IT-Strategietage 2019

Henkel CIO Jäckle: Aus Services werden Solutions

26.02.2019 von Christoph Lixenfeld
Bei Henkel in Düsseldorf ist die IT vom ungeliebten Kind zum strategischen Partner geworden. Entsprechend nachhaltig wuchs das Selbstvertrauen der Mitarbeiter.
  • Im Unternehmen hatte sich eine Art Zweiklassen-Gesellschaft entwickelt.
  • Die Trennlinie verlief zwischen Core- und Non-Core-Funktionen.
  • Dass diese Trennung heute verschwunden ist, liegt auch an einer technischen Entwicklung.
Henkel CIO Joachim Jäckle auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Foto: Foto Vogt

Wenn zwei Tage lang über 5G, Agilität, das Internet der Dinge oder die Möglichkeiten der Cloud diskutiert wird, dann gerät fast in Vergessenheit, dass sich IT-Manager auch noch immer mit ganz anderen Themen beschäftigen (müssen).

Zum Beispiel bei Henkel. Das Traditionsunternehmen produziert neben Klebstoffen für Konsumenten und Industrie auch Beauty-Produkte sowie Wasch- und Reinigungsmittel. Persil, Ata, Schauma, Pritt, Ponal, Pattex - all diese bekannten Marken verdanken wir den Düsseldorfern.

Die Mehrheit der Stammaktien - und damit die Entscheidungsgewalt - liegt noch immer in den Händen der Gründer beziehungsweise ihrer Nachfahren. Henkel ist allerdings kein Mittelständler, sondern ein internationaler Konzern. Es gibt mehr als 53.000 Mitarbeiter mit 120 Nationalitäten, von denen mehr als 80 Prozent außerhalb Deutschlands arbeiten.

Entsprechend komplex sind die Strukturen der IT-Abteilung. Dass diese, wie eingangs beschrieben, zum ungeliebten Kind wurde, hatte bei Henkel ähnliche Gründe wie andernorts.

Kosteneffizient, aber nicht schnell

"Vor zehn bis zwölf Jahren gab es bei uns eine große Diskussion darüber, was Core ist und was Non-Core", erzählt Dr. Joachim Jäckle, Corporate Senior Vice President Integrated Business Solutions bei Henkel. "Als Core galt dabei alles, was das Kundenbedürfnis primär erfüllt, als Non-Core alles andere."

Dabei sei eine Art Zweiklassen-Gesellschaft entstanden. Alle Funktionen, die definitorisch nicht zum Kerngeschäft gehörten, sollten so preisgünstig wie möglich erbracht werden. Das galt auch für die IT. Joachim Jäckle: "Man sollte sparen, weil man nicht so wichtig war."

Als Folge verlagerte Henkel unzählige Funktionen zu Outsourcing-Partnern in Indien und anderen Lowcost-Standorten, baute in Deutschland entsprechend Personal ab.

Im Ergebnis wurden Leistungen so zwar kosteneffizient erbracht, aber nicht schnell, das Aufsetzen eines neuen Servers dauerte schon mal drei Monate. Die eigene IT war dabei oft nur noch Mittler zwischen Unternehmen und Externen, und das, ohne wirklich Einfluss nehmen zu können auf den Provider.

Henkel: Gut genug reicht

Entsprechend schlecht war die Stimmung, und zwar nicht nur bei der IT, sondern auch bei den Kollegen, die mit den Systemen arbeiten mussten. Joachim Jäckle: "Im Helpdesk gab es oft keine menschlichen Ansprechpartner mehr, sondern nur noch anonyme Tickets. Viele Mitarbeiter fühlten sich schlicht von der IT-Abteilung verlassen."

Henkel CIO Joachim Jäckle: "Es geht darum, angstbesetze, verstopfte Kommunikationswege frei zu bekommen."
Foto: Foto Vogt

Wobei erschwerend hinzukam, dass irgendwer bei Henkel auf die Idee gekommen war, die Service Levels im Sinne der Harvard Business School neu zu definieren. "Just good enough" sollten sie sein, mehr nicht.

Diesem Grundsatz folgend, mussten die Mitarbeiter bei Problemen zunächst versuchen, sich selbst zu helfen. Erst wenn das nicht gelang, durften sie jemanden zu Hilfe rufen.

Diese "Optimierung" traf in jener Zeit nicht nur die IT. Auch andere Funktionen wurden in Shared Service Center ausgelagert, die dann Leistungen zum Teil von "Verwaltungsfabriken in Billiglohnländern" - so Joachim Jäckle in Hamburg - erbringen ließen.

Interne wollten nur ungern in diesen Service-Einheiten arbeiten - wegen des Spardrucks und der damit verbundenen Angst auch um den eigenen Job.

Viele Funktionen zurückverlagert

Irgendwann habe sich mit dem ganzen Ansatz niemand mehr wohlgefühlt, so der Henkel-CIO, "und eine ganze Generation von IT-lern wurde frustriert."

Entsprechend deutlich fällt im Rückblick sein Urteil aus: "Die Trennung zwischen Core und Non-Core ist falsch, weil man mit diesem Ansatz nicht wirklich End-to-End-Prozesse etablieren kann."

Vor sechs Jahren sahen das schließlich auch andere im Unternehmen so. Shared Service Center und IT wurden in einer einzigen Organisation zusammengelegt. Zugleich setzte sich die Erkenntnis durch, dass man externe Partner stärker als bisher steuern und kontrollieren müsste, und viele Funktionen wurden auch ganz in Unternehmen zurückgeholt. Wobei der Outsourcing-Anteil insgesamt bis heute hoch geblieben ist.

Was die ganze Rolle der IT bei Henkel auch nachdrücklich veränderte, war das Thema Cloud Computing, "die große Skalierbarkeit", wie Joachim Jäckle es nennt. "Man hatte jahrelang nicht mit der IT gesprochen, brauchte aber jetzt ihren Rat, um zu verstehen, wie die Sache mit der Cloud denn eigentlich funktionierte."

Kulturwandel inmitten eines Richtlinien-Dschungels

Erwartungsgemäß stieg das Selbstbewusstsein der IT-Mitarbeiter durch diese Entwicklung deutlich, und durch diese gewachsene Akzeptanz wuchs auch die gegenseitige Offenheit.

Aus "Services" wurden "Solutions", und bei Henkel bemühte man sich auch ansonsten um einen Kulturwandel. Jeder sollte fürderhin als Entrepreneur agieren, so die Losung, die allerdings schon deshalb nicht so leicht umzusetzen war, weil es in dem Unternehmen - natürlich - eine Menge Richtlinien gab und gibt. CIO Joachim Jäckle: "Mit diesen Richtlinien zu arbeiten, und trotzdem schnell und agil zu sein, das ist keine triviale Aufgabe. Denn viele Richtlinien existieren ja aus gutem Grund."

Dennoch ließe sich die Regelwelt des Konzerns durchaus vereinfachen, und wo das gar nicht möglich ist, da müsse man sich immer fragen, warum.

"Es geht darum, angstbesetze, verstopfte Kommunikationswege frei zu bekommen durch eine neue Kultur. Und hier sind wir auf einem guten Weg. Heute sind bei uns viele Dinge möglich, die noch vor fünf Jahren undenkbar waren."

Mehr: Henkel CIO Jäckle stemmt komplexes Transformationsprojekt

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Im Juli 2014 hat Alexander Bode den CIO-Posten beim Farbenhersteller DAW SE angetreten. DAW (Deutsche Amphibolin-Werke) ist vor allem bekannt durch Farbenmarken wie Caparol und Alpina. Bode kommt vom Pharmahändler Celesio, wo er seit 2013 als Global Head of IT Governance tätig war. Davor arbeitete der Wirtschaftsinformatiker viele Jahre bei der Freudenberg-Gruppe, wo er auch seine berufliche Laufbahn 2002 begann. Zuletzt verantwortete er dort von 2008 bis 2013 als Director ERP Europe das SAP Competence Center von Freudenberg Sealing Technologies.
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Seit November 2018 ist Torsten Müller Head of Information Technology (CIO) beim Pharma- und Laborzulieferer Sartorius AG mit Sitz in Göttingen. Zuvor war er Chief Digital Officer und Chief Information Officer sowie Mitglied der Geschäftsleitung der Versicherung Helvetia Deutschland in Frankfurt.
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Stephan Heinelt ist seit September 2018 Group CIO beim Spezialchemiekonzern Altana AG mit Sitz in Wesel. Der Diplom-Wirtschaftsinformatiker Heinelt war zuletzt Leiter Service Management Global IT Services bei der Evonik Industries AG in Essen.
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Walter Grüner ist seit Mai 2019 Head of Information Technology beim Chemie-Unternehmen Covestro in Leverkusen. Zuvor war Grüner seit 2013 als Group CIO bei der KION Group AG tätig, einem Anbieter von Gabelstapler und Lagertechnik.
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Der Pharmakonzern Stada hat mit Tobias Günthör seit Anfang April einen neuen IT-Chef. Der Titel des 53-Jährigen lautet CIO/Senior Vice President IT at Stada Group.
Carsten Priebs
Zum 01.01.2024 wurde Carsten Priebs zum Digitalchef der Biesterfeld AG berufen.