Wann der CIO haftet

IT-Cloud-Projekte richtig verhandeln

14.04.2022 von Gerrit Forst und Kay Diedrich
CIOs müssen die Interessen ihres Unternehmens gegenüber externen Cloud-Anbietern mit Nachdruck vertreten. Sonst haften sie selbst.
Bei Verhandlungen mit Cloud-Anbietern sollten sich CIOs nicht von deren Marktmacht einschüchtern lassen. Meist lassen sich günstigere Konditionen für das Unternehmen aushandeln.
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Bei Cloud-Projekten sollten CIOs die Bedingungen konsequent hinterfragen und sich vertraglich möglichst umfassend absichern. Auch marktstarke Anbieter sind bei passenden Vertragsvolumina zu Verhandlungen und vernünftigen Kompromissen bereit.

Cloud-Hyperscaler wie Amazon Web Services oder Microsoft Azure versuchen, Bedingungen durchzusetzen, die in herkömmlichen Geschäften nur Verwunderung auslösen würden. Standardisierung und "die Cloud" sollen es erfordern, dass der Kunde weiter einen Großteil der Vergütungen bezahlt und Schäden selbst trägt, auch wenn der Anbieter versagt hat.

Das ist für die CIO-Funktion ein Problem: Sie hat gegenüber ihrem Unternehmen Sorgfalts- und Treuepflichten. Diese gelten auch, wenn Verträge ausgehandelt und abgeschlossen werden. Verletzt sie diese Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig, haftet sie gegenüber der Gesellschaft persönlich für daraus resultierende Schäden. Das Verschulden wird dabei vom Gesetz vermutet, es zu widerlegen ist Sache des CIO.

Sicherheit ist verhandelbar

Ein CIO kann persönlich wegen der Verletzung seiner Organpflichten belangt werden, wenn er die Interessen des Unternehmens in Verhandlungen mit Cloud-Anbietern nicht mit genügend Nachdruck vertritt.

"Augen zu und durch" ist dabei eine besonders gefährliche Strategie, denn sie lässt sich rechtlich häufig als bedingt vorsätzliche Pflichtverletzung des CIOs übersetzen. Damit greifen besonders scharfe Rechtsfolgen zu Lasten des CIOs. Dazu zählen Abberufung, außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags, Verlust von Vergütungen und Schadensersatz. Directors-and-Officers (D&O)-Versicherungen, die Unternehmen für leitende Angestellte abschließen, schützen bei Vorsatz nicht.

Was in Verhandlungen möglich ist, zeigt das Beispiel eines international tätigen Dienstleistungskonzerns: Die zunächst als unverrückbarer Standard übermittelten Cloud-Bedingungen eines US-Anbieters wurden anfangs verteidigt, indem auf Konzernregeln, erforderliche Vorstandsfreigaben und US-Buchungsregeln verweisen wurde. Auf konkretere Vorschläge hin konnten aber etwa Schadensersatzansprüche des Kunden verhandelt werden, falls Dritte gegen den Kunden wegen Ausfällen der Cloud-Leistungen wiederum Ansprüche durchsetzen.

Als Teil dieses Kompromisses wurde die maximale Haftung des Cloud-Anbieters für einfache Fahrlässigkeit beschränkt auf die Höhe des für den Cloud-Vertrag vereinbarten Jahresumsatzvolumens. Das beeinträchtige die von Cloud-Anbietern gegen Vertragsanpassungen oft argumentierte technische Cloud-Standardisierung nicht. Der Kompromiss hatte keine Auswirkungen darauf, wie die Cloud-Leistungen technisch durchgeführt wurden.

Trotzdem bleiben Verhandlungen über den Cloud-Vertrag bisher die Ausnahme. Meist akzeptieren Kunden unvorteilhafte Vertragsbedingungen mit Blick auf die starke Position der Anbieter und Stimmungen im Markt ("machen doch alle so"). Das ist ein Problem, denn Verantwortliche sind so nicht vor persönlicher Haftung geschützt, wenn Cloud-Dienste gestört sind oder ausfallen. Um das zu vermeiden, müssen sich CIOs vor dem Vertragsschluss wenigstens um umfassende Information bemühen und Vor- und Nachteile der Cloud-Lösung abwägen.

IT-Outsourcing richtig verhandeln

Ein CIO sollte das Für und Wider der Auslagerung deshalb sorgfältig abwägen. Die Eckpunkte der unternehmerischen Entscheidung gilt es immer schriftlich zu dokumentieren (nachweislich kein "Augen zu und durch"). Zudem sollte das Unternehmen zumindest einige besonders wichtige Prinzipien im Vertrag verankern. Dazu gehören insbesondere folgende Punkte:

CIOs müssen die Frage beantworten können, ob ein Vertrag für das Unternehmen hinreichende Vorteile bietet, selbst wenn er unverändert abgeschlossen und bei Streitigkeiten mit dem IT-Dienstleister potenziell existenzgefährdend ist. Zumindest sollte jeder CIO die für seine Entscheidung maßgeblichen Informationen und Alternativen bei Bedarf belegen können.

Business Judgement Rule

Der Gesetzgeber schließt nämlich nach der sogenannten Business Judgement Rule eine Haftung für unternehmerische und zukunftsgerichtete Entscheidung unter Unsicherheit aus, wenn die Entscheidung auf der Grundlage angemessener Informationen getroffen wurde.

Die Voraussetzungen dafür lauten wie folgt:

Bei anderen bedeutenden unternehmerischen Entscheidungen, wie etwa Unternehmensübernahmen, ist es inzwischen üblich, dass das Management Entscheidungen durch eine anwaltliche Legal Opinion zusätzlich absichert. Auch im Rahmen des IT-Outsourcing kann sich dies anbieten. (jd)