Keine Zeit für Mega-Deals

IT-Outsourcing in Europa eingebrochen

02.08.2011 von Werner Kurzlechner
Gegenüber 2010 ist das IT-Outsourcing in Europa im ersten Halbjahr deutlich zurück gegangen. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle TPI-Index.
2004, 2007 und 2009 gab es gute erste Halbjahre für die IT-Outsourcing-Anbieter in EMEA. 2011 ist das nicht der Fall.
Foto: TPI

Auch wenn die sogenannten Mega-Deals bisher rar gesät sind, entwickelt sich der Outsourcing-Markt in diesem Jahr in der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) bislang ordentlich. Die Berater von TPI sehen EMEA in ihrem vierteljährlichen Index neben Asien-Pazifik derzeit sogar als Lokomotive im Weltmarkt, der von einem Tief in Amerika allerdings insgesamt arg gedrückt wird. Die europäischen Zahlen erscheinen dabei ambivalent: Während es beim Business Process Outsourcing (BPO) merklich aufwärts geht, stehen die Zeichen beim IT-Outsourcing eher auf Ebbe.

Überhaupt ist die auf aktuellen Quartalszahlen basierende Erhebung aller Outsourcing-Verträge mit einem Volumen von mindestens 25 Millionen US-Dollar schwer zu interpretieren, weil sich verschiedene Befunde ergeben – je nach dem, welche Zahlen man vergleicht. „Das zweite Quartal zeigt bei einigen Kennzahlen einen erfreulichen Anstieg des Gesamtvertragswertes im Vergleich zum Vorjahr“, lautet die Deutung von John Keppel, Präsident der Information Services Group (ISG), zu der TPI gehört. „Aber eine schlechte Entwicklung in Amerika und ein Rückgang bei den Großverträgen dämpfte insgesamt den globalen Outsourcing-Markt.“ Alles in allem geht Keppel für das Gesamtjahr von einem ähnlichen Ergebnis wie 2010 aus, wenngleich sich im Gesamtbild merkliche Schwachpunkte offenbarten.

Nach dem ersten Halbjahr 2011 beobachtet TPI weltweit ein Schrumpfen des Marktes um ein Fünftel auf 29,8 Milliarden Euro. Die Zahl der abgeschlossenen Verträge sei jedoch annähernd konstant. Offenbar beschränkt sich die globale Schwäche also darauf, dass weniger große Kontrakte und Mega-Deals über mindestens 100 Millionen US-Dollar abgeschlossen wurden. Im Gegenzug setzen die Unternehmen stärker auf eine Vielzahl von Multisourcing-Verträgen. Die gut gefüllte Pipeline lasse jedoch eine bessere zweite Jahreshälfte erahnen, so TPI.

Die Interpretationsschwierigkeiten ergeben sich aus den traditionell starken Schwankungen in diesem Markt. Die starken Ausschläge zwischen einzelnen Quartalen zeichnen nicht unbedingt das gleiche Bild, das sich im gemächlicheren Halbjahresrhythmus ergibt. Orientiert man sich an der gesamten Jahreshälfte, so ergibt sich im Vergleich zum Vorjahr in EMEA ein Plus von 10 Prozent auf einen Gesamtvertragswert von 17 Milliarden Euro. Seit 2002 handelt es sich damit um das drittumsatzstärkste erste Halbjahr hinter 2008 (23,9 Milliarden) und 2005 (18,6 Milliarden).

Das Wachstum von 52 Prozent in Asien-Pazifik ist zwar frappierend, das Gesamtvolumen von 3 Milliarden Euro dort aber auch relativ gering. Ein Gesamtvertragswert von 9,8 Milliarden Euro in Amerika bedeutet hingegen ein Minus von geschlagenen 50 Prozent.

Restrukturierungsgeschäft brummt

Vergleicht man das zweite Quartal mit jenem des Vorjahres zeigen sich ähnliche Wachstumsraten. Gegenüber dem ersten Quartal bedeuten 7,6 Milliarden Gesamtvertragswert in EMEA aber ein Minus von 19 Prozent. Lediglich 27 Prozent weniger Wachstum in Amerika lassen dort darauf schließen, dass das Tal der Tränen allmählich durchschritten ist.

Im weltweiten Halbjahresvergleich lässt sich ferner erkennen, dass derzeit vor allem das Restrukturierungsgeschäft den Outsourcing-Markt trägt. Während es bei den Mega-Deals ein Abflauen um 35 Prozent gab, war im Bereich Restrukturierung ein Plus von 44 Prozent zu verzeichnen.

Im Raum EMEA bedeuten lediglich drei Mega-Deals mit einem Volumen von zusammen 5,1 Milliarden Euro ebenfalls einen Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr, in dem fünf Riesenverträge über insgesamt 7,8 Miliarden Euro unterzeichnet wurden. 3,6 Milliarden Euro für Restrukturierungen im ersten Halbjahr in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika sind ebenfalls weniger als im Vorjahr. Allerdings zeigt sich hier im zweiten Quartal ein deutlicher Aufwärtstrend.

Die Ausgaben für IT- und BPO-Outsourcing entwickeln sich global laut Studie genau anders herum als in der EMEA-Region. Weltweit bedeuten 9,4 Milliarden Euro für die Auslagerung von Geschäftsprozessen im ersten Halbjahr eine Wiederholung des Vorjahresergebnisses. Beim IT-Outsourcing hingegen zeigt sich ein Anstieg um 27 Prozent auf 20,4 Milliarden Euro. Im zweiten Quartal waren jedoch beide Bereiche im Vergleich zum Vorjahr um etwa ein Fünftel rückläufig.

In Europa schwächelt demgegenüber das IT-Outsourcing merklich. 11,3 Milliarden Euro Gesamtvertragswert im ersten Halbjahr sind deutlich weniger als 13,1 Milliarden in der ersten Jahreshälfte 2010 oder gar 17,2 Milliarden Euro vor zwei Jahren. Im Vergleich dazu legt das Outsourcing in der ersten Jahreshälfte um mehr als 100 Prozent zu – von 2,5 auf 5,8 Milliarden Euro.

Energiekonzerne treiben Outsourcing-Markt

Der TPI-Index listet auch die zehn führenden Anbieter – allerdings nicht nach Größe geordnet. Accenture, HP und IBM zählen in jeder Großregion zu den Top-Ten. Für CSC und BT gilt das in EMEA und Amerika. Nur in der EMEA-Region zeigen Aegis, Capgemini, Capita, Logica und T-System starke Präsenz.

Im Branchenvergleich setzte in Europa im ersten Halbjahr vor allem der Energiesektor auf die Outsourcing-Karte: 2,7 Milliarden Euro Gesamtvertragswert stellen eine Vervierfachung gegenüber dem Vorjahr dar. Am meisten geben Fertigung (Plus gegenüber 2010) und Finanzdienstleister (Minus gegenüber 2010) mit jeweils über 4 Milliarden Euro für Outsourcing aus. Telekommunikations- und Medienunternehmen sind mit 3 Milliarden Euro ebenfalls im Vorderfeld zu finden. Als Outsourcing-Hochburgen in Europa nennt die Studie derzeit Großbritannien und die Niederlande.

Die Studien „The TPI Index“ und „The TPI EMEA Index“ sind bei TPI erhältlich.