Qualifikation aufrechterhalten

Im Job wird Weiterbildung erwartet

15.09.2023 von Berhard Kuntz
Mitarbeiter müssen sich weitgehend selbständig um ihre Weiterbildung kümmern, um die Qualifikation für den Job aufrechtzuerhalten. Das schafft nicht jeder.
  • Rahmenbedingungen im Job ändern sich immer häufiger.
  • Mitarbeiter müssen Weiterentwicklung selbst in die Hand nehmen.
  • Positive Grundhaltung für Neues ist ein Muss.
Im Beruf up to date sein, heißt permanentes Lernen - heute und in Zukunft mehr denn je.
Foto: GaudiLab - shutterstock.com

Was unterscheidet einen sehr guten Mitarbeiter von einem durchschnittlichen? Klar ist: Wer in seinem Beruf Spitze sein möchte, braucht das nötige Fachwissen. Doch Fachwissen allein genügt in der Regel nicht, um beruflich erfolgreich zu sein. "Berufstätige agieren nicht im luftleeren Raum", betont Professor Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule für die Wirtschaft (FHDW) in Hannover. "Sie sind ein Teil einer Organisation." Also müssen sie mit anderen Menschen kooperieren und harmonieren. Und dies setzt ebenfalls gewisse Fähigkeiten voraus.

Doch welche? Das hängt auch von der Struktur der Betriebe und deren Arbeitsorganisation ab, erklärt der auf Management spezialisierte Berater Hans-Peter Machwürth aus Visselhövede. So waren zum Beispiel in den sehr hierarchisch strukturierten Betrieben, die bis vor knapp 20 Jahren die Unternehmenslandschaft prägten, primär die klassischen Sekundärtugenden - auch preußische Tugenden genannt - gefragt. Die Mitarbeiter sollten pünktlich und fleißig sein sowie gewissenhaft und zuverlässig ihre Aufgaben erfüllen. "Und ansonsten den Mund halten", lästert Machwürth.

Anforderungen ändern sich schneller

Jahrzehntelang funktionierte dieses System. Doch irgendwann kamen die Unternehmen laut Michael Schwartz, Management-Berater aus Esslingen, zur Erkenntnis: "Wenn wir uns weiter verbessern wollen, müssen wir die Arbeit neu strukturieren." Also begann vor rund 20 Jahren der Siegeszug der Team- und Projektarbeit. Das heißt, statt einzelnen Mitarbeitern Teilaufgaben zu übertragen, wurden nun an Mitarbeitergruppen ganze Aufgabenkomplexe delegiert.

Das wirkte sich auf die Anforderungen aus. "Teamfähig soll unser Mitarbeiter sein", lautete fortan eine Standardanforderung in Stellenanzeigen. Und zudem sollten sich die Neuen "kommunikativ" und "konfliktfähig" präsentieren. "Denn wenn mehrere Mitarbeiter gemeinsam eine Aufgabe erfüllen, besteht ein größerer Abstimmungsbedarf. Zudem gibt es mehr Reibungspunkte", erklärt Schwartz.

IT-Skills für die Digitalisierung
8 neue Mitarbeiter-Rollen
Laut Forrester brauchen IT-Abteilungen Beratungsfähigkeiten und übergreifende Zusammenarbeit. Das erfordert politisches Fingerspitzengefühl und Methodenkompetenz.
1. Beziehungsmanager
Die IT stellt Partnerschaft und Austausch zwischen Informationstechnologie und Business sicher. Sie übersetzt zwischen den beiden Seiten und bildet die Unternehmensziele technologisch ab. Im Zeitalter des Kunden bedeutet das vor allem mehr Beschäftigung mit Daten über die Verbraucher.
2. Architekt
In der Rolle des Architekten geht es konkret um das Entwickeln von Standards für Daten, Anwendungen und mobile Endgeräte. Das beinhaltet die Beobachtung der Konkurrenz und das Aufdecken neuer Kundengruppen.
3. Projekt- und Programm-Manager
Immer mehr Projekte starten von vornherein als abteilungsübergreifende Vorhaben. Hier ist nicht selten politisches Gespür gefragt.
6. Daten-Experte
Daten sind über das ganze Unternehmen verstreut. Der Daten-Experte wahrt dennoch die Kontrolle und erklärt jeder einzelnen Anwender-Gruppe, was sie mit welchen Daten tun darf und was nicht. Das beinhaltet Expertise in Daten-Tools, Methoden, dem Status jeder einzelnen Datenquelle und Einblick in die Geschäftsprozesse.
7. Geschäftsprozess-Designer
Unternehmen kaufen Anwendungen und setzen sie an allen Standorten ein. Geschäftsprozess-Designer sorgen für die Balance zwischen der Anpassung der Systeme und der Anpassung der Prozesse.
8. Sicherheitsexperte
Sicherheit ist nicht nur ein Thema von Regeln und Überwachung, sondern auch von Soft Skills. Security-Experten verdeutlichen der Belegschaft, warum sie nicht an der IT vorbeiarbeiten dürfen.
4. Vendor Manager
Der Vendor Manager entwickelt sich zunehmend zum Berater. Fachabteilungen interessieren sich üblicherweise nur für Funktionalitäten und kaum für Sicherheit. Der Vendor Manager schon.
5. Experte für Nutzer-Erfahrung
Die IT muss durch die Brille des Endverbrauchers beziehungsweise Unternehmenskunden sehen können. Das erfordert enge Zusammenarbeit mit den Kollegen im direkten Kundenkontakt.

Entsprechend boomten Trainingsmaßnahmen für Team-, Projekt- Kommunikations- sowie Konfliktmanagement. Und heute? Heute ist die Team- und Projektarbeit in den meisten Unternehmen "gängige Praxis", betont Müller-Siebers. Dafür gewinnen neue Themen an Bedeutung. Denn aufgrund der Globalisierung und des rasanten technischen Fortschritts stehen die Unternehmen unter einem enormen Veränderungsdruck. Das heißt, dass die Mitarbeiter immer häufiger ihre Denk- und Verhaltensmuster veränderten Rahmenbedingungen anpassen müssen.

Mitarbeiter müssen Selbstentwickler werden

Hieraus resultiert ein immenser Lernbedarf - ein Bedarf, der "mit zentral organisierten Qualifizierungsmaßnahmen allein nicht mehr gedeckt werden kann", erklärt Werner Ollechowitz, Bereichsleiter Personal bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. "Dafür ist der Lernbedarf zu individuell und zu verschieden." Also muss das Lernen ein Teil des Arbeitsalltags werden. Und die Mitarbeiter? Sie müssen ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen - unterstützt von ihren Vorgesetzten. Sie müssen sozusagen Selbstentwickler werden, um begehrte Arbeitskräfte zu bleiben.

Das setzt mehrere Fähigkeiten voraus. Die Mitarbeiter müssen lernen, eigene Lernprozesse zu organisieren; außerdem sich zum Lernen zu motivieren - auch wenn es mal nicht auf Anhieb klappt. Diese Fähigkeit zur Selbstmotivation wird in der modernen Arbeitswelt zu einer Schlüsselkompetenz. Davon ist Martin Baltes, Gruppenleiter Recruiting beim Dax-Konzern Merck in Darmstadt überzeugt.

"Denn je eigenständiger und -verantwortlicher die Mitarbeiter arbeiten und je häufiger sie vor neuen Herausforderungen stehen, umso öfter geraten sie an den Punkt, dass sie zunächst das Gefühl haben: Das kann ich nicht." Dann wird von Arbeitnehmern, so Berater Machwürth, heute erwartet, dass sie nicht unmittelbar die Flinte ins Korn werfen, sondern sich fragen "Unter welchen Voraussetzungen könnte ich die Aufgabe doch lösen?" und einen Versuch wagen.

Kernkompetenz "Zuversicht und Gelassenheit"

Das setzt voraus, dass die Mitarbeiter die erforderliche Grundzuversicht "Irgendwie schaffe ich das schon" entwickeln, um "neue Aufgaben" beherzt anzugehen. Doch dies allein genügt laut Schwartz nicht: "Die Mitarbeiter müssen auch lernen, ihre Gedanken und ihr Verhalten zu steuern." Das heißt, sie dürfen bei neuen Herausforderungen zwar durchaus zunächst innerlich fluchen. Doch nach einiger Zeit sollten sie denken "Das gehört eben zu meinem Job" und sich zum Handeln durchringen.

Diese Fähigkeit, sich in eine positive, zuversichtliche Stimmung zu versetzen, fehlt vielen Arbeitnehmern noch - vermutet Schwartz. Die Folge: Sie verfallen bei neuen Herausforderungen oft in eine Art Schockstarre und fühlen sich schnell überfordert. Als Indiz hierfür verweist der Consultant auf die wachsende Zahl psychischer Erkrankungen. Seine Anregung: Die Betriebe sollten darüber nachdenken, inwieweit hier ein Zusammenhang besteht. Dann ließen sich auch Präventionsmaßnahmen organisieren.