SAP in der Pflicht

Global denken, lokal puzzlen

05.01.2007 von Robert Gammel
Deutsche Unternehmen kämpfen darum, ihre Systeme von SAP global zu standardisieren. Dies fordert auch den Softwarehersteller heraus – denn die Kunden wünschen Hilfe vom vermeintlichen Weltkonzern.

Es trifft die Export-Weltmeister: „80 Prozent unseres Umsatzes erzielen wir mittlerweile im Ausland“, beschreibt CIO Bertram König die Entwicklung der Dräger Medical AG. Das stellt den Hersteller von medizintechnischen Geräten und Systemen besonders in der Informationstechnik vor gewaltige Aufgaben. Mit einem weltweiten Rollout von SAP-R/3-Templates etabliert Dräger deshalb einen Standard, um global schneller wachsen zu können.

Viele Unternehmen verfolgen diesen Ansatz und wollen mit Hilfe der SAP-Software länderübergreifende Reports einführen, ihre Flexibilität steigern und an Geschwindigkeit gewinnen. Der Walldorfer Softwarehersteller warnt in puncto Globalisierung jedoch vor Patentrezepten: „Für die IT-Standardisierung gibt es kein allgemeingültiges Konzept“, so Michael Berchtold, Vice President Globalization Services. „Die Lösung muss für jeden Kunden individuell erarbeitet werden.“

Das überrascht natürlich keinen Kunden. Alle haben sich längst damit abgefunden, dass sie letztendlich selbst für ihre ERP-Systeme verantwortlich sind. Dennoch wünschen sich weltweit tätige Unternehmen eine bessere Unterstützung seitens des Softwareherstellers. Laut Helmuth Gümbel, Senior Research Director und Managing Partner bei Strategy Partners International, stehen global aufgestellte Anwender von ERP-Systemen generell vor dem Problem, weltweit die notwendige Unterstützung für die Implementierung und den Support ihrer Lösungen zu bekommen. SAP mache da keine Ausnahme. „Für international tätige Konzerne ist das ziemlich anstrengend“, so der Analyst. Die Kunden unterschätzten die Schwierigkeiten auch deswegen, weil sie dächten, SAP sei ein Weltkonzern.

Berchthold räumt ein, dass SAP gerade daran arbeite, eine bessere globale Key-Account-Struktur aufzubauen. Außerdem sei der Konzern schon vor geraumer Zeit aus eigener Initiative an die deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) und deren amerikanisches Pendant, die ASUG, herangetreten, um gemeinsam mit den Anwenderunternehmen an den globalen Themen zu arbeiten. Daraus ging der Arbeitskreis „Globalization“ hervor (siehe Kasten „AK Globalization“).

Otto Schell, Sprecher des Arbeitskreises und SAPProgram-Manager bei GM Powertrain Europe, sieht in der Initiative in erster Linie die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. Dort ließen sich Problemstellungen grenzüberschreitend zusammenfassen. Mit der Gründung des Arbeitskreises habe sich gleich ein ganzes Bündel an Themenfeldern ergeben. Deshalb hätten sich auch sehr schnell die drei Untergruppen „Application Architecture“‚ „Support und Wartung“ sowie „Global Rollouts und Projektmanagement“ gebildet.

Offensichtlich sehen die Anwender in den internationalen Konzernen die größten Herausforderungen nicht bei der Software selbst. „Als wir den AK gegründet haben, dachten wir, technische Details wie Unicode stünden im Zentrum des Interesses“, erklärt Matthias Herzog, stellvertretender AK-Sprecher und Chief Application Officer bei Kraft Foods Inc. in Deutschland. Doch der Schuh drückt an anderen Stellen viel stärker: „Es ging in erster Linie um Fragen des Projekt-Managements, der Organisation globaler Rollouts sowie des Supports – und wie ich das alles unter einen Hut bekomme “, erläutert Herzog.

Diese Erfahrung hat der IT-Manager auch im eigenen Unternehmen gemacht. Kraft Foods, das in mehr als 60 Ländern aktiv ist, baut derzeit eine der weltweit größten Single-Instance/Single-Client-Architekturen auf. 18 Landesgesellschaften mit rund 8000 Usern arbeiten bereits mit diesem System. „Wenn ich über die weitere Globalisierung unserer Systemlandschaft nachdenke, ist es nicht das SAP-Produkt, das mir Kopfschmerzen bereitet“, erklärt Herzog. Neben Fragen des Projektund Change-Managements beschäftigt ihn das Thema Geschäftsprozessmodellierung. Hier wünscht er sich die weitere Verbesserung des „Solution Managers“. Dieses Toolset soll die Anwender bei der Implementierung, dem Betrieb und der Wartung von SAP-Lösungen unterstützen. „Erstrebenswert wäre eine Durchgängigkeit von den Solution Maps über die Prozessmodellierung bis zu den Konfigurationseinstellungen“, so Herzog. Das gebe es in dieser Form bislang noch nicht. SAP arbeite allerdings bereits daran. Die Integration des Prozessmodellierungswerkzeugs „Aris“ zeige, dass die Walldorfer die richtigen Themen angingen.

Bei der Einführung von R/3-Templates kämpfen die Anwender aber auch mit anderen Problemen. Die Standardisierung stößt immer wieder an ihre Grenzen. Kundenbezogene Prozesse und nationale Besonderheiten wie Steuer- und Zollvorschriften zwingen die Konzerne zur Lokalisierung. Zudem gilt es, kleine Landesgesellschaften einzubinden, für die R/3-Systeme zu mächtig wären. Veka, ein Hersteller von Fenstersystemen mit Niederlassungen in mehr als 30 Ländern, gelingt dies mittels SAPs kleinstem Softwarepaket „Business One“. CIO Thomas Sauerland beklagt jedoch, dass noch Länderversionen fehlen. Etwa eine Lokalisierung für Argentinien. „Man kann dann überlegen, ob man dort mit der spanischen Version klarkommt“, so Sauerland lakonisch: „Und wenn das nicht klappt, hat man eben Pech gehabt.“

Auch Analyst Helmuth Gümbel sieht hier Nachholbedarf. In puncto Business One müsse SAP die weißen Flecken auf der Weltkarte noch tilgen. Damit die Kunden sicherer planen können, solle der Softwarehersteller auch besser kommunizieren, wann fehlende Länderversionen zur Verfügung stehen. Auch beim Support sieht Gümbel noch Mankos. Da die Software und der Support nur über SAP-Partner bezogen werden können, falle die Qualität der Services je nach Land sehr unterschiedlich aus. Hier sei SAP in der Pflicht, die Partner auf ein einheitliches Mindestniveau zu bringen.