Wacker-CIO Dirk Ramhorst

Home-Office schützt auch Kollegen in der Produktion

27.01.2021 von Alexandra Mesmer
Dirk Ramhorst, CIO und CDO der Wacker Chemie, arbeitet mit seiner Mannschaft seit März 2020 remote. Die virtuelle Zusammenarbeit geht soweit, dass der Chemiekonzern eine neue Produktionsanlage in Südkorea digital unterstützt in Betrieb nahm.
Dirk Ramhorst, CIO der Wacker Chemie: "Jeder, der bei uns nicht ins Büro geht, trägt dazu bei, seine Kollegen, die in der Produktion arbeiten, zu schützen."
Foto: Wacker Chemie

Damit verteilte Teams besser zusammenarbeiten können, hatte Dirk Ramhorst bereits im August 2019 den Digital Workplace im Chemiekonzern eingeführt. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat Remote Work für Wacker Chemie enorm an Bedeutung gewonnen. CIO Ramhorst und seine IT-Mannschaft arbeiten nun bald ein Jahr größtenteils von zuhause aus. Im ersten Lockdown haben sie von einem Tag auf den anderen weltweit mehr als 6.000 Beschäftigte remote arbeitsfähig gemacht.

Herr Ramhorst, wie beurteilen Sie die aktuelle Debatte um mehr Home-Office?

Dirk Ramhorst: Remote zu arbeiten haben wir bei uns in der IT seit Anfang der Pandemie relativ konsequent durchgezogen, auch um Risiken zu verringern. Unser Konzern ist Teil der kritischen Infrastruktur. Es gilt, die Produktion aufrechtzuerhalten. Jeder, der bei uns nicht ins Büro geht, trägt dazu bei, seine Kollegen, die in der Produktion arbeiten, zu schützen. In den 60 Buslinien, die unsere 10.000 Mitarbeiter in das Stammwerk nach Burghausen bringen, gilt schon lange Maskenpflicht. Auch die Sitzordnung ist so verteilt, dass genügend Abstand zwischen den Personen ist.

Im Stammwerk von Wacker Chemie in Burghausen arbeiten 10.000 Beschäftigte.
Foto: Wacker Chemie

Was raten Sie Führungskräften, die sich mit dem Thema Home-Office noch schwer tun?

Ramhorst: Wir haben gemerkt, dass man das Thema erst mal entmystifizieren sollte. Früher vermuteten ja noch einige, ein Tag Home-Office ist gleichbedeutend mit einem Tag frei. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass die Arbeit remote mitunter effektiver ist, wenn ich zuhause die richtige Arbeitsumgebung habe und nicht zum Beispiel durch paralleles Homeschooling mit kleineren Kindern belastet bin. Wir haben im April schon begonnen, in regelmäßigen Newslettern Tipps und Tricks zur virtuellen Zusammenarbeit zu geben.

Etwa, wie man digitale Events durchführt oder wie die Design-Thinking-Methode auch virtuell funktioniert. Das Feedback war sehr gut, so dass wir bis heute über digitale Tools informieren, aktuell zum Beispiel, wie sich Mitarbeitergespräche mit Teams führen lassen. Wir als IT müssen Führungskräften wie Mitarbeitern helfen, aber auch zeigen, wie wir in den neuen Arbeitsformen leben können.

Die Top CIOs der Chemie- und Pharma-Branche
Markus Schümmelfeder
Seit April 2018 ist Markus Schümmelfeder neuer CIO des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim in Ingelheim am Rhein. Er war zuvor Corporate Vice President IT im Unternehmen. Schümmelfeder berichtet an seinen Vorgänger im CIO-Amt, den CFO Michael Schmelmer.
Martin Richtberg
Seit 1. Januar 2022 bekleidet Martin Richtberg die Position des Senior Vice President Information Technology, CIO und CDO von Wacker Chemie. Zuletzt war er dort Leiter des globalen Project-Engineering.
Annette Hamann
Annette Hamann ist seit 2020 CIO bei der Hamburger Beiersdorf AG. Ihre Vorgängerin Barbara Saunier ist im Ruhestand.
Dirk Ramhorst
Seit dem 1. Mai 2022 ist Dirk Ramhorst, ehemaliger IT-Chef von Wacker Chemie, CIO beim Spezialchemiekonzern Evonik. Seine Vorgängerin Bettina Uhlich ging in den Vorruhestand.
Michael Nilles
Henkel hat Michael Nilles am 1. Oktober 2019 zum Chief Digital & Information Officer (CDIO) ernannt. Er berichtet direkt an Carsten Knobel, CEO von Henkel. In seiner Position ist Nilles für die Bereiche Digital, IT, Geschäftsprozessmanagement und Corporate Venture Capital verantwortlich.
Abel Archundia-Pineda
Abel Archundia-Pineda ist seit Mai 2017 Head of IT Business Partnering Pharmaceuticals bei Bayer im Geschäftsbereich Pharma bei Bayer. Zuvor war er Head of IT for Novartis Technical Operations and Global CIO der Sandoz Division, Novartis AG.
Michael Jud
Michael Jud ist seit April 2017 Leiter IT beim Pharmahersteller InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH in Heppenheim im südlichen Hessen. Jud kommt vom Anlagenbauer Schenck Process in Darmstadt. Er berichtet bei seinem Arbeitgeber an den kaufmännischen Geschäftsführer. Neben dem Fokus-Thema IT-Sicherheit baut der gelernte Diplom Ingenieur SAP weiter aus und unterstützt das internationale Wachstum von InfectoPharm.
Alessandro de Luca
Alessandro de Luca war bisher Interims-Group CIO beim Pharmakonzern Merck. Der Konzern hat sich entschieden, de Luca dauerhaft in dieser Position zu beschäftigen.
Hermann Schuster
Seit 1. September 2021 ist Hermann Schuster Head of Information Technology bei der Lanxess AG. Er folgt auf Kai Finke. In seiner neuen Position will Schuster im Chemiekonzern ein Konzept für den Modern Workplace umsetzen und sich auf Cybersicherheit konzentrieren. Daneben steht der Rollout eines SAP S/4 Hana-Templates auf seiner Agenda. Schuster berichtet an den Lanxess-Finanzvorstand Michael Pontzen.
Bijoy Sagar
Bijoy Sagar ist ab Juni 2020 neuer Leiter IT und Digitale Transformation der Bayer AG. Er löst den bisherigen CIO und CEO der IT-Tochter Bayer Business Services (BBS) ab, der seine Konzernkarriere beendet. Die BBS wird aufgelöst. Sagar soll die Digitalisierung des Pharmakonzerns vorantreiben und die begonnene Neuaufstellung der IT ans Ziel führen. Er berichtet an den Finanzvorstand Wolfgang Nickl.
Martin Wiedenmann
Martin Wiedenmann ist seit Februar 2019 Head of Global IT/CIO der Atotech Group, einem weltweit agierenden Marktführer für Spezialchemie. Zuvor war er war seit Juli 2016 CIO bei Ledvance in München.
Andreas Becker
Andreas Becker ist seit April 2017 Vice President Information Technology/CIO beim Pharmakonzern Daiichi-Sankyo Europe in München. Im Oktober 2014 kam der Diplom-Kaufmann mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik & EDV als Head of IT Strategy & Service Delivery ins Unternehmen.
Sandeep Sen
Sandeep Sen ist CIO der Linde Group. In dieser Funktion hat er Büros in Singapur und München. Weltweit führt Sen rund 1.100 Mitarbeiter. Er kam 1993 zu Linde Indien (vormals BOC India). Zuvor war er in der IT auf dem Finance-Sektor tätig. Dabei arbeitete er sowohl in Indien als auch in Großbritannien.
Peter Buchmüller
Seit Mitte Juni 2017 ist Peter Buchmüller IT-Leiter der Aenova Group, einem pharmazeutischen Auftragshersteller mit Sitz in Starnberg bei München. Der genaue Titel lautet: Senior Vice President Corporate IT Aenova Group. Buchmüller wechselte von der Molkerei Meggle in Wasserburg, wo er zuvor als Leiter IT tätig war.
Berthold Kröger
Berthold Kröger hat im Juli 2015 die IT-Verantwortung bei der K+S AG in Kassel übernommen. Der neue Leiter Corporate IT berichtet an den Vorstand Thomas Nöcker. Der promovierte Informatiker hat sein Studium an der Universität-Gesamthochschule Paderborn absolviert. Er arbeitete danach mehr als drei Jahre im Forschungs- und Technologiezentrum der Deutschen Telekom und war später in verschiedenen Positionen bei der Hochtief AG und der Hochtief Solutions AG in Essen beschäftigt.
Alexander Bode
Im Juli 2014 hat Alexander Bode den CIO-Posten beim Farbenhersteller DAW SE angetreten. DAW (Deutsche Amphibolin-Werke) ist vor allem bekannt durch Farbenmarken wie Caparol und Alpina. Bode kommt vom Pharmahändler Celesio, wo er seit 2013 als Global Head of IT Governance tätig war. Davor arbeitete der Wirtschaftsinformatiker viele Jahre bei der Freudenberg-Gruppe, wo er auch seine berufliche Laufbahn 2002 begann. Zuletzt verantwortete er dort von 2008 bis 2013 als Director ERP Europe das SAP Competence Center von Freudenberg Sealing Technologies.
Torsten Müller
Seit November 2018 ist Torsten Müller Head of Information Technology (CIO) beim Pharma- und Laborzulieferer Sartorius AG mit Sitz in Göttingen. Zuvor war er Chief Digital Officer und Chief Information Officer sowie Mitglied der Geschäftsleitung der Versicherung Helvetia Deutschland in Frankfurt.
Stephan Heinelt
Stephan Heinelt ist seit September 2018 Group CIO beim Spezialchemiekonzern Altana AG mit Sitz in Wesel. Der Diplom-Wirtschaftsinformatiker Heinelt war zuletzt Leiter Service Management Global IT Services bei der Evonik Industries AG in Essen.
Martin Kinnegim
Martijn Kinnegim ist seit März 2019 CIO der STADA Arzneimittel AG mit Sitz im hessischen Bad Vilbel. Kinnegim arbeitete zuvor bei Jacobs Douwe Egberts (JDE). Dort war er als Global CIO tätig und leitete die Integration der Gesellschaften DE Masterblender 1753 und Mondelez International in den weltweit führenden Kaffeekonzern.
Walter Grüner
Walter Grüner ist seit Mai 2019 Head of Information Technology beim Chemie-Unternehmen Covestro in Leverkusen. Zuvor war Grüner seit 2013 als Group CIO bei der KION Group AG tätig, einem Anbieter von Gabelstapler und Lagertechnik.
Tobias Günthör
Der Pharmakonzern Stada hat mit Tobias Günthör seit Anfang April einen neuen IT-Chef. Der Titel des 53-Jährigen lautet CIO/Senior Vice President IT at Stada Group.
Carsten Priebs
Zum 01.01.2024 wurde Carsten Priebs zum Digitalchef der Biesterfeld AG berufen.

Die IT als Vorbild und Helfer, um verteiltes Arbeiten zu ermöglichen. Funktioniert das nur für die Büros oder auch in anderen Unternehmensbereichen?

Ramhorst: Im vergangenen Jahr mussten wir eine neue Anlage in Südkorea in Betrieb nehmen, ohne dass unser Ingenieurteam die Kollegen vor Ort unterstützen konnte. Dieses mehrjährige Bauprojekt konnte schließlich nur erfolgreich beendet werden, weil wir über Videoconferencing, online verfügbare Engineering-Dokumente und Anlagendaten die Kollegen in Südkorea begleiteten. Die Inbetriebnahme einer Produktionsanlage ist ein hochkomplexer Prozess, hunderte von Daten wie Temperatur oder Drücke müssen stimmen, damit die einzelnen Teile der Anlage in einer systematischen Abfolge live geschaltet werden können.

Digitale Abstimmung mit Kollegen in Südkorea

Werden solche Tools wie die digitale Anlagendokumentationen oder auch Videokonferenzen das Zusammenarbeiten auch nach Corona prägen?

Ramhorst: Ja, sie führen nachhaltig dazu, dass Geschäftsreisen beziehungsweise die Notwendigkeit dazu in Frage gestellt werden. Natürlich fällt die virtuelle Zusammenarbeit viel leichter, wenn sich die Teams vorher bereits kennen. Neu zusammengestellte Teams sind dagegen virtuell limitiert. Dem kann man entgegensteuern, indem man bewusst auf Zwischenmenschliches achtet. Also auch mit den Kollegen mal in Teams ratschen und nicht nur von einer Konferenz in die nächste hetzen. Selbstdisziplin und Zeit-Management spielen hierbei auch eine entscheidende Rolle.

Wie schaut diese Selbstdisziplin für Sie aus?

Ramhorst: Im Virtuellen ist das nächste Meeting immer nur zwei Klicks entfernt, darum muss man sich auch mal bewusst rausnehmen. Zugleich sollte man die Kamera auch bewusst als Kommunikationsinstrument einsetzen und durch sie die Aufmerksamkeit für das Gegenüber spiegeln. Also mit der eingeschalteten Kamera zeigen "Ich bin dabei" und nicht nebenher noch Mails beantworten oder andere Dinge tun. Ein Jour fixe oder Mitarbeitergespräche gehen nur mit eingeschalteter Kamera.

Was ist Ihre Prognose für die Zusammenarbeit post Corona?

Ramhorst: Ich kann mir hybride Szenarien sehr gut vorstellen. Die Menschen werden vor allem in die Büros gehen, um sich zu treffen und auszutauschen und um dort alle die Limitationen zu überwinden, die das Videoconferencing mit sich bringt Zuhause lassen sich dann eher fokussierte Arbeiten verrichten, wenn die Arbeitsumgebung vorhanden ist. Ich gehe davon aus, dass man Büro und Home-Office auch an einem Tag mischen kann. Morgens beginne ich zuhause zu arbeiten, fahre dann erst um elf Uhr ins Büro, um an dem ersten Meeting teilzunehmen. Durch verschiedene Anfangszeiten im Büro könnten sich auch die Pendlerströme entzerren.

Dirk Ramhorst …

… leitet seit September 2016 als CIO und CDO bei Wacker Chemie AG eine global aufgestellte Organisation mit etwa 350 Mitarbeitern. Zuvor war er in verschiedenen führenden Positionen bei Siemens und BASF im In- und Ausland tätig. 2013 wurde er zum ersten Chief Digital Officer (CDO) im deutschen DAX ernannt. Darüber hinaus ist er Vorsitzender der Kieler Woche, der größten Segelveranstaltung der Welt. Die IT bei WACKER sieht Ramhorst als innovativen Berater und zentralen Befähiger des Geschäfts. Über eine seit 2017 eingeleitete Digitalisierungs-Offensive werden dabei IT-gestützte Prozesse im Unternehmen gezielt ausgebaut und gefördert.

Die Wacker Chemie AG …

… wurde 1914 gegründet und stellt hoch entwickelte chemische Spezialprodukte her, die sich in unzähligen Dingen des täglichen Lebens wiederfinden, vom Kosmetikpuder bis zur Solarzelle, von der Bau- und Automobilindustrie bis zur Food- und Medizinbranche. Das Portfolio besteht aus mehr als 3.200 Produkten, die an 24 Produktionsstandorten hergestellt und in über 100 Länder geliefert werden. Mit über 14.000 Mitarbeitern erzielte WACKER 2019 einen Jahresumsatz von 4,93 Milliarden Euro.

Gemeinsam im Kampf gegen Corona

Am Wacker-Standort Amsterdam werden seit 20 Jahren Impfstoffe für die klinische Entwicklung wie auch die kommerzielle Versorgung hergestellt. Im ersten Halbjahr 2021 soll mit der GMP- (Good Manufacturing Practice) Produktion der mRNA-Wirkstoffsubstanz für CVnCoV begonnen werden. Ziel ist es, pro Jahr mehr als 100 Millionen Dosen des Impfstoffes von CureVac herzustellen. "Wir sind stolz darauf und hoch motiviert, gemeinsam mit CureVac einen Beitrag im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie zu leisten", sagte Rudolf Staudigl, Vorstandsvorsitzender von Wacker.