Mit Lean Management Probleme bewältigen

IT-Innovation wird zum Wettbewerbsfaktor

28.06.2006
Die aktuelle Situation in der deutschen Handelsbranche ist insgesamt geprägt durch unerfreuliche Fakten: Umsatz- und Gewinn-Rückgänge, steigende Betriebskosten, andauernde Kaufzurückhaltung der Verbraucher, kaum Wachstumsbereiche, schwerwiegend veränderte Wettbewerbslandschaften durch das Aufbrechen bislang abgegrenzter Marktsegmente, verschärfte Konkurrenz im gesamten Markt. Lean Management wird zum Hoffnungsträger und hebt den Stellenwert der Informationstechnologie im Retail-Markt.

Nach Angaben des Hauptverbandes Deutscher Einzelhandel (HDE) wurden im Jahr 2005 382,3 Milliarden Euro umgesetzt, gegenüber 380 Milliarden Euro in 2004. Dieses leichte Plus markiert gleichwohl keine generelle Trendwende, sondern resultiert vorwiegend aus dem guten Weihnachtsgeschäft 2005 sowie der Fußball-Weltmeisterschaft, die bereits im Vorfeld für sanfte Umsatzbelebung sorgte. Das leicht verbesserte Konsumklima wird unter anderem auch auf den politischen Wechsel in Deutschland zurückgeführt.

Neben der deutlichen Kaufzurückhaltung der Verbraucher waren die Jahre 2004 und 2005 stark geprägt von hausgemachten Problemen insbesondere bei den großen Handelskonzernen, die sich in diesem Jahr fortsetzen. Selten ist der Handel so in das Licht der Öffentlichkeit geraten wie in letzter Zeit. Es häuften und häufen sich Skandale, hässliche Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit, Qualitätsprobleme, Rückrufaktionen und in deren Folge massive Imageschäden. Stichworte in diesem Zusammenhang: Dosenpfand, Fleischskandale und „Gammelfleisch“, Bahnticket-Desaster von Lidl und Deutsche Bahn, Pestizidbelastung bei Obst und Gemüse.

IT-Innovation nur wenn’s unbedingt sein muss

Der deutsche Handel ist diejenige Branche, in der Investitionen und der Einstieg in eine neue Technologie wahrscheinlich am längsten und intensivsten vorbereitet werden. Dies führt zu Investitionszyklen von bis zu zehn Jahren und mehr und zu Projektvorlaufzeiten von bis zu drei Jahren. Mit der Folge, dass der IT-Innovationsgrad im Retail-Markt vergleichsweise niedrig ist. Die allgemein unbefriedigende wirtschaftliche Situation der Unternehmen (Umsätze / Margen) und die traditionell wenig ausgeprägte IT-Affinität der Top-Entscheider verstärken diese Tendenz.

So agiert denn der deutsche Retail-Markt im allgemeinen sehr konservativ und meist nach dem Motto „never touch a running system“. „Sehr lange wird an ältlicher, aber bewährter Hard- und Software festgehalten, neuen IT-Konzepten und -Lösungen begegnet man mit Skepsis. Das Ergebnis sind zum Großteil hinderliche, weil manuell und intern gepflegte Schnittstellen für den Datenaustausch zwischen den verschiedenen, teils gekauften und teils selbst entwickelten Systemen“, sagt Stefan Lüschow, Geschäftsführer des Marktanalysten MBmedien GmbH. Die von den Systemen und Kassen generierten Daten werden häufig an verschiedenen Stellen abgelegt und vorgehalten, aufgrund fehlender Datenintegration kommt es zu inkonsistenten Datenansichten. Die Vorteile etwa eines integrierten, unternehmensübergreifenden Supply Chain Managements werden aber immer mehr erkannt, damit wächst bei den Top-Entscheidern die Bereitschaft, in diese Richtung zu investieren.

Budgets, Budget-Entwicklung und Investitionsverteilung

Ein 2006er IT-Jahresbudget zwischen 100.000 und 500.000 Euro ist für deutlich die meisten der Marktteilnehmer Stand der realen Dinge. Das ergab im Herbst 2005 die Befragung von 376 Unternehmen (58% FMCG Fast Moving Consumer Goods, 42% SMCG Slow Moving Consumer Goods) im Rahmen der MBmedien Retail IT-Studie. Über 40 Prozent der befragten Unternehmen haben 2006 ein bis zu 15 Prozent höheres IT-Budget zur Verfügung als 2005. Dabei liegt die Steigerung meistenteils zwischen fünf und zehn Prozent. Auf das größte Investitionsinteresse stoßen laut MBmedien Marktbefragung Software-Lösungen für Prozess-Optimierung: Ob Standard-Software für ERP-Belange oder Branchen-spezifische Software für Einkauf, Vertrieb und Warenwirtschaft – letztlich müssen diese Produkte tiefgreifend „miteinander können“ und erreichen zusammengefasst den höchsten Wert. Und selbstverständlich ist ein modernes Kassen-/EPoS-System für solche Solutions einer der wichtigsten Integrationspartner und darf daher nicht singulär betrachtet werden.

„Unser Kassen- bzw. EPoS-System muss insbesondere folgende Warenwirtschaftsanforderungen bedienen und unterstützen: Warenein- und -ausgang, Lagerverwaltung und Lieferanten-Management, Fakturierung, Rechnungsprüfung und Bonusabrechnung sowie Sortimentsgestaltung und Filialbewirtschaftung“, sagt Joachim Härte, Accounting Manager bei der Mitsukoshi Deutschland GmbH, einem auf japanische Kundschaft spezialisierten Einzelhandelsunternehmen mit drei Niederlassungen und Hauptsitz in Düsseldorf. Bei der Auswahl eines neuen Kassen- / EPoS-Systems achten die Unternehmen laut MBmedien Retail IT-Studie vor allem auf diese Kriterien: Bediener-/Tages-Abrechnung, Kompatibilität mit dem vorhandenen Waren-Wirtschafts-System und Zahlungsmittel-Erfassung.

Für die Handelsbranche sind Optimierung und Effizienzsteigerung der Business-Prozesse sowie Verbesserungen im Bereich Kundenservice wesentliche Kriterien für strategischen IT-Einsatz. Die Kombination aus moderner Netzwerktechnologie, leistungsstarker Serverlandschaft, mächtigen datenbankbasierten Applikationen und „fütternden“ Kassen- bzw. EPoS-Systemen bietet bereits heute integrierte Sichten auf die anfallenden Geschäftsdaten und kann Handelsunternehmen helfen, diese zur Gewinnung erfolgskritischer Informationen einzusetzen – vorausgesetzt, dass es verstanden wird, besagte Daten professionell auszuwerten und zu interpretieren.

Handelsunternehmen, besonders die Filialen, sind Produzenten riesiger Datenmengen, die, unabhängig vom Datenschutz der Privatpersonen, vielfältige Auswertungs- und Ableitungsmöglichkeiten bieten. Typische Fragen wie „Wer kauft was, wann und in welcher Niederlassung“, „Welches Produkt verkauft sich im internen Vergleich wo schlechter oder besser?“ oder „Welche Produkte sollten wie positioniert und mit welchen Produkten kombiniert präsentiert werden?“ und viele weitere Fragen können bei einer durchgehenden und übergreifenden Datenerhebung respektive -analyse beantwortet werden – zeitnah und proaktiv, so dass die Konzerne frühzeitig reagieren und eingreifen können.

„In den nächsten drei bis sechs Jahren wird die Bedeutung der IT im Handel weiter zunehmen und werden die IT-Budgets und damit die Investitionen in Technologien signifikant steigen. Und das auf breiter Front. Vorreiter wie die Metro AG mit ihrer Future Store-Initiative werden keine Inseln des technologischen Fortschritts bleiben, da die Player im Retail Market mittlerweile immer stärker erkennen, dass eine moderne und übergreifende IT-Infrastruktur einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren ist“, pointiert MBmedien Geschäftsführer Stefan Lüschow.

Reinhold Hölbling, MBmedien GmbH