Händler verschlafen Trend

IDC-Studie: Die Cloud bleibt draußen

05.06.2012 von Hartmut Wiehr
IT und Retail stehen nicht immer auf engem Fuß. So haben viele Händler den Trend zu Online-Shops verschlafen. Auch Cloud Computing ist erst für wenige interessant.
Preziosen von Gucci sind auch im Internet erhältlich. Der Boom der Webshops soll laut IDC auch die Cloud-Anwendungen vorantreiben.
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Berechtigte Skepsis oder nicht, Fakt ist, dass bisher nur einer von zehn Retailern eine handelsspezifische Cloud-Plattform aufgebaut hat. Und die Hälfte dieser Minorität befindet sich dabei noch im Versuchsstadium. Zu diesen ernüchternden Erkenntnissen kommt IDC in der Untersuchung "Business Strategy: Current and Future Cloud Adoption Trends in Western European Retail".

Die auf Retail-IT spezialisierte Division der Marktforscher "IDC Retail Insights" befragte 80 Handelsunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien Großbritannien und den Niederlanden. Besonderes Interesse galt dabei den allgemeinen Einstellungen zum Thema Cloud Computing und den Absichten, sich in dieser Richtung zu engagieren.

Retailer in Westeuropa befinden sich noch in einer Abwarteposition. Sie möchten erst einmal sehen, wie sich Cloud-Services in anderen Branchen und bei einigen Pionieren im Handelssektor durchsetzen. Sie warten auch darauf, dass von Hersteller- und Providerseite mehr "schlüsselfertige" Lösungen angeboten werden.

Trotz des gegenwärtig niedrigen Niveaus der Cloud-Investitionen bekundet mehr als die Hälfte der westeuropäischen Retailer die Absicht, das Engagament in diese Technologie noch im Jahr 2012 zu erhöhen. In den nächsten zwei Jahren wollen etwa zwei Fünftel der Retailer sogar eine eigene cloud-basierte Lösung einsetzen, entweder branchenspezifisch oder generell angelegt. Wie ernsthaft solche Willensbekundungen sind, bleibt allerdings offen.

Das noch im Anfangsstadium befindliche Interesse an Cloud wird laut IDC auch durch den Druck bewirkt, bei Omni-Channel-Angeboten mit der Konkurrenz mithalten zu können. Von daher sind Tools für Social Media, E-Commerce allgemein, Produkt-Management und Supply Chain Management (SCM) relativ populär.

Noch fehlen prägnante Cloud-Modelle für den Handel

Cloud-Services könnten laut IDC auch deshalb für den Handel interessanter werden, weil es inzwischen genügend funktionierende Modelle gibt. Die Marktforscher schreiben: "IDC glaubt, dass sich mit Cloud die Produktivität der IT für den Handel verbessern lässt. Dies betrifft nicht nur die Senkung der IT-Kosten, sondern hängt auch mit der Skalierbarkeit von IT für den Omni-Channel-Ansatz zusammen." Retailer sollten jedoch genau auswählen, für welche Lösung sie sich entscheiden, da nicht alle Cloud-Modelle 1:1 für den Handel passen.

Da sich die Security-Probleme herumgesprochen haben, lehnen die meisten Retailer laut IDC Public-Cloud-Lösungen ab. Das hängt auch mit dem Schutz ihrer Kundendaten und der allgemeinen Sensibilität gegenüber dem Missbrauch von persönlichen Daten im Internet zusammen.

Amazon gilt als Pionier für Web Services. Ob der Handelsriese allerdings Cloud-Services auch für sich selbst einsetzt, ist unbekannt.
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IDC geht davon aus, dass sich die zurückhaltende bis direkt ablehnende Einstellung vieler Retailer zu Cloud-Lösungen erst dann auf breiter Front überwinden lässt, wenn wirklich funktionierende Branchenmodelle da sind. Viel wird also davon abhängen, dass einige Retailer den Mut aufbringen und beispielgebende Cloud-Installationen bei sich aufstellen.

Anders ausgedrückt: Amazon, geh‘ du voran!