Interview der Woche

Gesundheitskarte: "Ärzte vom Nutzen überzeugen"

29.08.2007 von Stefan Holler
Seit Anfang August führt Carl-Heinz Müller, Vorstand bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die gematik an. Die Gesellschaft bereitet im Auftrag der 15 Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sowie den Aufbau der dazugehörigen Telematikstruktur in Deutschland vor. Für den neuen Vorsitzenden bedeutet das auch, die teils unterschiedlichen Interessen der Spitzenverbände in Bezug auf das größte IT-Projekt im Gesundheitswesen auf einen Nenner zu bringen. Keine einfache Aufgabe.
Carl-Heinz Müller, gematik-Vorsitzender und KBV-Vorstand: "Der Datenschutz hat für uns Ärzte oberste Priorität."

Herr Müller, Sie sind seit Anfang August neuer Chef der Gematik. Welches wichtige Ziel haben Sie sich für die kommenden zwölf Monaten gesetzt?

Was wir vor allem brauchen, ist die Akzeptanz der Anwender der Karte, das heißt der Ärzte und Patienten. Ohne sie ist das Projekt von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die Ärzte in die Entscheidungsprozesse einbezogen und ihre Erfahrungen in den Testregionen ernst genommen werden. Oberste Priorität hat für uns der Datenschutz. Dieser muss bei allen Anwendungen gewährleistet sein. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Finanzierung. Die Einführung der Karte darf für die Ärzte weder zusätzliche Kosten, noch ein Mehr an Bürokratie verursachen.

Wenn es nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums geht, sollen die Gesundheitskarten spätestens Mitte nächsten Jahres an die Bevölkerung verteilt werden. Halten Sie den Beginn für realistisch angesichts derzeit noch vieler ungeklärter Fragen?

Die Gesellschafter haben die gematik beauftragt, bis Ende September einen Plan für den flächendeckenden Rollout vorzulegen. Dieser bleibt abzuwarten und muss darüber hinaus von den Gesellschaftern abgesegnet werden. Vorher lassen sich keine verbindlichen Aussagen über Zeitpläne machen. Was sich aber jetzt schon sagen lässt, ist, dass es sich bei dem Kartentyp, der ab 2008 ausgegeben werden kann, lediglich um eine Karte handelt, die noch keine zusätzlichen Funktionen enthält, wie etwa den Notfalldatensatz. Im Prinzip handelt es sich um eine Krankenversichertenkarte mit einem Foto des Karteninhabers und einem sichereren Prozessorchip. Weitere Funktionen werden erst später hinzukommen.

Sehen Sie den Datenschutz bei der aktuellen Ausgestaltung der Gesundheitskarte als gewährleistet an oder sind hier noch weitere Maßnahmen erforderlich?

Eine wichtige Maßnahme zum Datenschutz ist beispielsweise, dass nur Leistungserbringer auf die Patientendaten zugreifen können, die über einen sogenannten elektronischen Heilberufeausweis (HBA) verfügen. Bislang ist dieser allerdings bei den Tests noch nicht zum Einsatz gekommen. Das ist einer der Punkte, in dem die kommenden Tests erst noch Klarheit bringen müssen. Grundsätzlich stehen wir beim Thema Datenschutz in permanentem Austausch mit dem zuständigen Bundesbeauftragten, so dass hier eine stete Kontrolle stattfindet.

Künftig soll bei der Gesundheitskarte auch die elektronische Signatur zum Einsatz kommen. Ist die Technik hierfür schon ausgereift?

Der Ersatz der handschriftlichen Unterschrift durch die elektronische Signatur ist mittlerweile eine etablierte und anerkannte Methode. Allerdings ist die Benutzerfreundlichkeit hier noch ausbaufähig; die Anbieter verwenden zum Teil unterschiedliche Betriebssysteme. Hier bedarf es noch Absprachen bezüglich der Kompatibilität.

Wie bewerten Sie derzeit die Entwicklung der Tests in den Modellregionen?

Bislang ist lediglich getestet worden, ob die Kartenlesegeräte die eGK überhaupt erkennen. Für die Ärzte in den Testregionen ist es aber immens wichtig, dass auch spätere Pflichtanwendungen wie das elektronische Rezept und freiwillige Anwendungen wie der Notfalldatensatz getestet werden. Diese Praxistests stehen noch aus.

Während Apotheker und Krankenkassen der Gesundheitskarte grundsätzlich positiv gegenüber gestellt sind, herrscht bei den Ärzten immer noch große Skepsis bis Ablehnung gegenüber dem Projekt vor. Wie wollen Sie als Vertreter der KBV bei den Kollegen um mehr Vertrauen werben?

Die Ärzte werden die Karte nur akzeptieren, wenn sie von ihrem Nutzen wirklich überzeugt sind. Dazu gehört ein schnellerer Informationsaustausch, eine bessere und sicherere Versorgung der Patienten (Stichwort Notfalldatensatz und Arzneimitteldokumentation) und weniger Bürokratie in der Praxis. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass mögliche Vorbehalte und Kritik der Ärzte nicht unter den Teppich gekehrt werden, sondern in die weitere Entwicklung einbezogen werden.

Eines darf man auch nicht vergessen: Die Karte, die im Laufe des Jahres 2008 in den Rollout gehen soll, entspricht vom Prinzip her einer Krankenversichertenkarte mit Bild. Die Karte ist also erheblich sicherer was die Möglichkeit des Missbrauchs angeht. Eine Krankenversichertenkarte mit Bild ist immer eine alte Forderung der Ärzteschaft gewesen.