Web Collaboration

Gute Zusammenarbeit

07.02.2005 von Klaus Manhart
Während sich Web Collaboration in den USA bereits etabliert hat, steht die Zusammenarbeit via Internet in Europa erst am Anfang. Deutsche IT-Chefs wünschen sich mehr Desktop und Document Sharing.

Manchmal ist Zeigen besser als Erklären. Beispielsweise beim Support für die Abwicklung von Bestellvorgängen. Statt Mitarbeiter zeitaufwändig beim E-Procurement telefonisch oder vor Ort zu unterstützen, setzt der weltweit agierende Mainzer Spezialglaskonzern Schott auf Desktop Sharing.

Wenn der Mitarbeiter in der Produktion über das elektronische Beschaffungssystem Schrauben bestellt oder die Sekretärin Papier, läuft das in der Regel reibungslos. Gelegentlich aber stecken die Nutzer in einem Bestellprozess fest, da sie nicht wissen, welcher Mausklick sie zum nächsten Schritt bringt. Oder sie haben vergessen, Daten in die Bildschirmmaske einzutragen, die das ERP-System für die Bestellabwicklung braucht. "Es ist manchmal schwierig, wenn Ihnen jemand am Telefon zu erklären versucht, wo sein Problem liegt, weil er die Ursache des Problems in der Regel nicht kennt", sagt Ralf Jüchtern, E-Sourcing Manager bei der Schott AG.

Solche Probleme lassen sich mit Desktop Sharing in den Griff bekommen. Dabei unterstützt ein Berater den Anwender aus der Ferne via Internet, indem er ihm auf den Bildschirm schaut. Desktop Sharing lässt sich durch die gemeinsame Sicht auf Monitorinhalte beim Support einsetzen, in Form von Document Sharing auch beim gemeinsamen Bearbeiten von Dokumenten.

Fernsteuerung für Mr. X aus Japan

Sitzt ein Manager in München und muss mit zwei Mitarbeitern in Tokio und New York eine Excel-Controlling-Tabelle besprechen, ist das via Telefon schwierig. Mit Document Sharing öffnet einer die Tabelle und die anderen beiden sehen das Sheet auf ihrem Bildschirm. Wenn der Kollege aus Japan wissen will, wie die Zahl in der Zelle c77 zustande kommt, dann klickt er in Tokio mit der Maus auf die Zelle. Beim Münchener Manager erscheint ein blinkender farbiger Pfeil mit einem entsprechenden Text - etwa "Mr. X aus Japan". Und der weiß genau, wer gerade gesprochen hat, und kann das richtig zuordnen. Werden dem Kollegen aus Tokio Fernsteuerungsrechte eingeräumt, kann dieser sogar an den Originaldokumenten und mit den Firmenanwendungen arbeiten - gerade so, als ob er im Münchener Unternehmen an der Tastatur säße.

Web Collaboration heißt der allgemeine Fachausdruck für diese Form der Zusammenarbeit via Internet. Eine Umfrage des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft unter rund 100 Fach- und Führungskräften hat ergeben, dass über 60 Prozent nach Software und Services für Web Collaboration verlangen. Entsprechend gilt dieses Konzept nach Analystenschätzungen als eines der wachstumsstärksten Segmente im Softwaremarkt. Studien von Marktforschern wie Gartner Group und Frost & Sullivan prognostizieren für die synchrone Zusammenarbeit über das Internet einen Boom. Die Gartner Group beispielsweise geht davon aus, dass bis zum Jahr 2008 rund 60 Prozent der 2000 größten Unternehmen auf Web Collaboration setzen werden. Als typische Einsatzgebiete für die Internet-Zusammenarbeit nennen die Institute Vertrieb, Marketing, Entwicklung, Finanzwesen, Logistik und Support.

Mehr als reines Desktop Sharing

Entsprechend ist der Markt für derartige Software im Aufwind. Neben reinen Desktop-Sharing-Anbietern tummeln sich in diesem Segment Unternehmen wie Webex, Microsoft, Citrix oder Macromedia. Deren Ansprüche sind meist größer, als nur Bildschirminhalte oder Dokumente auszutauschen. Sie sprechen von Multimedia-Präsentationen und bieten Plattformen, auf denen Web-Konferenzen abgewickelt werden können. Der Bekannteste dieser Dienstleister für interaktive Web-Meetings ist Webex mit einem US-Marktanteil von etwa 60 Prozent. Der Marktführer bietet unter anderem ein Meeting-Center für virtuelle Konferenzen, ein Trainings-Center für Online-Schulungen und ein Event-Center für Tausende von Teilnehmern.

Mit dem immensen Funktionsumfang und der Ausrichtung auf große Gruppen zahlen diese Anbieter allerdings den Preis, dass ihre Systeme überladen, schwer durchschaubar und in der Nutzung teuer sind. Ganz anders die reinen Desktop-Sharing-Anbieter: Sie setzen sich mit einfachen, überschaubaren Mitteln für ein konkretes Ziel ein: die Zusammenarbeit in speziellen Unternehmenssegmenten zu verbessern - ad hoc, schnell und in kleinen Gruppen.

Zu dieser Kategorie von einfachen, aber sehr effizienten Desktop-Sharing-Tools gehört das Programm Netviewer. Die gleichnamige Firma aus Karlsruhe hat sich mit ihrer Software zum Shooting-Star in der deutschen Internetbranche entwickelt. 2001 erstmals auf den Markt gekommen, wird Netviewer heute von 1400 Firmen und Verwaltungen in 28 Ländern eingesetzt - darunter BMW, 1 & 1, Siemens oder jüngst die Deutsche Post. Sie alle nutzen die Versionen One-to-One oder One-to-Many, um Bildschirminhalte auszutauschen.

Netviewer als typisches Beispiel

Netviewer ist ein typisches Beispiel, mit dem die technischen Grundprinzipien von Web Collaboration schnell erklärt sind. Standardmäßig ist der Besucher im View-only-Modus und sieht die Anwendung, die der Initiator der Sitzung gerade selbst auf dem Bildschirm hat. Nur bei Bedarf gibt dieser dem Besucher die Fernsteuerung frei, sodass sich in jedem beliebigen Programm gemeinsam Dateien bearbeiten lassen. Diese Fernsteuerungsrechte können jederzeit wieder entzogen werden. Mit einem Klick lässt sich die Beobachtungsrichtung wechseln, und der Initiator sieht nach Zustimmung des Besuchers auf dessen Bildschirm. Genauso einfach lässt sich wieder zurückschalten. Auf diese Weise können in der "One-to-One"-Version zwei Teilnehmer über die Ferne gemeinsam Dokumente bearbeiten und sich über ein Telefon verständigen. Bei der "One-to-Many"-Version kann ein Moderator seine Schreibtischoberfläche synchron auf die Bildschirme mehrerer Teilnehmer übertragen und einzelnen Teilnehmern unterschiedliche Zugriffsrechte einräumen.

Die Pluspunkte von Netviewer sind Einfachheit und Sicherheit. Das Programm erfordert minimalen Installationsaufwand und funktioniert über Firewalls hinweg. Zwei Mini-Tools und eine Internetverbindung sind die einzigen Voraussetzungen. Der Verbindungsaufbau läuft über einen Vermittlungsserver. Dieser macht dem Kundencomputer die IP-Adresse des Beratercomputers bekannt. Der Traffic einer Sitzung läuft dann entweder über den Server oder direkt zwischen den zwei PCs.

Verschlüsselung mit 128 Bit

Um die Sitzung zu starten, müssen die Teilnehmer eine Codenummer austauschen, die für jede Verbindung neu erzeugt wird. Der sechstellige Zufallscode wird vom Programm generiert, den der Berater abliest und über das Telefon weitergibt. Tippt der Anwender auf der Gegenseite den Code an seinem Computer ein, stellt die Software eine geschützte, 128-Bit-verschlüsselte Verbindung zum Berater-PC her. Die Prozedur stellt sicher, dass es sich beim Gegenüber wirklich um den gewünschten Partner handelt.

Beim Glashersteller Schott hat Netviewer die weltweite Hilfestellung deutlich einfacher gemacht. Dort ist das Programm nun seit etwa einem halben Jahr im Einsatz. Statt umständlicher Erklärungen blickt der Supporter nun direkt via Internet in Echtzeit auf den Bildschirminhalt des Nutzers. So kann er dem Einkäufer Arbeitsschritte und Einstellungen live am System- auch über Distanzen hinweg - zeigen und erklären, so, als säße er mit dem Anwender vor dem gleichen Rechner. "Der Support wird damit einfacher, weil man sofort am Bildschirm sieht, wo das Problem liegt", sagt Jüchtern. Umständliche Fragen wie "Was sehen Sie auf Ihrem Monitor?" oder "Wo befinden Sie sich jetzt?" erübrigen sich.