Unhaltbare Mythen

Generation Y und Z verblüffend altmodisch

26.04.2016 von Christoph Lixenfeld
Ein Diskussionsband des Roman Herzog Instituts befasst sich mit Arbeits- und Lebenseinstellungen der ab 1980 Geborenen. Die sind bemerkenswert konservativ.
  • Wer sich mit den nach 1980 Geborenen beschäftigt, kommt an einer Reihe von Klischees offenbar nicht vorbei.
  • Dabei sind viele Zuschreibungen kaum belegbar.
  • Die Jungen sind wenige, deshalb werden sich Arbeitgeber auf ihre Wünsche einlassen müssen.

In den unzähligen Artikeln und Studien über die sogenannten Generationen Y und Z, die in den zurückliegenden Jahren erschienen sind, ging es im Kern um die Frage, ob die Kids nicht zu verwöhnt sind und zu selbstverliebt, um wie ihre Väter hart zu arbeiten und sich unterzuordnen.

Der Diskussionsband des Roman Herzog Instituts, das sich als eine Art ordnungspolitischer Think Tank für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland versteht, heißt "Die Generation von morgen" und will nicht einfach zum x-ten Mal in diese Kerbe schlagen.

Ihre Wünsche, Einstellungen und Bedürfnisse

Ziel der Publikation ist es stattdessen, die nach 1980 Geborenen, ihre Wünsche, Einstellungen und Bedürfnisse, aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven zu betrachten. Nämlich aus der von Betriebswirtinnen, Historikern, Soziologen und Psychologen.

Sie alle beschäftigen sich intensiv mit jenen Mythen, die wie ein altes Kaugummi an den Generationen Y (ab 1980 geboren) und Z (ab ca. 1995 geboren) kleben: schlaffer Aufstiegswille, mangelndes Interesse an Materiellem, Faulheit und Betonung der Freizeit, kommunikative Verarmung durch zu viel Facebook und eine geringe Anerkennung von Autorität(en).

Vollbärte, Karohemden, Apple-Computer und alberne Hüte: Auch die Bilder zur Generation Y lassen kein Klischee aus.
Foto: AstroStar-shutterstock.com

Randolf Rodenstock appelliert an glaubwürdigen Führungsstil

Im Mittelpunkt der Beiträge stehen die 30- bis 35-jährigen, also der ältere Teil der Kohorte, wobei mehrere Autoren betonen, dass es eine klare Definition der Altersgrenze zwischen "Generationen" nicht gebe.

Das Eingangsstatement des Bandes stammt von Randolf Rodenstock, langjähriger Vorstand und heutiger Aufsichtsrat der gleichnamigen Optik-Firma.

Das Bild täuscht: Die Jungen sind die "Generation der Wenigen", deshalb sitzen sie am längeren Hebel.
Foto: Dima Sidelnikov - shutterstock.com

Der Unternehmer stellt nicht grundsätzlich in Abrede, dass die Jungen zum Beispiel ein eigenes Verständnis von Autorität haben, beziehungsweise dass sie "Zuspruch, Aufmerksamkeit und Unterstützung im Arbeitsleben als selbstverständlich voraussetzen, weil sie es von ihrer eigenen Erziehung gewohnt sind." Ein Problem sieht er darin aber nicht. Im Gegenteil: Seiner Meinung nach können Unternehmen sogar profitieren, wenn sie sich auf die neue Mentalität einlassen.

Zitat: "Dass ein authentischer und glaubwürdiger Führungsstil, der die Mitarbeiter miteinbezieht und in einer Kultur des Vertrauens Widerspruch und Querdenken zulässt, das Betriebsklima verbessert, die Zufriedenheit aller Mitarbeiter steigert und die Produktivität erhöht, sind Erkenntnisse, die sich in den Chefetagen immer mehr durchsetzen. Diesen Prozess werden die jungen Generationen aktiv vorantreiben."

Hohes Sicherheitsbedürfnis

Was auch daran liegt, dass sie die "Generation der Wenigen" und sich der daraus resultierenden Macht voll bewusst sind. Entsprechend optimistisch blicken die um die 30-jährigen in ihre berufliche Zukunft, trotzdem haben sie ein hohes Sicherheitsbedürfnis, dieser Punkt wird von mehreren Autoren des Bandes betont.

Ursache dafür könnte sein, dass alle nach 1980 geborenen - subjektiv empfunden - in Zeiten drastischer politischer und wirtschaftlicher Veränderungen, Krisen und globaler Katastrophen aufwuchsen, während die Babyboomer ihre Adoleszenz im Kalten Krieg zwar als erstarrt, aber zugleich als verlässlich und sicher wahrnahmen.

Und abends Party: Die Generation Z will feste Arbeitszeiten, um ihre Freizeit verlässlich planen zu können.

Arbeitgeber vom Typ öffentlicher Dienst bevorzugt

Christian Scholz, BWL-Professor an der Universität des Saarlandes, beschäftigt sich im Gegensatz zu den anderen Autoren intensiv mit der Generation Z, also mit den heute maximal 17-jährigen, zu deren Wünschen und Befindlichkeiten er elf Thesen aufstellt. Nach Ansicht von Scholz unterscheidet sich diese Generation massiv von allen davor, schon weil sie die erste ist, die eine Welt ohne WLAN und Smartphone nicht kennt.

Darüber hinaus betone sie manche Präferenzen der Generation Y noch deutlicher. Scholz schreibt, die jüngeren bestünden auf einer klaren Trennung zwischen beruflicher und privater Sphäre. Sie verlangten nach klaren Regeln zur Arbeitsgestaltung, weshalb sie Arbeitgeber vom Typ öffentlicher Dienst bevorzugten.

Die Anspruchshaltung irritiert

Für die Generation Z seien feste Arbeitszeiten eine ideale Lösung, um ihre Freizeit nach Feierabend planen zu können. Und: "Es ist ein Mythos, dass die Generation Z always on, also immer betriebsbereit sei. … Dennoch versteht sie Arbeitszeit als Lebenszeit, in der sie sich wohlfühlen will. Deshalb richtet sie ihren Arbeitsplatz als eine Art Zweitwohnung mit persönlichen Gegenständen ein."

Diese Generation verabschiede sich endgültig vom Arbeitsalltag als Hamsterrad. Während sich die Generation Y einen flexiblen Übergang zwischen Arbeit und Privatleben wünschte, möchte die Generation danach beides strikt voneinander trennen.

Wenig Loyalität und Fairness gegenüber dem Arbeitgeber

Außerdem, schreibt BWL-Professor Scholz, wollten die Jungen zwar gefragt werden und mitentscheiden, aber keine Mitverantwortung übernehmen. Außerdem fühlten sie sich kaum an Unternehmen gebunden. "Loyalität und Fairness dem Arbeitgeber gegenüber sind keine Attribute dieser jungen Generation", Loyalität Freunden und der Familie gegenüber aber schon.

Wer nicht always leistungsbereit und verfügbar ist, macht sich hochgradig verdächtig.
Foto: Dron - Fotolia.com

Jede Generation schreibt ihr eigenes Kapitel

Am brisantesten ist Scholz´ elfte und letzte These: "Die Generation Z lernt aus den Medien, dass sie den demografischen Vorteil auf ihrer Seite hat. Daraus folgert sie, dass Arbeitgeber sich auf ihre Wünsche einzustellen haben. Unternehmen sind bereits jetzt irritiert über die Anspruchshaltung der Generation Z."

So weit, so ernüchternd, zumal gerade Anspruchshaltung und mangelnde Loyalität mehrfach im Diskussionsband des Roman Herzog Instituts thematisiert werden.

Bild der "vollkommen anderen" Generation kaum haltbar

Zum Glück rückt Michael Zibrowius, Economist am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, die ganze etwas klischeehafte Generationenbetrachtung am Ende des Bandes zurecht.

Der jüngste der Autoren sagt, dass das in den Feuilletons häufig gezeichnete Bild der "vollkommen anderen" Generation empirisch kaum haltbar ist. "Ein statistisch signifikanter und ökonomisch relevanter Unterschied, der einzig auf die Zugehörigkeit zu einer anderen Geburtenkohorte zurückzuführen ist, lässt sich nicht belegen."

Stattdessen seien die Unterschiede der Arbeitswelten, der Arbeitszeiten und der Zufriedenheit eher auf Faktoren zurückzuführen, die zwar mit bestimmten Generationen korrelierten, aber nicht kausal mit ihnen zusammenhingen. So hätten heute mehr Menschen einen höheren Bildungsabschluss, außerdem sei die Frauenerwerbstätigkeit höher als früher.

Work-Life-Balance stammt aus den 1950ern

Am Ende seines Beitrags fragt Michael Zibrowius: "Was also bleibt festzuhalten mit Blick auf die Generation von morgen? Es sind die großen Themen wie Digitalisierung, Fachkräfteengpässe, demografischer Wandel und Zuwanderung, welche die Generationen von morgen begleiten und formen werden. Sie stecken den Rahmen ab, in dem sich diese Generation bewegt. Je nachdem, wie sich die sozialen, gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen entwickeln werden, wird die Generation von morgen ihr ganz eigenes Kapitel schreiben und sich entsprechend von ihren Vorgängern abheben."

Wie ihre Urgroßeltern

Oder auch nicht. Denn einiges, vor allem was über die Generation Z, also die etwa 20-jährigen, geschrieben wurde, erinnert doch sehr an die Generation ihrer Urgroßeltern. Die Sehnsucht nach festen Arbeitszeiten und einer strikten Trennung zwischen Arbeit und Freizeit sind Kinder der 50er Jahre, genauer gesagt begann die Gewerkschaftskampagne für die 5-Tage-Woche ("Samstags gehört Vati mir") 1956. Und auch die Sehnsucht nach einer Lebensstellung auf dem Amt war (gerade) in dieser Zeit weit verbreitet.

So gewinnen Sie die Generation Y für sich
Die Generation Y ...
... hat eine andere Einstellung zu Arbeit und stellt Personaler und Führungskräfte vor neue Herausforderungen.
Katja Loose, Hamburger Management- und Karriereberaterin, ...
empfiehlt: "Regelmäßige Feedback-Gespräche sind eine wirksame Möglichkeit, Generationenkonflikte zu entschärfen und sich gegenseitig besser zu verstehen." Sie hat zehn Ratschläge in petto: ...
Bereiten Sie sich inhaltlich und persönlich optimal vor:
Was ist Ihre Zielsetzung? Was möchten Sie positiv oder kritsch zurückmelden?
Verpacken Sie das Feedback als Geschenk:
Nehmen Sie eine wertschätzende Haltung ein, dann kommt Ihre Botschaft an.
Seien Sie fair:
Kritisieren Sie nie den Menschen als Ganzes, sondern nur den Aspekt, der Sie stört.
Keine Angst vor Tränen:
Der Ypsiloner kann oft schlecht mit Kritik umgehen. Mit Gelassenheit und Verständnis für die neue Generation meistern Sie auch schwierige Themen.
Schließen Sie nicht von sich auf andere:
Erklären Sie dem jungen Mitarbeiter ungeschriebene Gesetze und Verhaltensregeln im Unternehmen - wenn nötig immer wieder neu.
Eigenverantwortung durch Fragen
Bringen Sie Ihren Youngster in Eigenverantwortung, indem Sie ihn durch Fragen lenken und ihn selbst passende Lösungen finden lassen.
Ziele und Leitplanken
Geben Sie Ziele und Leitplanken vor, aber lassen Sie Ihren Mitarbeiter den Weg dorthin möglichst frei gestalten.
Talente aufspüren
Konzentrieren Sie sich auf die Talente, denn da liegt das Potenzial: Fragen Sie nach Hobbys und Interessen des Ypsiloners, um mehr über seine Begabungen zu erfahren.
Definieren Sie Ihre Rolle als Vorgesetzter:
Wollen Sie zum Beispiel Leuchtturm, Herbergsvater, oder Mutter Courage für den jungen Menschen sein?
Nicht von oben herab
Bleiben Sie auf Augenhöhe und halten Sie die bekannten Feedback-Regeln ein: zeitnahe Rückmeldung, ICH-Botschaften, konkret und konstruktiv formulieren!