Bewerben für Einsteiger

Häufige Fehler im Anschreiben

20.11.2014 von Andreas Lutz
Bewerber können sich mit Top-Anschreiben positiv von ebenso qualifizierten Mitbewerbern abheben. Diese Chance sollten Sie nutzen!

"In den ersten zwei Tagen nach Erscheinen unserer Stellenanzeige besuchten fast 500 Personen unsere Webseite", erzählt Hans-Joachim Neher, Geschäftsführer der DCS Dialog-Computer-Software GmbH in Darmstadt. Die Google Analytics-Daten zeigten außerdem, dass viele Besucher länger als eine Viertelstunde auf der Webseite verweilten.

Umso überraschter war Neher, als er die Bewerbungen als "Assistent(-in) der Geschäftsführung" sichtete. Von den über 100 Bewerbern, fast ausschließlich Frauen, ging höchstens ein Viertel auf den Text der Stellenanzeige ein. "Bei vielleicht einem Dutzend der Bewerbungen merkte man, dass unsere Webseite überhaupt besucht wurde."

In allen Bewerbungsratgebern steht: "Nehmen Sie im Anschreiben Bezug auf die Stellenanzeige. Zeigen Sie, dass Sie sich über das Unternehmen informiert haben." Trotzdem tut dies das Gros der Bewerber nicht. Meist versenden sie an alle Unternehmen weitgehend dasselbe Standard-Anschreiben. "Und dann jammern sie, dass sie nur Absagen erhalten", kritisiert Meera Gandbhir von der Personalberatung Conciliat in Stuttgart. "Wer sich so wenig Mühe gibt, erhält zu Recht eine Absage."

Checken und prüfen

Nicht oft genug kann betont werden, dass Sie als Stellensucher ausreichend Zeit und Energie auf das Formulieren des Anschreibens verwenden sollten. "Das gilt insbesondere für wirklich attraktive Stellen, auf die sich viele Personen bewerben", betont Bernadette Imkamp, Leiterin Personalbetreuung und -marketing bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. "Mit dem Anschreiben können sich Bewerber positiv von Mitbewerbern abheben, die einen ebenso qualifizierten Lebenslauf haben."

Wer sich positiv abheben möchte, muss zunächst die Grundanforderungen erfüllen. Das ist oft nicht der Fall, kritisiert Markus Vogel, Personalauswahlexperte beim Bildungsdienstleister Provadis, Frankfurt. Firmenvertreter seien immer wieder erstaunt, wie oft sogar die Anschreiben von Akademikern vor Rechtschreibfehlern strotzten. In auffallend vielen Bewerbungen befänden sich sogar noch die Namen "fremder Unternehmen und Ansprechpartner". Deshalb wiederholt Vogel einen Rat, den jeder Bewerber verinnerlicht haben sollte: "Lassen Sie das Anschreiben nach dem Verfassen noch einen Tag liegen und lesen Sie es dann erneut Korrektur, am besten lassen Sie es vor dem Versenden noch von Freunden oder Verwandten gegenlesen."

Floskeln vermeiden

Firmenvertreter merken auch negativ an, dass die meisten Bewerber im Anschreiben nur die Floskeln aus den Stellenanzeigen wiederholen. Stehen darin zum Beispiel die Vokabeln "teamfähig" und "kommunikativ", dann findet man sie auch in den Anschreiben. Nur wenige Bewerber übersetzen die Begriffe und beziehen sie auf die angestrebte Position. Zum Beispiel mit einer Aussage wie: "Es fällt mir leicht, Menschen zu kontaktieren" - eine Aussage "mit der zum Beispiel viele Bewerber um eine Stelle im Verkauf und Service punkten würden", weiß Kommunikationsexperte Ingo Vogel aus Esslingen. Der Autor des Buches "So reden Sie sich an die Spitze" empfiehlt Stellensuchern konkret zu werden, wenn es darum geht, was Sie für eine Stelle qualifiziert.

Wirklich, sowieso
Bestärkende Füllwörter erfüllen ihren Zweck nicht. Die Verstärkung lässt vermuten, dass die Aussage nicht so zutrifft, wie erwünscht.
Hmm, äh, also, nun:
Als Einstieg in einen Satz füllen diese Wörter häufig Pausen bis zur Artikulation eines klaren Gedankens. Sie erwecken den Anschein von Unsicherheit, Schwierigkeiten bei der klaren Artikulation oder beim Schnelldenken
Allem Anschein nach, womöglich, irgendwie ...
... halt oder vielleicht sind Konjunktivformen, die als Schutz vor Einwänden dienen: Der Bewerber vermeidet eine klare Aussage oder exaktes Wissen scheint nicht vorhanden zu sein.
Man macht ja mal Fehler.
"Man" signalisiert Schwäche, fehlende  Verantwortung beziehungsweise das Unvermögen, eine eigene Haltung einzunehmen.
Man ...
... ist das zweite weit verbreitete Unwort in Bewerbungsgesprächen.
Eigentlich bin ich ein guter Teamleiter.
Ist er von seinen Qualitäten selbst nicht überzeugt oder will er mit Understatment punkten?
Eigentlich ...
... ist der Klassiker unter den Füllwörtern. "Eigentlich wirkt eingrenzend, subjektivierend, unsicher und schwächt den Wert der Aussage ab
Was Füllwörter über Bewerber verraten
Ob Einsteiger oder Manager, beide sollten im Vorstellungsgespräch besser auf Füllwörter oder Phrasen verzichten.

Ähnlich äußert sich Julia Laas, Leiterin Personalmarketing bei der Allianz Versicherungsgruppe. Als "wenig zielführend" erachtet sie eine Aussage wie: "Mich interessiert die Arbeit in Versicherungen." "Denn mich interessiert auch vieles", sagt sie. "Deshalb mache ich es aber nicht zu meinem Beruf." Stärker würde Laas interessieren, was genau den Bewerber an der Arbeit für ein Versicherungsunternehmen reizt und warum er sich für die Allianz entschied.

Dosiert Selbstvertrauen zeigen

Zu viel Konkretion kann auch schaden. Das war bei einer jungen Frau der Fall, die sich bei Neher als "Assistentin der Geschäftsführung" bewarb. Sie schrieb im Anschreiben: "Ich habe auf der Startseite Ihrer Webseite zwei Rechtschreibfehler entdeckt. Welche? Das sage ich Ihnen im Vorstellungsgespräch." "Die Frau müssen wir einladen", war die spontane Reaktion von Neher. Denn der neue Mitarbeiter sollte auch fit in Sachen Rechtschreibung sein. Zudem strahlte diese "kecke Formulierung" Selbstbewusstsein aus. Als Neher die Frau im Vorstellungsgespräch nach den Rechtschreibfehlern fragte, zeigte sich, dass diese gar keine waren. Damit war das Vorstellungsgespräch "gelaufen".

Personalberaterin Meera Gandbhir rät Bewerbern daher: "Lehnen Sie sich mit Ihren Selbstaussagen nicht zu weit aus dem Fenster. Spätestens im Vorstellungsgespräch merken die Personalverantwortlichen, ob sie tatsächlich so fit, kommunikativ und selbstsicher sind, wie behauptet."

Im Vorstellungsgespräch ...
... müssen Bewerber mit Fragen rechnen, auf die sie sich schwer vorbereiten können. Hier einige Beispiele für verschiedene Arten von unerwarteten Fragen.
Wie definieren Sie Zusammenarbeit?
Die Frage zielt auf ihre Fähigkeit zur Teamarbeit ab. Überlegen Sie, ob die Stelle einen Einzelkämpfer oder Teamplayer erfordert. Legen Sie sich nicht fest, sondern machen Sie deutlich, dass Sie beides können. Eine diplomatische Antwort wäre: Ich arbeite gern in einem Team, in dem jeder seine Ideen und Erfahrungen einbringen kann. Ich traue mir zu, Entscheidungen zu treffen und mit Kollegen an einem Strang zu ziehen.
Worin waren Ihr ehemaliger Chef und Sie nicht einer Meinung?
Hüten Sie sich, über Ihren ehemaligen Chef zu lästern. Darauf warten die Unternehmensvertreter vielleicht nur. Gehen Sie diplomatisch vor und äußern Sie sich nur objektiv und loyal gegenüber ihrem alten Arbeitgeber.
Wie hoch schätzen Sie den Marktanteil von Mercedes in Schweden ein?
Was war Ihre erste Reaktion beim Lesen der Frage? "Was für ein Blödsinn" oder "Woher soll ich das wissen“. Es wäre Zufall, wenn Sie auf diese Art Frage eine eindeutige Antwort parat hätten. Der Interviewer möchte einen Lösungsweg hören. Nennen Sie keine Zahl. Denken Sie laut! Damit zeigen Sie, dass Sie logisch und analytisch denken und dass Sie mit Zahlen umgehen können. Erscheint Ihnen die Frage zu allgemein oder ist sie Ihnen unklar, stellen Sie Rückfragen, wie "Wenn Sie von Mercedes in Schweden sprechen, meinen Sie dann den Marktanteil der PKWs oder LKWs?".
Auch bei Gruppendiskussionen in Assessment Centern ...
... geht es nicht um die Lösung, sondern um die Art, wie die Gruppe eine Lösung erarbeitet und wie Sie zu dieser beizutragen. Auch bei scheinbar unbeantwortbaren Fragen im Vorstellungsgespräch ist nur gefragt, wie Sie an ein Problem herangehen.