Entwicklerkonferenz WWDC

iCloud, iOS 5 und Lion: Apple vernetzt alle Geräte

07.06.2011 von Peter Müller
Ein iPhone 5 hatte Steve Jobs zur Eröffnung der WWDC nicht mitgebracht. Dennoch gab es mit iOS 5 und iCloud viele wichtige Neuigkeiten.
Apple CEO Steve Jobs.

Apple hat gestern seine Entwicklerkonferenz WWDC mit einer fast zweistündigen Keynote im Moscone Center eröffnet, bei der zur Unterstützung des Apple-CEO vor allen Dingen Scott Forstall und Phil Schiller in Erscheinung traten.

iOS 5, Lion und iCloud lauten die Themen des Abends, wiederholte Apple CEO Steve Jobs schon zu Beginn der Veranstaltung. Neue Hardware würde es also keine geben, doch das Programm hielt so manche Überraschung bereit.

So kommt der iTunes-Nachfolger iCloud kostenlos - sieht man von dem Service iTunes Match ab, der für 25 US-Dollar im Jahr selbst gerippte Songs rechtlich gleichwertig mit im iTunes Store gekauften macht. iOS 5 wird "PC Free", wie Apple das nennt: Da immer mehr Kunden den Wunsch haben, iPad oder iPhone als einzigen Computer zu nutzen, entfällt die Notwendigkeit der Synchronisation mit iTunes - das iOS-Gerät lässt sich ohne Zentralinstanz einrichten, aktivieren und aktualisieren. Das nächste Mac-OS X schließlich verzichtet auf einen Datenträger und kommt nur über den Mac App Store - die satten 4GB, für die ein Landmann lange laden muss, kosten dafür aber nur 30 US-Dollar. Aber der Reihe nach…

Zehn Kern-Features für Mac-OS X Lion

Apple Marketingchef Phil Schiller.

Über 54 Millionen Menschen haben weltweit einen Rechner mit Mac-OS X in Betrieb, es werden stetig mehr. Mit Mac-OS X 10.7 Lion hofft Apple auf eine weiter größer werdende User-Basis. Bereits seit Oktober 2010 sind einige der Neuerungen des Mac-Betriebssystems bekannt, etwa die von iOS übernommenen Multitouch-Gesten, der Vollbildmodus für Programme und Mission Control, das als zentraler Zugang zu allen Programmen, Fenstern und Dokumenten dienen soll.

Neu gewöhnen müssen sich Mac-Anwender auch an ein Scrolling, das Lion von iOS abgeschaut hat: Scrollbalken erscheinen nur noch, wenn sie benötigt werden, die Inhalte des Fensters laufen träge nach.

Apps kommen schon seit Januar optional über den Mac App Store auf den Mac, in Lion ist der digitale Vertriebskanal eine der wesentlichen Neuerungen. Schon jetzt ist der Mac App Store laut Apple die Hauptbezugsquelle für Mac-Software und steht in den USA vor den Distributoren Best Buy, Walmart und Office Depot.

Der Mac App Store bekommt mit Lion nun auch die Möglichkeit des In-App-Kaufes. Mit dem Mac App Store schaufele man weiter Erde auf den Sarg der Boxed Software, erklärt Apples Vice President for World Wide Marketing Phil Schiller. Apple selbst nutzt seinen digitalen Vertrieb konsequent, so kann Lion statt 49 oder 79 US-Dollar gerade einmal 29,99 US-Dollar kosten.

iOS Vorbild für Lion

Das neue MacOS.

Seine Programme kann man zwar nach wie vor über den Finder oder das Dock aufrufen, doch Lion bietet mit Launchpad einen ähnlich intuitiven Zugang wie es auf iOS-Geräten der Fall ist. Und ebenso vom iOS "zurück auf den Mac" ist "Resume" gekommen: Schließt man ein Programm oder schaltet den Mac ab, beginnt die Software beim nächsten Start genau dort weiter zu arbeiten, wo man sie zuletzt verlassen hatte.

Zusammen mit Auto Save - dem automatischen Speichern während der Arbeit - kann Lion nun eine Versionierung anbieten - der Nutzer kann bequem zu früheren Fassung seines Dokuments zurückkehren. Diese Versionierung ist in einem Ausklappfenster des Dokumentes integriert, über das man zur zuletzt geöffneten Fassung kommt, oder durch frühere Versionen sich hangelt oder eine finale Fassung vor dem Überschreiben sichert oder ein Duplikat anlegt.

Air Drop nennt Apple eine Lion-Funktion, die eine Art Fortsetzung des "Turnschuhnetzes" ist: Man läuft etwa mit seinem Macbook in der Hand zum Arbeitsplatz des Kollegen und kann so einfach drahtlos Dateien austauschen, in dem man sie per Air Drop auf den anderen Rechner ablegt. Eine Konfiguration sei nicht nötig, die Macs würden sich automatisch erkennen, verspricht Phil Schiller.

Wieder einmal überarbeitet hat Apple sein E-Mail-Programm Mail für Mac-OS X Lion. Die Suche in Mail sei nun wesentlich effektiver, das Programm macht Suchvorschläge und das Programm erkennt, ob es sich dabei um eine Person oder eine Sache handelt. Aus Suchanfragen lassen sich nun auch Regeln und Filter definieren.

Die Inspiration von iOS ist vor allen Dingen in der Optik zu erkennen: Auf dem Macbook dürfte sich Mail kaum noch von der iPad-Version in Queransicht unterscheiden. Komplette Konversationen lassen sich nun besser zusammenfassen und der Reply-Text für besseren Lesefluss nur noch auf Wunsch einblenden. Alle einzelnen Mails einer Unterhaltung kann man nun mit einem Klick verschieben oder löschen und muss sie nicht mehr mühselig zusammensuchen.

Lion wird laut Apple ab Juli ausschließlich im Mac App Store erhältlich sein, der Download ist 4 GB groß und kostet nur 30 US-Dollar. Mehr zu Mac-OS X Lion lesen Sie in Kürze auf macwelt.de

iOS 5 mit 200 neuen Funktionen

Apple nutzt Zahlen von comscore, um die Verteilung der Mobile-Betriebssysteme in einer Grafik zu zeigen. iOS liegt mit 44 Prozent Marktanteil vorn.

Das iPad 2 schreibt die Erfolgsgeschichte des Tablets fort: Im letzten Monat allein dürfte Apple mehr als fünf Millionen Geräte verkauft haben. Insgesamt habe man nun 25 Millionen iPads an den Kunden gebracht. Im App Store stehen nun 425.000 Apps bereit, davon 90.000 für das iPad optimierte.

Das kommende Betriebssystem für iPad und iPhone iOS 5 erhält 200 neue Funktionen, von denen Apple heute schon zehn gezeigt hat. Von den Entwicklern mit Jubel angenommen ist das Notification Center, das die Push-Nachrichten aller Apps sammelt und dem Nutzer so auf einen Blick präsentieren kann - Push-Notifications müssen nun auch nicht mehr länger stören, um wahr genommen zu werden. Animationen tauchen nun in anderen Apps auf, die langsam aus dem Blickfeld verschwinden - Im Notification Center sind sie dann alle nach Apps geordnet präsent.

Der Zeitungskiosk Newsstand.

Für Zeitungs- und Zeitschriftenverleger interessant ist der Zeitungskiosk oder Newsstand, der elektronische Publikationen präsentiert. Im Design ähnelt der Newsstand dem App Store und der Bücher-App iBooks.

Twitter integriert Apple nun in seine Apps Camera und Photos. Bilder kann man so nun einfacher seinen Followern präsentieren.

Safari soll einige Funktionen erhalten, die das Lesen auf mobilen Geräten erleichtern. "Reader" packt etwa Artikel auf eine Seite, die sich dann auch als ganzes per Mail verschicken lässt. Über "Reading List" wählt man Artikel zum späteren Offline-Lesen aus: Diese Funktion sollen auch die Mac- und Windows-Fassungen von Safari erhalten. Und auch Tabbed Browsing wird mit iOS 5 auf iOS-Geräten möglich.

Schnellere Kamera-App

Unter den Herstellern von Apps mit Erinnerungsfunktionen dürfte sich Apple mit der neuen iOS-Funktion "Reminders" jedoch wenige Freunde gemacht haben. Die eigenen Reminders kann iOS 5 auch an die Ortsinformation koppeln, das iPhone erinnert einen also daran etwas Bestimmtes zu tun, wenn man einen bestimmten Ort erreicht oder verlässt.

Schneller und besser wird die Kamera des iPhone 4 durch die Kamera-App, verspricht Apples iPhone-Chef Scott Forstall. Mit einem Doppelklick auf den Home-Button lässt sich die App starten, mit dem Lautstärkeregler (Volume +) kann man den Auslöser betätigen.

Mail bekommt nun die Fähigkeiten, Texte umfangreich zu formatieren und eine Volltextsuche. Unternehmenskunden profitieren von der Unterstützung des Formats S/MIME, Mail erkennt nun auch Zertifikate. Das von iBooks bekannte Wörterbuch steht nun systemweit zur Verfügung, ein Tipp auf ein Wort in Mail gibt Erklärungen für dieses aus. Die Tastatur lässt sich nun beliebig auf dem Bildschirm platzieren, hat man sie in einer App verschoben, gilt das auch für alle anderen Programme. Optional lässt sich die Tastatur auch in zwei Teile aufsplitten.

Den bis dahin größten Jubel löst jedoch die Nachricht aus, dass iPhone und iPad ab iOS 5 auch ohne Computer auskommen können. "PC Free" heißt das Schlagwort für diejenigen, die ihr iPad oder ihr iPhone als einzigen Rechner verwenden wollen. Setup und Aktivierung gelingen nun direkt am Gerät, Softwareupdates kommen drahtlos. Kalender lassen sich nun direkt am Gerät löschen, bisher musste das an Mac oder PC geschehen. Damit die Datenmenge kleiner wird, installiert iOS 5 nicht mehr das gesamte Programm in neuer Version, sondern setzt auf Delta-Updates.

Weitere Verbesserungen erhält auch das Gamecenter, Nutzer können etwa ein Foto mit ihrem Profil verknüpfen.

Der neue Messaging-Service für iOS heißt iMessages. Darüber sollen iPhone- und iPad-Nutzer Textnachrichten, Bilder, Dateien, Videos austauschen. Die Unterhaltungen pusht das System auf alle iOS-Geräte eines Nutzers, ein einmal am iPhone begonnener Chat lässt sich so problemlos auf dem iPad fortsetzen.

iOS 5 erlaubt nun auch den iTunes-Abgleich über Wi-Fi, neue Multitouchgesten erleichtern den Wechsel zwischen offenen Programmen. Entwickler erhalten das System und das zugehörige SDK schon heute, im Herbst kommt es für alle Nutzer.

iCloud statt digitaler Hub

Im Januar 2001 hatte Apple das Konzept des "digital Hub" postuliert, in dem der Mac als zentrales Gerät für die Verwaltung von Fotos, Musik, Videos und anderen Daten, die auf mobilen Geräten aller Art enthalten und erzeugt wurden, dient. In den letzten zehn Jahren haben sich die Geräte jedoch radikal geändert, der Mac ist nun selbst nur noch ein Gerät unter vielen. Der neue Ansatz lautet nun "iCloud": iPad, iPhone und Mac beziehen ihre synchronisierten Daten aus der Cloud. "iCloud stores your conten and wirelessly pushes it to all your devices," beschreibt Apple die neue Zentrale.

Im Cloud-Computing hat Apple bereits die ersten Erfahrungen hinter sich und wie Steve Jobs selbstkritisch bekennt, bisher nicht "die beste Seite" Apples mit Mobile Me gezeigt. So geht Mobile Me nun in iCloud auf, nimmt dabei das bisher kaum nennenswerte iWork.com mit und ergänzt mit iTunes in der Cloud das Angebot, das im Hintergrund Daten aller Art automatisch zwischen allen Geräten abgleichen soll.

Änderungen etwa von Kontakten und Terminen werden in der Cloud gespeichert und auf alle Geräte synchronisiert, gemeinsam genutzte Kalender werden auf mehreren Geräten aktualisiert - etwa dem eigenen iPhone und dem der Gattin. Bis dahin sind das keine großen neuen Funktionalitäten, nur soll es diesmal besser klappen als mit Mobile Me, das bei seinem Start als .Mac-Nachfolger vor drei Jahren massive Startprobleme hatte. Anders als Mobile Me ist iCloud kostenlos.

Drei neue "erstaunliche" Apps sollen iCloud ergänzen: Documents in the Cloud. Pages-, Numbers- und Keynote-Dateien synchronisiert Apples iCloud nun ebenso. Erst letzte Woche hatte Apple die drei iWork-Apps auch auf das iPhone gebracht. Erstellt man ein Dokument auf dem Mac, hat amn es sofort auf iPad und iPhone zur weiteren Bearbeitung oder der bloßen Betrachtung zur Verfügung.

iCloud stellt auch Bilder über "Photo Stream" zur Verfügung, vom iOS-Gerät, dem Mac oder dem PC aus lässt sich die Mediathek als Photostream ins Netz bringen. iCloud speichert dabei die letzten 1000 Fotos vom iOS-Gerät aus für 30 Tage in der Cloud, Photo Stream vom Mac aus ist uneingeschränkt in der Anzahl der Fotos. Wer mit einem iOS-Gerät ein Foto aufnimmt, hat es alsbald auf all seinen Geräten.

Seine größte Stärke verspricht aber iCloud mit iTunes in the Cloud. Kauft man einen Song auf dem iPhone und speichert ihn in der Cloud, erhält man ihn auch gleich auf seine anderen Geräte geliefert. Den Download auf die anderen Geräte muss man nicht mehr extra bezahlen, der automatische Download lässt sich auch pro Gerät deaktivieren. Bis zu zehn Geräte lassen sich in einem iCloud-Account dafür zusammenfassen.

Auch an Musikfans, die ihre digitale Sammlung von CD selbst gerippt haben, hat Apple gedacht. Mit der Software iTunes Match sollen auch diese Tracks wie die im iTunes Store gekauften behandelt werden und in den Genuss der automatischen Synchronisation über iCloud kommen. iTunes Match ist jedoch nicht kostenlos, Apple verlangt 25 US-Dollar im Jahr.

iCloud, in einer Entwicklerbeta ab heute erhältlich, bietet 5 GB Speicher für Mail, Dokumente und Backups, die über die Cloud geteilten Songs und Fotos zählen hier nicht mit. (Macwelt)