Mitarbeiterveranstaltung mit neuen überraschenden Akzenten“, berichtet Matthias Groß, in Stuttgart verantwortlich für Change Management im Firmenangehörigengeschäft. „Viel Spaß und eine gute Atmosphäre standen dabei im Vordergrund. Genau das haben wir bekommen.“

Typisch ist auch ein Führungskräfte-Workshop von Managern der MTU Aero Engines in München, die sich aufmachen sollten in „andere Welten“, zu Menschen, die auf den unterschiedlichsten Gebieten Experten sind. Auf so einer „Expedition“ sei all das positiv besetzt, was man im Alltag normalerweise nicht besonders schätze: „Unbekanntes, Anstrengung, die Überwindung von Schwierigkeiten“, sagt Kirsche.

So erfuhren die Ingenieure des Flugzeugtriebwerkbauers auf der zweitätigen Forschungsreise in einem Gespräch mit einer Ethnologin im Museum für Völkerkunde etwa, wie man sich auf fremde Kulturen einstellen kann und wie andere Völker und Kulturen mit Eroberung umgehen. Anschließend fuhren die Führungskräfte auf die größte Baustelle am Ort und diskutierten mit dem Oberbauleiter darüber, wie komplexe Bauprojekte gemanagt werden. Danach trafen sie sich mit einer Krisenmanagerin, die schon beim Bahn-Unglück in Eschede geholfen hat. Die Frage lautete hier: Wie kann jemand in dramatischen Situationen Nerven und Überblick behalten?

„Das war eine sehr witzige und überraschende Idee, weil es doch erstaunlich viele Analogien zur Wirtschaft gab, die ich in meiner täglichen Arbeit umsetzen kann“, sagt der Münchener MTU-Abteilungsleiter Axel Mattschas, der im November 2003 an einer Expedition teilgenommen hat.

Die Mitarbeiter der meisten Firmen mussten schon diverse Change-Management-Offensiven über sich ergehen lassen – „meist ohne nennenswerten Effekt“, sagt Kirsche, der jetzt ein Buch zum Thema plant. Kirsche: „Man braucht viel Feingefühl, damit eine Veranstaltung wirklich authentisch und glaubwürdig ist und auch nachhaltig wirkt.“ Bei der Planung legt er deshalb stets großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den Schlüsselfiguren des Unternehmens. „Von außen würde es fremd bleiben. Da würde dann halt wieder nur eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Und die Mitarbeiter sitzen das einfach aus.“