Unternehmen bauen 120.000 IT-Arbeitsplätze ab

In der IT wird aufgeräumt

27.04.2007 von Christine Ulrich
Der IT steht in den kommenden fünf Jahren ein gewaltiger Umbruch bevor. Von ihr wird zunehmend erwartet, dass sie substanziell zum Unternehmenserfolg beiträgt. IT-Kosten werden nicht mehr als gegeben akzeptiert - was Konsequenzen für Mitarbeiter und Dienstleister hat. Wie die Management-Beratung A. T. Kearney in einer Studie analysiert hat, werden bis 2011 durchschnittlich 80 Prozent aller Ausgaben für IT-Services auf externe Dienstleister fallen. Der Markt der Anbieter wird sich konsolidieren - und deutsche Unternehmen werden 120.000 klassische IT-Arbeitsplätze abbauen.

Der Wettbewerbsdruck steigt in allen Branchen, und die Unternehmen sind immer mehr auf ihre IT angewiesen, um ihm standzuhalten. Die IT wird sich kontinuierlich besser auf die Anforderungen des Geschäfts ausrichten müssen.

"Eine effektive IT orientiert sich an den Kernprozessen des Unternehmens und soll dessen Wachstum unterstützen", so Holger Röder von A. T. Kearney. In fast allen Branchen werde die IT bislang nur als Kostenfaktor und nicht als Werttreiber gesehen. Sie müsse sich rasch besser aufstellen - und dabei nicht nur den Wünschen des Unternehmens nachkommen, sondern eine spezifische strategische Rolle erfüllen.

Die IT als Geschäftspartner

Will sich die IT darauf fokussieren, das Kerngeschäft des Unternehmens zu unterstützen, muss sie laut Marcus Eul von A. T. Kearney folgendes leisten: sich weniger auf die Technik konzentrieren, die Wertschöpfungstiefe reduzieren und intelligent an IT-Dienstleister outsourcen.

Die IT soll künftig nicht nur - erstens - Auftragsempfänger sein, sondern zweitens auch Geschäftsverständnis haben und Angebote auf Anfrage machen. Drittens soll sie Strategiepartner sein und proaktiv Angebote erstellen. Viertens wird von der IT als Geschäftspartner erwartet, die Industrietrends gut zu kennen und an der Geschäftsstrategie mitzuwirken. Dabei soll sie das Unternehmen beim strategischen Einsatz der IT und im operativen IT-Betrieb beraten sowie IT-gestützte Innovationen vorantreiben.

Am weitesten gediehen ist die IT bei den Finanzdienstleistern und in der Telekommunikation, wo sie schon die vierte Stufe erreicht hat. Dagegen hinkt die IT in den Branchen Maschinenbau, Energiewirtschaft und Einzelhandel noch stark hinterher.

80 Prozent der IT-Ausgaben gehen an Dienstleister

In rund 70 Prozent der Unternehmen würden Anforderungen aus dem Kerngeschäft noch unzureichend in der IT reflektiert, so die Studie. Würden die deutschen Top-500-Firmen hingegen ihre IT optimieren, könnten sie 40 Milliarden Euro zusätzlichen Umsatz generieren.

Die neue Rolle der IT wird sich laut der Studie stark auf Unternehmen, Mitarbeiter und IT-Dienstleister auswirken. Durchschnittlich 80 Prozent der IT-Ausgaben - nur für Service, nicht eingerechnet sind Hardware-, Software- und Telekom-Kosten - deutscher Unternehmen fallen in den kommenden fünf Jahren auf externe Dienstleister. Das entspräche einer Steigerung um 150 Prozent auf ein Gesamtvolumen von 33 Milliarden Euro.

Zurzeit liegen die Kosten für externe Provider bei 13 Milliarden Euro (33 Prozent). Dagegen bewegen sich die Mitarbeiterkosten für interne IT - inklusive Zeitarbeit - bei 27 Milliarden Euro (67 Prozent). Dieser Anteil dürfte auf sieben Milliarden Euro (20 Prozent) schrumpfen.

Das Szenario von A. T. Kearney: Mit dem Outsourcing fallen in den kommenden fünf Jahren insgesamt 120.000 IT-Arbeitsplätze weg. Die derzeit 180.000 IT-Stellen (operativer Betrieb, Wartung, Entwicklung) reduzieren sich um 80 Prozent auf 35.000. Dabei findet nicht einfach eine Verschiebung zu den IT-Dienstleistern statt: Nur 30 Prozent der transferierten IT-Arbeitsplätze werde in Deutschland bleiben, so Eul. Der Rest werde in Niedriglohnländer verschoben oder falle ganz weg, weil die Dienstleister produktiver seien.

Lücke von 18.000 Experten

Dafür steigt die Zahl der IT-Management-Posten von 10.000 auf ebenfalls 35.000 - von denen 70 Prozent extern akquiriert werden muss, glaubt A. T. Kearney. Denn "klassischen" IT-Spezialisten fehle Wirtschafts- oder branchenspezifisches Know-how. Derzeit klaffe bereits eine Lücke von 18.000 Experten, die stark nachgefragt seien.

Auf der technischen Seite werden viele Unternehmen eine IT aufbauen, die sich auf das Kerngeschäft fokussiert. Die Größe der Auslagerungsprojekte werde sich allerdings ändern: Weil "Full-Outsourcing"-Aktionen ganzer IT-Abteilungen häufig gescheitert seien, gehe der Trend zum sehr selektiven Outsourcing, oft auch zusammen mit dem Outsourcen eines Geschäftsprozesses wie der Finanz- oder Personalverwaltung.

Durch diese Entwicklungen ergeben sich für die IT-Dienstleister enorme Chancen. Allerdings steht dem Markt eine kräftige Konsolidierung bevor. A. T. Kearney zufolge werden nur die Service-Provider überleben, die sich entweder als globale Player positioniert oder sich klar auf eine Nische spezialisiert haben. Ein zentraler Erfolgsfaktor sei dabei der Zugang zu Niedriglöhnländern.

Für die Studie ermittelte A. T. Kearney die IT-Kosten der deutschen Top-500 Industrieunternehmen. In die Entwicklung der Szenarien für 2011 floss Projekt-Know-how von A.T. Kearney über die Herausforderungen der IT in den jeweiligen Industrie-Clustern ein, gestützt durch Marktstudien. Ergebnis war die Berechnung des Volumens der extern vergebenen Services in der IT. Daraus ließen sich dann die notwendigen Arbeitsplatzreduzierungen und -verschiebungen ableiten.