App-Projekt der Österreichischen Bundesbahn

IBM und Apple machen ÖBB-Zugbegleiter mobil

24.04.2017 von Manfred Bremmer
My Train, My Passenger, My Ticket: Die Zugbegleiter der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) sind künftig mit einem iPad Mini und drei zusammen mit IBM und Apple entwickelten Apps unterwegs.

Um über eine Million Fahrgäste täglich zu versorgen, sind in den Zügen der ÖBB rund 1.200 Zugbegleiter unterwegs. Bislang nutzten sie dabei allerdings in die Jahre gekommenes Equipment, was die Arbeit erschwerte und zu Lasten der Servicequalität ging. Vor rund zwei Jahren beschloss die ÖBB daher, im Rahmen einer weitreichenden Digitalisierungsstrategie diesen Zustand zu ändern und kooperierte als erstes Bahnunternehmen weltweit mit IBM und Apple im Rahmen einer MobileFirst-for-iOS-Partnerschaft.

Die Zugbegleiter der ÖBB arbeiten künftig mit iPad und neuen Apps
Foto: ÖBB | Harald Eisenberger

Wurden die Apps bei der ÖBB bislang quasi im Elfenbeinturm entwickelt, war Ausgangspunkt des Projekts ein Workshop am Apple-Hauptsitz in Cupertino. Dort skizzierte der extra eingeflogene ÖBB-Mitarbeiter Stefan Smejkal zunächst seinen Arbeitstag als Zugbegleiter. Nachdem die Kernaufgaben festgehalten wurden, habe es bereits zwei Tage später als erstes Zwischenergebnis ein Grundstock an Designs für die geplanten Anwendungen gegeben, erinnert sich Smejkal.

Die Bereitstellung der fertigen Apps dauerte dann etwas länger, was Johannes Jax, Account Partner Travel & Transportation bei IBM Global Business Services, mit den komplexen Anforderungen der Bahn begründete. "Man glaubt, Flugzeuge seien kompliziert", so Jax. "Tatsächlich bietet die Bahn viel mehr Möglichkeiten, was die Tickets anbelangt." Im konkreten Fall der ÖBB werden die Ticketmöglichkeiten der Star Alliance um den Faktor 100 überschritten, was auch damit zusammen hängt, dass die Zugbegleiter mit der neuen App nun auch für Verbindungen Tickets verkaufen können, die über die österreichische Grenze hinaus gehen.

My Train, My Passenger, My Ticket

Da neben der Vereinfachung und Beschleunigung der Arbeitsschritte auch eine bessere Bedienbarkeit im Mittelpunkt stand, wurden die Aufgaben des Zugbegleiters außerdem auf drei Apps verteilt: My Train, My Passenger und My Ticket. Die Anwendungen sind erster Ansprechpartner für die Fahrgäste, geben Fahrplan- und Preisauskünfte sowie Informationen zu Anschlussverbindungen und Unregelmäßigkeiten. Außerdem können sicherheitsrelevante Aufgaben wie etwa Checklisten oder Mängelmeldungen künftig papierlos über die Apps abgewickelt werden. Auch Echtzeit-Informationen über den Reservierungsgrad eines Zuges oder über passende Anschlussverbindungen sind geplant.

Wichtiger Teil des ansonsten eher softwarelastigen Projekts war auch die Ablösung der mehr als zehn Jahre alten Mobilen Terminals (MTx): Die über ein Kilogramm schweren Geräte unterstützten nicht mehr alle gewünschten Features und hatten auch in ihrer Bedienung ihre Tücken. So mussten die Zugbegleiter etwa bisher mindestens 15 oder 30 Minuten vor Dienstantritt erscheinen, um sicherzustellen, dass die aktualisierten Daten über Fahrpläne und Tarife auch rechtzeitig über die Docking-Station auf ihr Gerät gespielt wurden.

iPad Mini ersetzt Mobiles Terminal

Mit den bei der neuen Lösung verwendeten iPad Minis reicht es, das Update OTA via WLAN aufzuspielen. Außerdem unterstützen die 300 Gramm leichten Tablets in Verbindung mit dem via Bluetooth (!) angesteuerten mobilen Drucker und dem angeschlossenen Kartenlesegerät beim Verkauf von Tickets im Zug auch die Bezahlung via EC- oder Kreditkarte sowie die Berücksichtigung einer Bahncard.

Mittlerweile geht das zweijährige Projekt seinem (vorläufigen) Ende zu: Nachdem die Geräte und Apps den im Oktober 2016 mit rund 60 ÖBB-Zugbegleitern gestarteten Piloteinsatz erfolgreich passierten, begann Anfang März der flächendeckende Rollout in Kärnten. Zwischen Mitte April und Ende Juni sollen dann sukzessive alle verbleibenden der insgesamt 1200 Zugbegleiter migriert werden.

Laut ÖBB-Projektleiter Mario Sparrer handelt es sich dabei um ein echtes Change-Projekt. Da das Durchschnittsalter der ÖBB-Zugbegleiter bei 55 Jahren liege, hätten viele von ihnen keine Lust mehr, vor ihrer Pension noch ein neues Gerät zu lernen, erklärt er die Zurückhaltung mancher Mitarbeiter: "80 Prozent freuen sich, die restlichen 20 Prozent muss man mitnehmen."

An diesem Punkt bringt er die berühmte "Usability" der Apple-Geräte und -Anwendungen ins Spiel: Um den Widerstand der Anwender zu entkräften, habe die Bundesbahn nicht nur bei der Entwicklung der ÖBB-Apps besonders Wert auf Bedienfreundlichkeit gelegt. Außerdem dürfen die Zugbegleiter die iPads auch privat nutzen, die Business-Anwendungen laufen in einem geschützten Citrix-Container.

IBM Watson pausiert

Seit Apple und IBM vor zwei Jahren die Partnerschaft Mobile First for iOS ins Leben gerufen hatten, wurden nun schon mehr als 100 Apps für 15 Industriebereiche und 65 Berufsgruppen geschaffen. Die drei ÖBB-Apps unterscheiden sich dabei von den restlichen Anwendungen durch den fehlenden Analyse-Teil - dieser spielt neben der besonderen Usability eine wichtige Rolle bei MobileFirst for iOS. Laut IBM-Mann Jax ist dieser Umstand der Offline-Fähigkeit der ÖBB-Apps geschuldet. IBM Watson sei noch nicht implementiert, aber angedacht.

MobileFirst for iOS
Find & Fix
Mit der iPhone-App Find & Fix können Techniker im Außendienst Aufgaben nach Nähe und Wichtigkeit auswählen. Dabei wird ihnen nicht nur automatisch das benötigte Werkzeug, sondern auch die beste Route angezeigt.
Express Pay
Mit der App für iPhone oder iPad können Ladenmitarbeiter auch jenseits der Kasse elektronische Zahlungen abwickeln. Die Anwendung unterstützt dabei Kundenkarten und Zahlungsoptionen wie Apple Pay. Außerdem gibt das Programm auf den Kunden zugeschnittene Kaufempfehlungen.
Hospital RN
Mit der iPhone-App Hospital RN sollen sich nicht nur Pager durch iPhones ersetzen lassen. Krankenschwester und Pfleger haben damit außerdem überall im Krankenhaus Zugang zu den Patientendaten. Das System nutzt zudem Apples iBeacon-Technologie – ein First für MobileFirst – um automatisch die zu einem Raum passenden Patientendaten bereitzustellen.
Rapid Handover
Die iPad-App Rapid Handover erleichtert dem Management die Übergabe bei Schichtwechsel. Indem Produktionsziele, Wartungs-Updates und Schichtpläne elektronisch übermittelt werden, gibt es keine Medienbrüche und die Fehlerwahrscheinlichkeit geht zurück.
Home RN
Die iPhone-App Home RN soll Pflegekräften die Betreuung von Patienten außerhalb des Krankenhauses erleichtern. So können sie Fotos, Videos, Text- und Audio-Notizen zu den Patientenakten hinzufügen und verbessern so die Kommunikation über die Fortschritte des Patienten.
Ancillary Sale
Die App Ancillary Sale assistiert Flugbegleiter via iPhone beim Vornehmen von Sitz-Ugrades oder dem Verkauf von Speisen und Getränken. Unterstützt werden Apple Pay und Kreditkartenzahlung, daneben informiert eine Datenbank über vorherige Onboard-Einkäufe der Fluggäste.
Order Commit
Die iPad-App Order Commit stellt Händlern auf dem Tablet geschäftskritische Daten zur Verfügung, etwa Finanzziele und Absatzzahlen. Analyse-Tools erleichtern die Entscheidungsfindung.
Risk Inspect
Mit der iPad-App Risk Inspect können Versicherungsmitarbeiter im Außendienst Foto- und Videomaterial mit einer Analysefunktion für Risikobewertungen kombinieren. Vielfältiges Datenmaterial (Umweltdaten, Kriminalstatistik etc.) unterstützt den Entscheidungsprozess.
Passenger+
Die iPad-App Passenger+ soll dem Bordpersonal zu besserem Kundenservice verhelfen. So sehen Flugbegleiter etwa auf einen Blick, welche Sonderwünsche bestimmte Passagiere angemeldet haben, wo die VIP-Gäste sitzen, ob alle Gepäckstücke an Bord sind - oder welche Passagiere ihren Anschlussflug verpassen werden.
Passenger Care
Die App "Passenger Care" soll es Servicemitarbeitern einer Fluglinie ermöglichen, Passagieren bei Problemen mit dem iPad proaktiv am Gate Hilfestellung zu bieten, anstatt zu warten, bis sich diese bei ihnen am Schalter einfinden. Unterstützt wird dabei das komplette Repertoire wie am Service-Sesk, also etwa Upgrades oder Umbuchungen bis hin zum drahtlosen Bezahlen von Tickets.
Hospital Lead
Die iPad-App Hospital Lead soll Krankenhäusern bei der Verwaltung des Pflegepersonals unterstützen. So lassen sich über die App Aufgaben bestimmten Mitarbeitern zuordnen und priorisieren. Das System unterstützt dazu mehrere interne Datenbanken, die sich kombinieren lassen.
Hospital Tech
Die Todo-App Hospital Tech for iPhone soll Pflegekräften und Technikern mit Tools ausstatten, um ihre Aufgaben besser zu organisieren und so mehr Zeit für die Patienten zu haben.
Train Tickets
Die iPhone-App Train Tickets erleichtert es Schaffnern, im Zug Fahrkarten zu kontrollieren oder zu verkaufen. Indem sie einen Überblick über Reservierungen und den Zeitplan des Zuges haben, vergrößern sich die Verkaufsmöglichkeiten und die Kundenzufriedenheit steigt.
Case Advice
Die Behörden-App Case Advice soll Sachbearbeiter entlasten, die kontinuierlich kritische Entscheidungen in Bezug auf Familien oder Situationen treffen müssen. Mit Hilfe von Datenanalysen unterstützt die Lösung die Priorisierung der Fälle; Predictive-Analytics-Funktionen helfen bei der Risikobewertung.
Fast Fix
Mit der iPad-App Fast Fix können Servicetechniker Informationen über Störungen abfragen, Anleitungsvideos eingespielt bekommen und schlichtweg Kontakt zur Zentrale aufnehmen.
Parts & Tools
Parts & Tools bietet auf dem iPad eine intuitive Übersicht über Ersatzteile, Werkzeuge und Zubehör im Lager sowie in Servicefahrzeugen.
Rapid Board
Die iPhone-App soll Mitarbeitern von Fluggesellschaften beim Boarding-Prozess unterstützen, indem sie jede Art von Boarding-Pass von jedem Gate scannen können. Damit soll Fluggesellschaften ein schnellere und flexiblere Abwicklung ermöglicht werden. Aus Sicht der Fluggäste sorgt die App für ein bequemeres Boarden und mehr Kundenzufriedenheit.
Expert Tech
Die Fieldservice-App Expert Tech liefert dem Servicetechniker wichtige Echtzeitinformationen - etwa über die Fahrtzeit bis zum nächsten Kunden.
Incident Aware
Die iPhone-App soll Polizisten bei der Verbrechensprävention unterstützen. So erhalten sie in Echtzeit Zugriff auf Karten und Videoquellen von Einsatzorten. Zusätzlich bekommen sie Auskunft über den Zustand der Involvierten, das Eskalationsrisiko und das Strafregister. Auch Verstärkung kann leichter und schneller angefordert werden.
Adviser Alerts for iPhone
Die App "Advisor Alerts" soll Finanzberatern von Banken und Finanzdienstleistern dabei helfen, unterwegs kundenbezogene Aufgaben zu erledigen...
Adviser Alerts for iPad
Die auch für das iPad erhältliche App stellt dabei dank Verknüpfungen mit dem Backend eine Datenbasis für Entscheidungen bereit, gibt Empfehlungen für die nächsten Schritte und erleichtert es, Aufgaben an das Team im Office weiter zu delegieren.
Advise & Grow
Mit der App „Advise & Grow“ für das iPad erhalten Bankmitarbeiter bei der Beratung von Kleinunternehmen Einblick in relevante Kundeninformationen (Kundenprofil, Finanz- und Kreditdaten) und Wettbewerbsanalysen.
Field Connect
Die iPhone-App „Field Connect“ ermöglicht Wartungstechnikern von Energie- und Versorungsunternehmen den direkten Zugriff auf aussagekräftige datengesteuerte Informationen. So liefern Push-Benachrichtigungen aktuelle Unwetterwarnungen, außerdem können jederzeit Angaben zu Netzausfällen, Gefahrensituationen und zum Personaleinsatz sowie bei Bedarf personalisierte Schulungen und Sicherheitstipps abgerufen werden.
Retention App
Die für iPhone und iPad erhältliche App soll Versicherungsvertretern die erforderlichen Informationen und Analyse-Tools bereitstellen, um Kundenanfragen auch auf dem Sprung zu bearbeiten.
Pick & Pack
Die iPhone-App Pick & Pack hilft Einzelhändler bei der Auftragsabwicklung. So können Verkäufer bei der Beratung überall im Geschäft auf Produktinformationen zugreifen. Außerdem unterstützt die Anwendung Apples iBeacon-Technologie, um die Position einzelner Artikel in einer Filiale aufzufinden.
Sales Assist
Die iPad-App Sales Assist soll aus Verkäufern kompetente Modeberater machen. So haben sie die Möglichkeit, Lagerbestände abzurufen, auf der Basis von früheren Einkäufen Kleidungsstücke zu empfehlen sowie passende Accessoires anzubieten.
Dynamic Buy
Die Idee bei "Dynamic Buy" wiederum ist, Einzelhändlern beim Einkauf einen Echtzeit-Einblick über den Warenbestand zu geben und mit datenbasierten Empfehlungen bezüglich der zu erwartenden Nachfrage zu unterstützen.
Plan Flight
Mit der iPad-App Plan Flight können Piloten Flugpläne einsehen, die Besatzung überprüfen, während des Fluges Meldungen an die Bodenkontrolle absetzen sowie fundiertere Entscheidungen über den verfügbaren Treibstoff machen.