Microsoft attackiert VMware

Harter Kampf um Virtualisierungskunden

13.09.2010 von Hartmut  Wiehr
Hauptkonkurrent Microsoft meldete sich pünktlich zu Beginn der VMworld 2010 in San Francisco mit einer kleinen Schmutzkampagne zu Wort. Auch VMware-Partner bangen um ihre Umsätze. Derweil stellte VMware neue Funktionalitäten vor.

17.000 Besucher machten sich dieses Jahr auf den Weg, um im Moscone-Kongresszentrum mitten in San Francisco für ein paar Tage einzutauchen in die weltweite Gemeinde aus Business-Anwendern und Programmier-Freaks.

VMware-CEO Paul Maritz (Ex-Microsoft-Manager) bei seiner Keynote auf der VMworld 2010 in San Francisco. Auch Microsoft selbst meldete sich zu Wort. (Foto: VMware)

Neben viel Ankündigungstamtam des Veranstalters und von Seiten der Partner zeigte sich vor allem eins: Virtualisierung hat einen neuen Reifegrad erreicht. Gerade große Unternehmen leisten sich inzwischen eine Infrastruktur in ihren Rechenzentren, in der Virtualisierungstechniken einen immer wichtigeren Platz einnehmen.

Es geht nicht nur um Kostenvorteile – weniger physikalische Server müssen in Relation zu einem erhöhten Software- und entsprechendem Lizenzaufwand ins Verhältnis gesetzt werden –, sondern inzwischen auch um Erleichterungen im Applikationsmanagement und neue Formen von Datensicherung und Disaster Recovery.

vShield für für mehr Sicherheit

Unter dem Obertitel "Virtual Roads – Actual Clouds“ präsentierte VMware einen Strauß neuer Funktionalitäten. Hervorzuheben sind hier das neue Sicherheitsprodukt "vShield", mit dem virtuelle, pardon Cloud-Umgebungen besser vor Angriffen geschützt werden sollen. vShield geht laut Hersteller hinter die Grenzen physikalischer Sicherheit, indem eine spezielle Schutz-Software direkt an einzelne Anwendungen und Services angebunden ist und mit der jeweiligen virtuellen Maschine im Bedarfsfall in andere physikalische Umgebungen weitergereicht wird.

VMware nennt das "adaptive security“. vShield besteht aus einer Suite von Tools oder virtueller Applikationen, die VPN (Virtual Private Networks) oder DHCP (Dynamic Host Configuration Protocol ) anbieten.

Mit vShield reagiert VMware auf die wachsende Komplexität virtueller und Cloud-Umgebungen und ihre Sicherheitsrisiken, die vielen Kunden Kopfschmerzen bereiten. Auch "vCloud Director“ geht in diese Richtung: Diese Hypervisor-Erweiterung soll dazu dienen, IT-Services für hybride Clouds zu erzeugen und zu verwalten. Ergänzt wird diese Software durch "vCloud Datacenter Services“, um diese Funktionalität auch Service Providern zur Verfügung zu stellen.

Ursprünglich hatte VMware einst nur einen Hypervisor angeboten. Er war durch Schnittstellen (APIs) offen genug, um Platz zu lassen für Produkte anderer, meist kleinerer Software-Schmieden, die das eigene Portfolio ergänzten. Diese Strategie hat auch zum Markterfolg von VMware beigetragen. Doch inzwischen ist sie durch eine andere ersetzt worden.

Partner fürchten um ihre Umsätze

VMware vCenter, VMware Site Recovery Manager, VMware vDR oder VMware View – alle diese Produkte oder Features erforderten einmal den Einsatz von Third-Party-Software. Die Partner oder Satelliten von VMware dürften nicht glücklich sein über diesen Umschwung, den VMware seit einiger Zeit exerziert. Dazu verfügt die EMC-Tochter einfach über zu viel Kapital und Marketing-Power, um solche Tools zu entwickeln und am Markt durchzusetzen. Auf Kosten der kleinen Partner, die zunehmend von VMware kannibalisiert werden.

Auf der VMworld in San Francisco spielten Storage-Anwendungen eine große Rolle. Dies liegt zum einen in der Eigentümlichkeit von Public und Private Clouds begründet, die auch über eine ausreichende Datensicherung in ihren Infrastrukturen verfügen müssen. Zum anderen gehen die Hersteller von einem ungebrochenen Datenwachstum in den Unternehmen aus.

Storage wird wichtiger, wie gerade die Übernahmeschlachten um Data Domain (EMC gegen NetApp) und 3PAR (HP gegen Dell) bewiesen haben. Vielleicht handelt es sich aber auch um Verteidigungslinien einiger Hersteller, die gegen den Erfolg von VMware und besonders deren Vordringen auf das Gebiet der Datensicherung aufgebaut werden.

Als Beispiel kann HP dienen: In San Francisco stellte man "CloudStart“ vor, eine Art "Private Cloud in a box“. HP hat Elemente seiner c-Class Blade-Chassis und von EVA SAN sowie ganz viel Software für Automatisierung, Provisioning und Monitoring zusammengefügt, um Kunden den Aufbau eigener Private Clouds "innerhalb von 30 Tagen“ zu ermöglichen.

Besonderes Ziel dieser Box-Lösung ist es, in Zeiten von Virtualisierung und wachsender Komplexität der Infrastruktur diese wieder schlanker zu machen. HP kann auf die Not vieler Kunden verweisen, die den Überblick über ihre installierten physikalischen und virtuellen Server verloren haben.

Microsoft greift Laufzeit der Lizenzverträge an

Eine Abwehrmaßnahme anderer Art hat Microsoft zu Beginn der VMworld aufgefahren. Am ersten Tag der Veranstaltung publizierte man in der größten amerikanischen Tageszeitung "USA Today“, die in fast allen Hotels kostenlos ausliegt, eine ganzseitige Anzeige mit einem "Offenen Brief an die VMware-Kunden“. Tenor: VMware habe sehr viele Kunden zu Lizenzverträgen mit einer dreijährigen Laufzeit gedrängt. Microsoft: "If you’re evaluating a new licensing agreement with VMware, talk to us first.”

Der Vorwurf hat es in sich: Üblich sind in der Regel ein bis zwei Jahre, und längere Laufzeiten sind meistens mit Preisnachlässen bei Wartung und Service verbunden. Trifft der Microsoft-Vorwurf zu, hätte VMware tatsächlich selbst eine Verteidigungslinie aufgezogen: Durch das Lock-in wäre Kunden zumindest für drei Jahre der Wechsel zu einem anderen Anbieter massiv erschwert.

Der offene Konkurrenzkampf zwischen den beiden Giganten dürfte mit dieser aggressiven Aktion von Microsoft noch nicht beendet sein.