Edeka strafft interne Kooperation

Genossen halten zusammen

03.11.2003
Alle 4400 Edeka-Einzelhändler und sieben Großhandelsbetriebe kaufen Waren, lassen sie liefern und verkaufen sie wieder. Was banal klingt, setzt ein Räderwerk in Gang, für das viele Großhandelsbetriebe eigene Geschäftsprozesse und damit entsprechende IT-Verfahren etabliert haben.

Seit fast einem Jahr reisen Norbert Badenhop,einer von zwei Geschäftsführern des Geschäftsbereichs Datenverarbeitung in der Hamburger Edeka-Zentrale, und Birgit Hecking, Leiterin Produkt- und Dienstleistungsmarketing, quer durch Deutschland, um den Managern der 14 Genossenschaften und sieben Großhandelsbetrieben die Vorteile der Zusammenarbeit zu erläutern. Die Lebensmittelkette Edeka hat ihre IT-Organisation neu strukturiert und will stärker auf Synergien in der Gruppe setzen. In den neuen StrategiekreisenEinkauf, Logistik, Vertrieb und Finanzen formulierenManager der Einkaufsgenossenschaft zusammen mit den beiden aus der Zentrale ihre Anforderungen an die IT.

Daneben hat Edeka als Querschnittsarbeitsgruppe den "Strategiekreis IT" (SK IT) ins Leben gerufen, der aus IT-Leitern der Großhandelsbetriebe besteht. Sie priorisieren Projekte, entscheiden darüber, was gemeinsam umgesetzt und eingekauft werden soll, und legen eine gemeinsame Linie für den Produkteinkauf vor.

Der SK IT setzt um, was Einkäufer, Logistiker, Vertriebler und Finanziers in den Fachstrategiekreisen festlegen. Sie geben die Geschäftsziele vor und entscheiden darüber, welche Projekte die IT wann und in welchem Umfang umsetzen soll. Dabei müssen die Manager lernen, keine Projektarbeit zu leisten, sondern nur in Gremienarbeit zu entscheiden. "Die Fachstrategiekreise generieren die Projekte", erläutert Hecking, die sich um die operative Umsetzung der neuen IT-Strukturen kümmert.

Die neue Organisation hat erst im Sommer 2003 zu arbeiten begonnen. Ungewöhnlich, schließlich stellt das gemeinschaftliche Handeln das Prinzip der 1898 als Einkaufsgenossenschaft deutscher Kolonialwaren- und Lebensmittel-Einzelhändler (EDEKA) gegründeten Gruppe dar. Doch der Genossenschaftsgedanke hat auch zurFolge, dass jedes Mitglied selbst entscheidet, ob es an gemeinsamen IT-Projekten teilnehmen will. "Die Neuorganisation haben wir eingeführt, weil wir mehr und mehr nationale Themen gemeinsam durchführenmüssen", erklärt Badenhop den Grund für die späteReform. Er initierte die IT-Neuorganisation bei Edeka. Als treibende Kraft brachte er die Veränderungen zusammen mit den Geschäftsführern der sieben Edeka-Großhandelsbetriebe ins Rollen. Allerdings hebt er auch dieVorteile der Unabhängigkeit der Genossen hervor: "Das hat uns in Zeiten des E-Commerce-Hypes vor vielen teuren Fehlschritten bewahrt."

Letztlich trieb der Kostendruck die Genossen zu engerer Zusammenarbeit. Denn auch Edeka (32,5 Milliarden Euro Gruppenumsatz 2002, 4400 Einzelhändler mit rund 9100 Geschäften) kann es sichangesichts geringer Margen im Lebensmittelhandel nicht leisten, wenn jeder Großhandelsbetrieb die gleichen Geschäftsprozesse auf seine eigene Weise abwickelt. "Die Geschäftsabläufe in Bayern unterscheiden sich kaum von denen im Ruhrgebiet. Das genau ist der springende Punkt, auf den wir bei unserer Argumentation mit den Genossenschaften und Großhandelsbetrieben abheben", sagt Badenhop.

Die parallelen Verfahren kosten außerordentlich viel, weil die Schnittstellen zur Hamburger Zentrale und zu anderen Betrieben sauber gehalten und bei Neuanschaffungen immer wieder neu abgestimmt werden müssen. "Diesen Flickenteppich wollen wir Schritt für Schritt, mit jedem neuen Projekt, bereinigen", so Geschäftsführer Badenhop.

Die Projekte werden auch in Zukunft nicht ausschließlich in der 200 Mitarbeiter starken IT-Zentrale in Hamburg erarbeitet. So sollen zum Beispiel beim Support und vor allem bei der fachlichen Gestaltung der Geschäftsprozesse die Regionen ihr Fachwissen allen Beteiligten zur Verfügung stellen.

Um den sehr komplexen Wandel der IT auch planmäßig umzusetzen, hat Edeka den "Arbeitskreis Architektur" als eigenständiges Gremium gegründet. "Die Architektur ist die alles verbindende Klammer für die Projekte", so Hecking. Das neue Architektur-Handbuch liegt schon seit einigen Wochen bei allen Managern und IT-Abteilungen auf dem Tisch und ist auch jedem "Edekaner" zugänglich. In diesem Handbuch hat der Arbeitskreis festgelegt, nach welchen Grundsätzen die System- und Anwendungsarchitektur künftig ausgerichtet werden soll. Hecking: "Das Handbuch ist praktisch unsere Bibel."

Außerdem hat der SK IT für die Mammutaufgabe derProdukt- und Lieferantenauswahl den "Arbeitskreis Lizenzen, Verträge und Beschaffung" gegründet. Die Dienstleister werden nicht nur nach dem Schema ausgewählt: Mindestanforderungen und K.o.-Kriterien formulieren, Preise vergleichen. Vielmehr müssen die Anbieter auch die Randbedingungen von Edeka erfüllen. So stoßen einige Großhandelsbetriebe wegen desInvestitionsschutzes erst in ein zwei Jahren zu einem Projekt. Dies wirft Fragen auf wie: Wird das System verändert, bis der letzte Kandidat hinzustößt? Welchen Anpassungsaufwand bedeutet das? Welche Lizenzgebühren entstehen wann? Wie wird unter diesen Bedingungen ein Rahmenvertrag gestaltet? "Wir beurteilen deshalb die Anbieter extrem hart", räumt Hecking ein. Außerdem ver-langen die Großhandelsbetriebe Investitionsschutz von den gewählten IT-Dienstleistern."Allein bei der Kosten-Nutzen-Analyse haben wir einen sehr hohen Detaillierungsgrad. Die ganze Projektdurchführung ist derart komplex, das kann man sich kaum vorstellen", fasst Birgit Hecking zusammen.

Weil die Lebensmittellieferungen in die Märkte nicht ausfallen dürfen und sich auch kein Markt den Ausfall der Kassensysteme leisten kann, müssen Dienstleister bei Problemen schnell reagieren können. Das schränkt die Auswahl ein. Hier muss die Edeka-Fachfrau den Kaufleuten adäquate IT-Denkweisen vermitteln: "Kann der Dienstleister im Notfall die Schalter auf einen anderen Server umlegen, damit der Betrieb sichergestellt ist?" Trotzdem wählt Edeka nicht nur große Dienstleister aus. Wenn ein Markt seltene Kassen- oder Waagensysteme einsetzt, sei ein kleiner lokaler Dienstleister oft besser. Heckings Prognose: "Gerade in den Regionen wird es noch über Jahre eine Fülle an Arbeit für kleinere Anbieter geben."

Während die Großhandelsbetriebe beim Beschaffungsmanagement schon seit fünf Jahren als gemeinsamer Kunde auftreten, sollen Lieferantenauswahl und -management in den kommenden zwölf Monaten aufgestellt sein. Dann wird auch die IT bei Edeka nicht mehr unter dem etwas langatmigen Namen "Edeka AG Geschäftsbereich Datenverarbeitungfirmieren, sondern unter einem neuen Namen auftreten. Auf konkrete Angaben zur Roadmap und zu den geplanten Einsparungen mag sich Hecking nicht festlegen. "Der Nutzen liegt in effizienteren und effektiveren Geschäftsprozessen; das kann ein enormer Schub nach vorne sein."