Über die Hälfte der IT-Services scheitern bei der Markteinführung

IT-Dienstleister entwickeln in die falsche Richtung

12.10.2004 von Michael Kallus
Wer jedes Mal an einer Lösung herumbastelt, bis sie dem Kundenwunsch entspricht, erntet vor allem eines: Komplexität. Hier empfehlen sich beispielsweise modulare Produktarchitekturen. Doch nur wenige IT-Dienstleister nutzen Ansätze und Methoden, um Dienstleistungen strukturiert und systematisch zu entwickeln. Das zeigt eine Studie des Fraunhofer-Instituts.

Die Wissenschaftler des Instituts beobachteten bei der Markteinführung neuer IT-Dienstleistungen Flopraten von 50 bis 80 Prozent. Laut Studie lag das vor allem an dem Weg, den IT-Unternehmen beschreiten, wenn sie neue Services entwickeln. Häufig würden Marketing und Kundenwünsche die Richtung vorgeben. Dabei gerät die zentrale Herausforderung ins Hintertreffen: die ökonomische Bereitstellung der geforderten Kundenvarianten.

Derzeit, so die Wissenschaftler, erfolgt die Entwicklung von IT-Services unstrukturiert. IT-Dienstleister koppeln meist ein festes Produkt an ihr Angebot. Fast 60 Prozent der befragten Unternehmen tun das immer oder häufig. In der Folge müssen diese Lösungen sehr oft für die Kundenwünsche umgebaut werden.

Eine Sisyphus-Arbeit: Implementierung

Fast die Hälfte der IT-Service-Anbieter ändert der Studie zufolge innerhalb des ersten halben Jahres ihre IT-Dienstleistung mehr als fünfmal. Die Häufigkeit nimmt danach zwar ab, bleibt aber auf einem hohen Niveau. So geben 20 Prozent der Unternehmen an, in den letzten zwei Jahren des Lebenszyklus die IT-Service-Spezifikation mehr als zehnmal ändern zu müssen.

Diese Zahlen spiegeln sich im Portfolio der befragten Unternehmen wider. 93 Prozent bieten vor allem Implementierung an. Danach folgen Konzeption und Beratung mit 92 Prozent. Das, so die Wissenschaftler, zeige die Beratungslastigkeit der Branche, die unter anderem in der weiterhin hohen Komplexität von IT-Systemen und -Services begründet sei. Asset-Management führen laut Studie nur 28 Prozent der Anbieter.

IT-Services kranken an falschen Beschreibungselementen

Fünf von sechs Unternehmen nutzen Leistungsbeschreibungen, um ihre IT-Leistungen zu definieren. Weitere verbreitete Beschreibungselemente sind Prozessmodelle, Checklisten und Schnittstellenbeschreibungen. Betriebskonzepte, die organisatorische Zuständigkeiten und Verantwortungen für Aufgaben definieren, setzen jedoch nur 47 Prozent der befragten Unternehmen ein.

Obwohl viel von Kundenorientierung geredet wird, so die Wissenschaftler, nehmen Interaktionskonzepte sowie Kennzahlensysteme oder Service Level Agreements nur eine untergeordnete Rolle ein.

Lediglich 35 Prozent der Unternehmen nutzen Produktmodelle, um Struktur und Funktionen der angebotenen Dienste zu beschreiben. Das stehe jedoch laut Studie im Gegensatz zum hohen Anteil an Firmen, die modulare Dienstleistungen anbieten. So glauben zwei Drittel der befragten Unternehmen, modulare Dienstleistungen anbieten zu können. Nur sechs Prozent verwenden jedoch die dafür notwendigen Beschreibungsmittel. Modulare IT-Services würden den Wissenschaftlern zufolge mindestens Produkt- und Prozessmodelle als Beschreibungselemente benötigen.

Die Studie zeigt hier eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf. Ähnliches zeigt sich bei den Ergebnissen in den Bereichen Mitarbeiterqualifikation und Gestaltung des Entwicklungsprozesses.

Strukturiert entwickeln, statt Hinterherbasteln

Anbieter aus dem IT-Bereich sollten künftig die Entwicklung neuer IT-Services systematisieren, lautet das Fazit der Fraunhofer-Studie. Dabei spielt der Transfer von Ansätzen aus der Sachgüterindustrie eine zentrale Rolle. Das aus der Automobilindustrie bekannte Plattformkonzept sowie modulare Produktarchitekturen seien interessante Konzepte, die flexibel und wirtschaftlich arbeiteten.

Weiterhin wichtig sind die strukturierte Gestaltung der Leistungstiefe sowie die Koordination der Leistungserbringung, zum Beispiel durch Service Level Agreements.

Zudem, so die Wissenschaftler, gibt es bisher keine Verbindung zwischen bestehenden Ansätzen zum Management von IT-Services (ITIL, Cobit oder eTOM) und dem systematischen Service Engineering. Solche Anforderungen sollten Unternehmen bereits in der Entwicklungsphase berücksichtigen.

Ziel sei es, ein kontinuierliches IT-Service Engineering zu etablieren, statt nur situativ vorzugehen. IT-Service-Anbieter sollten, so die Studie, die systematische Entwicklung von Dienstleistungen als ihre Kernaufgabe verstehen.

An der Studie mitgewirkt haben das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) Berlin und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) Stuttgart. Befragt wurden branchenübergreifend 162 Unternehmen.

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