Studie CIO-Gehälter

Höher springen fürs Gehalt

07.10.2002 von Heinrich Seeger
Trotz Branchen- und Konjunkturkrise: IT-Entscheider in deutschen Unternehmen verdienen alles andere als schlecht; zugleich sind die variablen, also erfolgsabhängigen Gehaltsanteile gestiegen. Das ist das Fazit unserer aktuellen Studie.

Die Zahl ist beeindruckend - durchschnittlich 280494 Euro und 51 Cent verdienen die hochrangigen IT-Entscheider deutscher Großunternehmen. Aber bedeutet dies auch, dass CIOs zu jenen Privilegierten gehören, die die Konjunkturkrise im eigenen Portemonnaie gar nicht spüren? Katja Hollaender-Herr, die für den Bereich CIO Specialty Practice der Personalberatung Heidrick & Struggles seit mehr als zehn Jahren Führungspositionen besetzt, hat CIOs befragt: Um wie viel sind die Einkommen heute höher oder niedriger als im vorherigen Job? Wie hat sich die Entlohnung entwickelt? Und wie zufrieden sind die IT-Entscheider mit ihren Vergütungen?

Hollaender-Herr hat die Gehaltsstudie zusammen mit der Redaktion CIO konzipiert, mit rund 200 IT-Führungskräften aus den 500 größten deutschen Unternehmen gesprochen, 91 für eine Teilnahme gewonnen und die Resultate, wiederum zusammen mit CIO, ausgewertet. Ihr Resümee: "CIOs verdienen momentan nicht weniger als vor zwei Jahren. Die meisten konnten sogar zulegen, zumindest bei Jobwechseln. Allerdings müssen sie heute höher springen für ihr Geld."

Verschiebungen bei den Gehaltsanteilen

Das wird besonders daran deutlich, dass die variablen Gehaltsbestandteile zunehmen. Im Durchschnitt sind 36,8 Prozent des Einkommens vom Unternehmenserfolg, vom Erreichen persönlicher Ziele oder von anderen individuell vereinbarten Faktoren abhängig. "Stock-Options haben wir nicht eingerechnet", erklärt Hollaender-Herr, "weil die momentan so gut wie alle unter Wasser sind." Zwar existiert keine frühere Studie auf einer ähnlichen Datengrundlage, aber aus ihren aktuellen Gesprächen mit den CIOs hat Hollaender-Herr erfahren, dass IT-Entscheider früher einen höheren Anteil ihrer Bezüge als Fixgehalt verbuchen konnten. Den Erinnerungen an bessere Zeiten "vor zwei bis drei Jahren" zufolge beliefen sich die variablen Bezüge seinerzeit selten auf mehr als 20 Prozent.

Einen schärferen Wind hört auch Matthias Hiebeler in den Unternehmen pfeifen: "CIO-Positionen sind durch Verantwortungszuwachs zu Feuerstühlen geworden." Der Leiter des Bereichs CIO Specialty Practice bei Heidrick & Struggles verweist dabei auf den Mix aus operativer und strategischer Zuständigkeit. Seines Wissens ist das raue Klima auf den höchsten Hierarchieebenen, also bei CIOs, die im Vorstand oder in der Geschäftsleitung sitzen, besonders stark ausgeprägt. Hier liegt auch der variable Gehaltsanteil mit 41,3 Prozent deutlich höher als im Schnitt - ein Umstand, den Hiebeler mit dem Bild von der stärkeren "Atmungsfähigkeit" der Top-Gehälter illustriert.

Wo wie viel gezahlt wird

CIOs von Finanzdienstleistern verdienen am meisten. Im Mittel kommen sie auf deutlich über 400000 Euro, rund 45 Prozent mehr als der Gesamtdurchschnitt. Dabei sind jedoch rund 45 Prozent der Bezüge variabel; sie landen also erst dann auf dem Konto, wenn die Arbeit erfolgreich war. Mit 271 785 Euro etwas unter dem Gesamtdurchschnitt verdient ein CIO im Handel, deutlich darunter, nämlich 217487 Euro, im verarbeitenden und produzierenden Gewerbe. Dafür atmen diese Gehälter flacher, um Hiebelers Bild aufzugreifen, als bei Banken und Versicherungen: Die variablen Anteile belaufen sich hier nur auf 36,8 beziehungsweise 30,4 Prozent.

Je mehr Mitarbeiter ein Unternehmen hat, desto mehr verdienen die IT-Entscheider - das gilt nicht immer. Tatsächlich reißen die CIOs, deren Arbeitgeber zwischen 1000 und 5000 Mitarbeiter auf den Gehaltslisten führen, nach oben aus: Sie verdienen mehr als ihre Kollegen aus Großunternehmen mit bis zu 10000 Mitarbeitern. Beide Gruppen liegen jedoch unter dem Gesamtdurchschnitt, denn der wird signifikant nach oben getrieben durch IT-Executives aus 10000-plus-Konzernen.

Eine pfeilgerade Steigungslinie zeigt sich dagegen bei der Zahl der Mitarbeiter, die den befragten CIOs unterstehen. Ganz klar: Je mehr IT-Mitarbeiter direkt oder indirekt an eine IT-Führungskraft berichten, desto mehr Geld fließt auf deren Konto. Auch die Höhe des IT-Budgets, über das ein CIO verfügt, verläuft proportional zu seinem Gehalt.

In diesem Zusammenhang lohne sich ein Blick über die Umfrage hinaus, betont Hollaender-Herr, und zwar auf die Effekte, die sich durch Outsourcing einstellen werden. Sie ist überzeugt, dass sich die Bindung zwischen Teamgröße in der IT und CIO-Gehältern allmählich lösen wird, wenn sich der Trend zum Auslagern von Dienstleistungen und damit auch von Mitarbeitern verstärkt. Die Prognose der Heidrick-Expertin: "Auf der ersten Hierarchieebene verdienen CIOs mehr, wenn sie outsourcen und so Kosten sparen." Darunter dürfte die Luft nach Einschätzung der Beraterin dagegen dünner werden. "Es werden viele, auch hoch qualifizierte IT-Fachkräfte bei Anwenderunternehmen überflüssig, die nur zum Teil bei Dienstleistern wieder benötigt werden." In naher Zukunft, so prognostiziert sie, werden die IT-Gehälter unterhalb der Vorstandsebene deshalb sinken.

In den vergangenen Jahren zeigte das Bezügebarometer auf jeden Fall noch klar nach oben: "Die Gehälter von IT-Führungskräften haben sich an die Top-Gehälter von Vorständen und Geschäftsführern mit klassischen Verantwortungsbereichen angeglichen", stellt Hiebeler fest. Er erklärt das damit, dass IT-Chefs heute deutlich häufiger in Vorstandspositionen sitzen als früher. "Der Geschäftserfolg hängt enger mit der IT zusammen, und das wird auch so wahrgenommen. Die hochrangigen IT-Entscheider tragen mehr Business-Verantwortung als früher", konstatiert der Executive-Berater. "Und das kann man jetzt an den Gehältern ablesen." In der Tat: Die 37 befragten CIOs auf Vorstandsebene verdienen derzeit mit fast 367000 Euro im Jahr rund zwei Drittel mehr als ihre 54 Kolleginnen und Kollegen in Direktions-, Bereichs- oder Hauptabteilungsleiterpositionen.

Loyalität kontra Mobilität

Die Mobilität der IT-Entscheider ist hoch. Das zeigt sich an der Vielzahl neu besetzter Positionen, über die wir jeden Monat berichten, und das bestätigt auch die Umfrage. Mehr als 60 Prozent aller Befragten sitzen seit weniger als drei Jahren auf ihrem Posten, 16 Prozent noch kein Jahr. Auf eine Verweildauer von mehr als fünf Jahren kommen gerade 20 Prozent. Allerdings zählen zu den Positionswechseln auch solche innerhalb eines Unternehmens - immerhin 40 Prozent. Auffällig dabei: Diejenigen CIOs, die aus einem anderen Unternehmen gekommen sind, verdienen im Schnitt weniger, nämlich knapp 276000 Euro, als interne Wechsler mit 288000. Diese müssen sich dafür mit kleineren Fixanteilen - gut 61 gegenüber knapp 65 Prozent - bescheiden.

Ein weiterer interessanter Aspekt im Zusammenhang mit der Mobilität: Wer intern wechselt, tut dies meist bei einem Großunternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern, während CIOs kleinerer Unternehmen häufiger von außen kommen. Hiebelers Erklärung dafür: "Die Personaldecke ist bei kleineren Unternehmen dünn, während Großkonzerne aus einem erheblichen Reservoir an führungsfähigen Kräften schöpfen können. Außerdem bieten sie mehr Aufstiegsmöglichkeiten." Das bedeutet: Wer als IT-Verantwortlicher im Mittelstand aufsteigen will, der muss sich in der Regel auf dem Markt umsehen.

Auf jeden Fall lohnt es sich, neue Herausforderungen zu suchen: Durchschnittlich 20,6 Prozent Gehaltsaufschlag konnten die befragten CIOs herausholen, als sie über ihre aktuellen Verträge verhandelten. Fragt man nach der Entwicklung des Salärs im jetzigen Job, gibt knapp die Hälfte an, zugelegt zu haben; die anderen mussten Stagnation oder gar Abstriche in Kauf nehmen.

Top-CIOs sind international mobil, wie Hollaender- Herr bei ihren Gesprächen herausgefunden hat: "Zehn Prozent haben vorher in den USA gearbeitet; die haben sich beim Wechsel nach Deutschland nicht verbessert." Einfache Erklärung: "In den USA verdienen IT-Führungskräfte immer noch deutlich mehr als in Deutschland." Aber auch hierzulande "orientieren sich CIO-Saläre zunehmend am US-amerikanischen Niveau", weiß Hiebeler; für ihn ist das der stärkste Faktor für die Steigerung beim Gehaltsdurchschnitt.

Man darf davon ausgehen, dass die meisten CIOs sich der Tatsache bewusst sind, gegenüber dem Durchschnitt der deutschen Bevölkerung finanziell privilegiert zu sein. Belegen lässt sich das anhand der Antworten auf die Frage nach der Zufriedenheit mit der Bezahlung: Mehr als die Hälfte der Teilnehmer finden ihr Salär fair und leistungsgerecht.

Kein Wunder: Mit gut 300000 Euro liegen diejenigen, die so geantwortet haben, deutlich über dem Gesamtschnitt. 21 Prozent räumten ein, ihr Gehalt sei der wirtschaftlichen Lage ihres Unternehmens angemessen. Diese Gruppe verdient mit 219000 Euro deutlich unter dem Durchschnitt. Nur 11 Prozent fanden, sie hätten mehr verdient, als sie tatsächlich verdienen - und das sind 228000 Euro. Nur drei Befragte gaben kein Urteil ab. Das wäre kaum bemerkenswert, wenn nicht ausgerechnet diese Gruppe mit 423333 Euro pro Jahr ganz deutlich mehr verdienen würde als alle anderen.

Oberhalb eines gewissen Gehaltsniveaus gilt also offensichtlich auch für IT-Führungskräfte die Devise: Über Geld spricht man nicht.