Interim-Management: Flaute bei Projekten

Interim-CIOs: "Das ist schon extrem"

23.06.2009 von Werner Kurzlechner
Interim-Management hat seinen Zenit 2008 überschritten. Der Markt lässt nach - doch die Profis geben sich gelassen: Kommt Zeit, kommt Auftrag.
Peter Rogg, Interim-CIO: "Von 120 Prozent auf null und wieder auf 120 - das ist schon extrem."

Sein Handicap liegt bei ausbaufähigen 39. Dabei hat Peter Rogg immer Phasen im Leben, in denen er zum Golfschläger greift. Aber das letzte Quäntchen Ehrgeiz fehlt ihm. Es sei ihm ein Rätsel, wie andere Spitzen-Manager ein einstelliges Handicap hinbekommen, sagt der 53-Jährige. Bewusst sucht er im Sport den Ausgleich für das, was sein Beruf ihm abverlangt. Sein Beruf: Das sind Projekte in aller Welt. Peter Rogg ist Interim-Manager, also ein Zeitarbeiter unter den CIOs. Da gibt es immer wieder einmal einen Monat Pause, in der sich am Abschlag feilen lässt. Aber weil Peter Rogg erfolgreich ist, reihen sich die Projekte aneinander. Das schlaucht. "Von 120 Prozent auf null und wieder auf 120 - das ist schon extrem", sagt Peter Rogg.

Die Flaute lässt grübeln

Der Franke hat es nicht bereut, dass er im Sommer 2003 seine Festanstellung als CIO bei einem Solartechnologiehersteller aufgab. "Ich habe nie gezweifelt", sagt Rogg. Gut zu sein und immer an sich zu glauben, das ist die oberste Maxime beim Abenteuer Interim-Management. Und doch verhehlt Rogg nicht, dass ihn die Wirtschaftskrise ins Grübeln bringt. Die Flaute trifft auch seine Branche. "Die Unsicherheiten über die tatsächlichen Auswirkungen der Krise haben zur Folge, dass viele Projekte auf dem Prüfstand sind", sagt Daniela Zimmer, Managing Director Deutschland beim Interim-Management-Provider Resources Global Professionals. Allerdings holten viele Unternehmen gerade jetzt lieber Know-how von außen.

Umfrage: Gedämpfte Erwartungen.

Es zeichnet sich derzeit eine kleine Delle ab in einer Branche, die sich hierzulande immer besser zu behaupten scheint. "2008 war für uns das beste Jahr aller Zeiten", sagt Jens Christophers, Vorstandvorsitzender der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management (DDIM). "2009 werden wir diese hohe Auslastung wohl nicht erreichen." Die DDIM bereitet derzeit eine umfassende Studie zur aktuellen Marktlage vor. Momantan liegen lediglich Daten aus dem Jahr 2007 vor. Damals bezifferte der Verband die Zahl der Interim-Manager im Lande auf etwa 3500. Mittlerweile dürfte es deutlich mehr Führungskräfte auf Zeit geben und das Marktvolumen auf knapp 800 Millionen Euro angestiegen sein, schätzt Christophers.

Fünf Prozent Interim-Manager in IT

Mittlerweile dürfte es deutlich mehr Führungskräfte auf Zeit geben, schätzt Christophers. Wobei die DDIM nur Manager mitzählt, die Aufgaben auf der Geschäftsleitungs- oder Leitungsebene übernehmen, nicht jedoch Fachexperten. Großzügiger rechnet da der Arbeitskreis Interim Management Provider (AIMP), der für das vergangene Jahr von 12.000 Interim-Managern und einem Marktvolumen von 1,6 Milliarden Euro ausgeht.

Umfrage: Fette Jahre seit der letzten Krise.

Das IT-Segment am Gesamtkuchen veranschlagt Christophers auf etwa ein Zwanzigstel. Laut Marktbarometer von 2007 nannten knapp fünf Prozent der Interim-Manager EDV und IT als Fachgebiet. Zurzeit besonders gefragt sind Restrukturierer und Sanierer. Marketing-Spezialisten hätten es derzeit schwer, während die IT bislang recht stabil sei, so Christophers.

Momentanen Unwägbarkeiten zum Trotz erscheint die Zeitarbeit auf höchstem Niveau als Wachstumsmarkt für CIOs - eine Karriereoption, für die man aber auch gemacht sein muss. Bezahlt wird im Durchschnitt ein Tagessatz von rund 1000 Euro, wobei sich mit einem guten Namen und günstigen Rahmenbedingungen in der Spitzengruppe auch deutlich über 2000 Euro aushandeln lassen. Vom Honorar für die Projekte gilt es allerdings die Kosten abzuziehen, die Selbstständige selbst zu tragen haben - für Versicherungen und Altersvorsorge beispielsweise. Unbezahlt sind außerdem die Wartezeiten aufs nächste Projekt. Bei der Zusammenarbeit mit einem Provider geht an diesen in der Regel ein Drittel. Das Geld gibt letztlich wohl nicht den Ausschlag gegen eine Festanstellung.

Umfrage: Soft Skills gefragt.

"Ein gutes Projekt und Haken dahinter - mir macht das einfach Spaß", sagt Peter Rogg. Er ist jemand, der den ständigen Wechsel der Herausforderungen mag und für Bequemlichkeiten kein Verständnis hat. Wenn sich eine Abteilung ohne sachlichen Grund gegen den Umzug in eine andere Etage sträubt, kann Rogg unangenehm werden. Das sind meistens auch seine Aufgaben. Denn die Unternehmen holen ja nicht ohne Grund einen Externen ins Boot. Sie tun es, wenn zum Beispiel Personal abgebaut werden soll. Gelingt so ein Projekt, kann ein Interim-Manager lange davon zehren. Stolz berichtet Rogg davon, vor drei Jahren einem IT-Dienstleister durch ein einjähriges Konsolidierungsprojekt sieben Millionen Euro eingespart zu haben. Direkt im Anschluss ging es für drei Monate zu einer Business-Consulting-Firma. Das eine Unternehmen beschäftigte knapp 50.000 Mitarbeiter, das andere acht. Diese extremen Unterschiede muss man aushalten können.

"Ich habe keine Vergangenheit …"

Peter Rogg genießt sie sogar. "Ich habe keine Vergangenheit und keine Zukunft im Unternehmen, nur die Gegenwart", sagt er. Deshalb müsse er sich auch nicht in organisationspolitische Grabenkämpfe verstricken lassen. Der CIO auf Zeit hat eine klar umrissene Aufgabe zu erfüllen - ansonsten ist er unabhängig. Vor sechs Jahren hatte Rogg gerade seinen letzten festen Job angetreten. Dann wurde der Vorstand geschasst, der ihn geholt hatte. Ohne Hausmacht sah er bald keine Perspektive mehr, zudem geriet das Unternehmen finanziell ins Schlingern. Ebendort lernte Peter Rogg aber einen Kollegen kennen, der ihm das Interim-Management schmackhaft machte. Bis heute telefonieren sie regelmäßig. "Mit einem Mentor fällt der Einstieg leichter", sagt Peter Rogg.

DDIM: Große Streuung beim Honorar.

Ohne Netzwerk geht es sowieso nicht. Seine Projekte akquiriert Rogg häufig auf eigene Faust, er ist aber auch Mitglied in der DDIM und hat auch schon mit Resources Global zusammengearbeitet. Von den rund 300 Experten im deutschsprachigen Raum dort verfügt nach Angaben des Providers etwa ein Drittel über ausgeprägte IT-Expertise. "Unser Pool umfasst die gesamte Bandbreite von CIOs über Senior Project Leaders bis hin zu Project Experts mit circa zehn Jahren Berufserfahrung", sagt Daniela Zimmer. Reine Techniker seien kaum darunter, gefragt stattdessen IT-Leute mit Erfahrungen in der Wirtschaftsprüfung oder Finance- und Accounting-Spezialisten, die die Implementierung von ERP-Systemen übernehmen. Trotz eines Wachstums von über 20 Prozent in den vergangenen Jahren hat die Branche in der Bundesrepublik noch nicht die Stärke wie in den Niederlanden oder Großbritannien erreicht. "Das Berufsleben ist hier nach wie vor eher hierarchisch strukturiert, die Projektkultur steckt noch in den Kinderschuhen", so Daniela Zimmer.

Vier Wochen Urlaub am Stück

Jens Christophers spürt indes eine Veränderung. Der 45-Jährige zählt sich selbst zur "Generation Golf". Gerade die jüngeren Führungskräfte mögen die Flexibilität, die ein Dasein als Interim Manager mit sich bringt. Unter anderem auch den Luxus, mal vier Wochen am Stück urlauben zu können. Das dürfe nicht an Vorurteilen in Vorstandsetagen scheitern, Interim-Manager seien gescheiterte Existenzen. In der Qualitätssicherung sieht Christophers deshalb ein zentrales Problem. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, die Idee einer Zertifizierung erwies sich als nicht umsetzbar. Die Branche versucht sich mittels Markenbildung zu helfen. Seine Sozietät Taskforce sei dabei, sich als Synonym für die gesamte Branche zu etablieren, sagt Christophers - wie einst Roland Berger und McKinsey in der Zunft der Unternehmensberater. Diese ist sowieso eine Art großer Bruder für Interim-Manager - strategische Analytiker die einen, zupackende Umkrempler die anderen.

Vermittler: Der Markt im Auszug.

Peter Rogg weist seine Qualität individuell nach. Erfolgreiche Projekte in den USA, Ungarn, Brasilien und China sprechen für sich. Dabei sind vor allem Fingerspitzengefühl und interkulturelle Kompetenz wichtig. Mal hat man es als Manager auf Zeit mit Mittelständlern zu tun, die ausschließlich breitestes Schwäbisch sprechen. Kurz darauf mit Südamerikanern, denen man bei vielen Abendessen erklären muss, dass man kein eiskalter Sanierer US-amerikanischer Schule ist. "Man muss sich auf Menschen einlassen können", sagt Rogg. Für einen Interim-Manager ist das wohl noch wichtiger, als IT- und Business-Fragen aus dem Effeff zu beherrschen.