E-Business-Strategie der Post

Integration statt Innovation

08.07.2002 von Lars Reppesgaard
Die Deutsche Post World Net (DPWN) dreht diversen E-Business-Aktivitäten im Konzern den Saft ab. Die künftige Online-Strategie des Gelben Riesen ist unklar.

Alexander Benesch war fassungslos: "Die Post ist natürlich ihren Aktionären verpflichtet, aber die Kosten, die die Zertifizierungsstelle verursacht hat, dürften aus der Portokasse zu bezahlen gewesen sein", zitiert das IT-Info-Portal Silicon.de den Geschäftsführer des Deutschen Notarinstituts. Anlass für die Aufregung: Die Deutsche Post Signtrust, im Konzern für digitale Signaturen zuständig, wird wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit aufgelöst. Die Bundesnotarkammer war bisher ihr Vorzeigekunde.

Die Zahl der verärgerten Nutzer dürfte sich zwar in Grenzen halten. Schwerer wiegt aber die Verunsicherung von Kunden und Kooperationspartnern angesichts des Kurswechsels der Post in Sachen E-Business. "Viele Logistiker haben im E-Business viel ausprobiert und nutzen diese teils schmerzhaften Erfahrungen, um sich jetzt neu aufzustellen", kommentiert Michael ten Hompel, Professor am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, die Post-Maßnahme.

Weil sich die Aktie Gelb bislang als Flop erwiesen hat, fahndet DPWN nun nach Geldfressern. Neben Signtrust wurden dabei diverse E-Business-Projekte, die meisten im Bereich der E-Business GmbH, dingfest gemacht, darunter die Portale Trimondo (C-Güter-Beschaffung), Portivas (Transportkapazitäten) und Evita (Shopping). Trimondo ist bereits in ein Joint Venture mit Lufthansa Airplus ausgegründet, Portivas an die Spedition Danzas abgegeben worden; Evita soll verkauft werden.

Service von A bis Z gibt es nicht

Beim Börsengang hat die DPWN etwas anderes erzählt: Von A bis Z betreue sie Kunden, auch in Sachen E-Business. Teilnehmer am Evita-Portal beklagen, dass dieser Anspruch nie umgesetzt wurde. "Das ist alles Geld und alles Post, aber im Grunde hat man es mit lauter eigenständigen Gesellschaften zu tun", sagt Thomas Becher, Geschäftsführer von Spielenet in München. "Ich muss mit jedem Teilbereich einzeln verhandeln."

Die TV-Spots mit den Brüdern Gottschalk suggerieren das Gegenteil: alles aus einer Hand. Nun verabschieden sich die Bonner auch offiziell von der Idee, ein Anbieter müsse die gesamte E-Business-Kette im Griff haben. Klaus Linde, Aktienanalyst bei SES Research, überrascht das nicht: "Auch andere Marktteilnehmer wie Thiel oder D-Logistics haben sich aus der IT-Entwicklung zurückgezogen."

Als Entmachtung der E-Business-Einheit will Clemens Beckmann, Geschäftsführer der E-Business GmbH der Deutschen Post, diese Entwicklung jedoch nicht ver-standen wissen. Es soll bei einem IT-Investitionsvolumen von 2,5 Milliarden Euro für das Jahr 2002 bleiben, wie auf der Cebit bekannt gegeben wurde. "Die Zahl der E-Business-relevanten Projekte im Unternehmen ist sogar gestiegen", sagt Beckmann. "Wir fahren das Engagement nicht strategisch runter, wir machen jetzt Ernst. Es ist eine Sache, Agententechnologie wie bei Portivas mit zu entwickeln. Der entscheidendere Schritt danach ist aber die Integration von Projekten ins Kerngeschäft."

E-Business-Tochter als Integrator gefordert

Konzentration statt Kahlschlag also. Derzeit kooperieren Beckmanns Mitarbeiter etwa mit dem Frachteinkauf, damit die künftigen Nutzer mittelfristig die neue Portivas-Plattform selbstständig nutzen können. Dafür muss sich die E-Business-Tochter der Post vom Produktentwickler zum Integrator wandeln.

Einige E-Projekte - wie das für die digitale Briefmarke "Stampit" aus dem Unternehmensbereich Brief - laufen ganz ohne die eigentlich zuständige Business-Einheit. In anderen Bereichen arbeiten die E-Business-Spezialisten nun in gemischten Teams mit anderen DPWN-Mitarbeitern. Neben Portivas ist die E-Filiale dafür ein Beispiel: Sie soll neben den 13000 realen Filialen alle Post-Dienstleistungen auch über das Internet bereitstellen und wird im August um Zahlungsfunktionen und SAP-Integrationsmöglichkeiten erweitert. 2000 vor allem kleine und mittelgroße Kunden nutzen diesen Service bereits.

Durch den Wechsel von Mitarbeitern zu anderen Konzernteilen könnte die E-Business GmbH um ein Viertel bis ein Drittel schrumpfen. Unklar ist der Image-Schaden durch die Kursänderung. Werden Kunden in Zukunft die Absichtserklärungen eines Unternehmens ernst nehmen, dass noch zur Cebit mit einer Microsoft-Vereinbarung für die digitale Signatur warb? Zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung gegen Signtrust längst gefallen, sagen Post-Insider. Heiße Luft hat DPWN auch im Mai abgelassen, als eine Kooperation zwischen Evita und GMX angekündigt wurde, um die Reichweite des Portals zu erhöhen.

Offen ist zudem die Frage, wie es sich vermeiden lässt, dass die E-Business-Organisation sich mit der Deutschen Post IT Solutions ins Gehege kommt. Erstere ist zu Jahresbeginn in den Verantwortungsbereich von CIO Manfred Schuster übergegangen, letztere wurde zur selben Zeit unter seiner Regie als IT-Dienstleister ins Leben gerufen; beide Einheiten werben mit Konzept- und Beratungskompetenz. Schuster muss nun geschickt moderieren, um die Töchter am Markt auseinander zu halten.